Wachstumschancengesetz
Bundesrat billigt Gesetz zur Entlastung der Wirtschaft

Die Wirtschaft ankurbeln – das soll das Wachstumschancengesetz leisten. Nach zähen Verhandlungen stimmte der Bundesrat zu. Doch die geplante Entlastung der Wirtschaft sei viel zu klein, um große Hoffnungen in das Gesetz zu setzen, sagen Ökonomen.

    Verlassene Baustelle eines mehrstöckigen Gebäudes.
    Triste Aussichten: Die Konjunktur lahmt, die Krise am Bau verschärft sich weiter. (picture alliance / dpa / CHROMORANGE)
    Die deutsche Wirtschaft lahmt massiv, doch die Parteien konnten sich lange nicht beim Wachstumschancengesetz einigen. Am 22. März stimmte der Bundesrat dem Gesetz nach langem Ringen zu. Experten sind sich einig, dass es nur der Anfang sein kann.

    Was würde das Wachstumschancengesetz bringen?

    Vermutlich eher wenig. Für den Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest ist das Gesetz in der jetzigen Form ein „Tropfen auf den heißen Stein". Das Entlastungsvolumen von 3,2 Milliarden Euro sei so klein, "dass es gesamtwirtschaftlich kaum noch spürbar sein wird", sagt der Ökonom.
    Dennoch wird es von Experten als Schritt in die richtige Richtung gewertet. Steuerliche Entlastungen und der Abbau von Regulierungen und Bürokratie seien richtig und bedeutsam, sagt der ehemalige Wirtschaftsweise Lars Feld.
    Die aktuell zu den Wirtschaftsweisen gehörende Ökonomin Veronika Grimm spricht von einem „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Es müsse allerdings viel mehr kommen, um Deutschland wirklich wieder auf Kurs zu bringen.
    Genauso sieht es auch der Finanzwissenschaftler Aloys Prinz. Das Gesetz könne nur ein Anfang sein, betont er. Danach müssten noch viele Schritte folgen – „und hoffentlich größere“.

    Warum ist das Gesetz so umstritten?

    Das Wachstumschancengesetz hat eine längere Geschichte. Ursprünglich sollte es ein milliardenschwerer Booster sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anreizt. Bundesfinanzminister Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Der Kern des Gesetzes war eine Prämie für Klimaschutz-Investitionen, Forschungsförderung, eine für Unternehmen günstigere Verlustverrechnung und Bürokratie- Abbau.
    Doch der Bundesrat blockierte das vom Bundestag beschlossene Paket mit dem Argument, Länder und Kommunen müssten einen Großteil der Kosten und Steuerausfälle tragen.

    Auf 3,2 Milliarden zusammengestrichen

    Im Vermittlungsausschuss wurde das Volumen daraufhin von sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden zusammengestrichen. Übrig blieben vor allem steuerliche Entlastungen und Anreize, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Die Klimaschutz-Investitionsprämie flog raus.
    Die SPD-geführten Länder sind nun zufrieden, doch die Union hatte für ihre Zustimmung im Bundesrat eine zusätzliche Bedingung gestellt: Die Ampel-Regierung solle auf die bereits vom Bundestag beschlossene Streichung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel für Landwirte verzichten. Hier haben sich die Parteien bisher noch nicht geeinigt. Stattdessen wird darüber gestritten, ob es Sinn macht, die beiden Fragen miteinander zu verknüpfen.

    Woran hakte die Zustimmung des Bundesrats?

    Die Ampel-Regierung wollte sich nicht den Forderungen der Union beugen und auf die Subventionskürzungen bei den Bauern verzichten. Die Bundesregierung hat inzwischen zwar Erleichterungen für die Agrarbranche in Aussicht gestellt, legte bis zur Abstimmung im Bundesrat aber kein Paket mit konkreten Maßnahmen vor. Dennoch gab es dann eine Mehrheit in der Länderkammer.
    Man sei "im engen Kontakt mit dem Berufsstand", teilte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) lediglich mit. Vorbereitet werden demnach Erleichterungen bei der Einkommensteuer und eine Stärkung der Bauern in der Wertschöpfungskette.
    Die CSU-geführte bayerische Landesregierung stimmte gegen das Gesetz. Staatsminister Herrmann bezeichnete die Protokollerklärung der Bundesregierung im Bundesrat als „seltsamen Deal“ und „Mogelpackung“. Die Landwirtschaft müsse sich bei dieser Bundesregierung verraten und verkauft fühlen.
    Ein Grund dafür, dass der Bundesrat am Ende doch zustimmte, dürfte auch der Druck der Unternehmerlobby für ein Ja gewesen sein. Die Wirtschaft jedenfalls ging mit den streitenden Parteien hart ins Gericht: BDI-Präsident Siegfried Russwurm sprach von den langandauernden Verhandlungen als „katastrophales Zeichen“ und forderte eine sofortige Einigung.

    Wie wichtig wären Reformen, um das Wachstum anzustoßen?

    Deutschland steckt in einer Wachstumskrise - und die Aussichten sind trübe. Die Bundesregierung erwartet für dieses Jahr nur noch ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. In der Herbstprognose hatte sie noch mit einem Plus von 1,3 Prozent gerechnet.
    Laut Bundeswirtschaftsminister Habeck lastet noch immer der Krieg in der Ukraine auf der deutschen Wirtschaft. Der traditionell starken deutschen Exportwirtschaft macht zudem eine schwache Weltkonjunktur zu schaffen. Weitere Gründe für das schwache Wachstum sieht Habeck in gestiegenen Zinsen, einem überdurchschnittlich hohen Krankenstand und Sparzwängen des Bundes infolge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts.
    Ökonomen sehen noch einen weiteren Grund. Eines der größten Wachstumshindernisse sei derzeit die Politik, schimpft der Münsteraner Finanzwissenschaftler Aloys Prinz: „Man kommt nicht von der Stelle.“

    Investitionen brauchen Sicherheit

    Prinz vermisst stabile Rahmenbedingungen, die Unternehmen seien in Not. Investitionen bräuchten eine gewisse Sicherheit, doch die gebe es nicht. Stattdessen gebe es „viele Unsicherheiten an allen möglichen Stellen“ – wie bei den Sozialversicherungsbeiträgen, den Klimaschutzinvestitionen, der Rente und dem Arbeitskräftemangel: „Nur Fragen, keine Antworten.“
    Andere Wirtschaftswissenschaftler sehen das ähnlich. "Die Politikunsicherheit in Deutschland ist derzeit so hoch wie in Großbritannien im Jahr des Brexit“, sagte der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem "Tagesspiegel". Die Bundesregierung müsse ihre internen Differenzen überwinden, um Sicherheit über den weiteren Kurs in der Wirtschafts- und Klimapolitik zu schaffen. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, fordert zudem Regierung und Opposition zu mehr Zusammenarbeit auf.

    ahe