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Wacken-Festival
Wie viel Religion steckt im Metal?

75.000 Metal-Fans aus aller Welt pilgern jedes Jahr ins kleine Dorf Wacken in Schleswig-Holstein – und bringen jede Menge religiöse Symbole mit: vom (umgedrehten) Kreuz über nordische Götter bis hin zur Mönchskutte. Auch die Rituale der Metaller haben das Interesse der Wissenschaft geweckt.

Von Mechthild Klein |
    Metalfans sind zum 28. Wacken Open Air Festival - W:O:A 2017 angereist.
    Viele Metalfans mögen es düster, möchten mit Teufelssymbolen schockieren - aber oft steckt auch Ironie darin (imago / Future Images)
    Wir sind Gott / wir entscheiden über Leben und Tod / Wir sind Gott / Die Schöpfer von Elend und Not
    Die deutsche Metal-Band Hämatom heizt dem Publikum auf dem Open-Air-Festival in Wacken kräftig ein.
    "Wo sind die Hände hier in Wacken?"
    Die Metal-Gemeinde hat nicht nur ihren eigenen Sound, sondern auch ihren eigenen Dresscode. Schwarze Klamotten, Stiefel und Jeanskutten mit unzähligen Bandstickern. Ihre Shirts und ihr Schmuck zeigen Totenköpfe oder religiöse Symbole. Die Metal Heads pflegen sogar ein eigenes Begrüßungsritual, den Hörnergruß. Die Hand zur Faust geballt, Zeige- und kleiner Finger abgespreizt. Ein Zeichen für den Satan? Da schüttelt dieser Wacken-Besucher den Kopf:
    "Das ist mehr ein Sympathiesymbol. Oder wenn eine Band besonders gut ist, wird dieses Zeichen nach oben gegeben."
    "Geste zur Abwehr von Unglück"
    "Die Pommesgabel ist ein Zeichen, das verwendet wird in der Metal Szene - korrekterweise wird sie Mano Cornuta genannt. Also die gehörnte Hand. Woher sie genau stammt, ist nicht ganz klar. In Italien ist es tatsächlich eine Geste zur Abwehr von Unglück", erklärt die Religionswissenschaftlerin Anna-Katharina Höpflinger.
    Sie forscht an der Universität München über Kultur und Codes der Metaller. Außenstehende verstünden oft nicht die Doppelbödigkeit, sagt sie - wann sei etwas ironisch gemeint und wann nicht.
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    In Wacken gehören Party-Stimmung und die "gehörnte Hand" zusammen (Carsten Rehder/dpa)
    "Metal im Gesamten befasst sich vor allem mit Dingen, die von der Kultur als negativ gewertet werden. Da ist natürlich Tod ein großes Thema, aber auch die dunkle Seite von Religionen, Gewalt bis hin zu Diffamierungspraktiken von Menschen, Folter, solche Dinge."
    Die Akteure der Metal-Kultur greifen Symbole und Topoi aus vielen Religionen auf: Pentagramm, Runen, christliches Kreuz, die Apokalypse oder Gegenstände aus der Bestattungskultur. Manche Musiker tragen auf der Bühne Mönchskutten oder versuchen, böse Mächte wie den Satan darzustellen - Satanisten sind sie deswegen noch lange nicht, sagt Anna-Katharina Höpflinger.
    "Religiöse Codes gibt es im Metal fast überall. Es gibt wenig Metal, wo kein religiöser Codes vorkommen. Auch in der Musik selber. Dass irgendwie Orgelspiel aufgenommen wird, dann bei der Visualisierung, auf CD-Covern, auf Plakaten, bei den Konzerten, als Performance, auf der Kleidung. Es gibt wirklich überall Codes."
    "Abwehr des Bösen"
    Religiöse Symbole würden in der Metal-Kultur transformiert, sagt Höpflinger. Das Pentagramm galt im Mittelalter als Zeichen zur Abwehr des Bösen. Im Metal wird es nun auf den Kopf gestellt und so als Zeichen des Bösen selbst verstanden - sicher Einflüsse des Satanisten Anton LaVey oder aus Horrorfilmen.
    "Oft ist es ja nicht so, dass direkt die Quellen zitiert werden, sondern es wird via New Age oder der Populärkultur aufgenommen – über Filme, die man sieht, über Bücher, die darüber gelesen werden."
    Metal ist inzwischen selbst eine Populärkultur - und in viele Musikrichtungen aufgefächert. Im Black Metal beispielsweise, einer kleinen aber lautstarken Subkultur, verwenden manche Akteure Kreuze, die auf dem Kopf stehen. Ein Zeichen, um sich gegen das Christentum abzugrenzen, so Anna-Katharina Höpflinger:
    "Man zeigt durch die Codes an, dass man zum Metal gehört. Das verkehrte Kreuz ist so eng mit dem Black Metal verbunden, dass man sofort erkennt, wenn jemand ein verkehrtes Kreuz trägt."
    "Man will schockieren"
    Das umgedrehte Kreuz wird zu einem Identifikationszeichen - so wollen die Akteure im Black Metal auch provozieren.
    "Man will schockieren, indem man irgendwie Christus zerstückelt abbildet."
    Da ist nicht viel Raum für Ironie, die Black-Metal-Fraktion tritt oft sehr ernst auf - andere Metal-Strömungen machen sich deshalb auch schon mal über sie lustig. Ganz anders ist der Stil der amerikanischen Power-Metal-Band Manowar.
    "Diese Band Manowar arbeitet mit verschiedenen Mythen, Sagen, aber auch Fantasie-Elementen. Was mich interessiert hat, dass sie schon seit Anfang der 80er Jahre immer wieder Songs haben, in denen sie sich auf nordische Mythologie beziehen, wie sie überliefert ist in altisländischen Dichtungen, der Lieder-Edda oder der Snorra-Edda", sagt Florian Heesch, Musikwissenschaftler an der Universität Siegen.
    "Ästhetische Darstellung von Gewalt"
    Auch Heesch beobachtet, dass die nordischen Götter im Metal transformiert werden. Bei Thor etwa interessiert nur noch der kriegerische Aspekt. Das fließt in die Songtexte ein und wird in martialischen Wikingerkämpfen auf der Bühne zelebriert. Eine Parade von Männlichkeitskult mit Kriegerromantik - mitunter auch ironisch gebrochen. Noch härter mögen es nur die Bands aus dem Death und Black Metal.
    "Es geht um ästhetische Darstellung von Gewalt, von Schrecken, von Angst, auch von ganz ganz überspitzter oder krasser Gewalt, Körperzerstörung - eine Menge - die simuliert werden. Es wird Kunstblut vergossen. Und doch ist jetzt völlig klar: Das ist jetzt hier Kunst oder Musik. Das ist Bühnenshow, das ist Theater, was gemacht wird", so Heesch.
    Ziemlich heftig geht es auch in der Tanzkultur der Metaller ab. Auf Konzerten bilden sich spontan Freiflächen, die sogenannten Moshpits, in denen wild getanzt wird. Bei diesem Gemeinschaftsritual lassen die Teilnehmer ihre Aggressionen raus, kleine Blessuren sind einkalkuliert, erklärt der Musikwissenschaftler.
    "Das ist ganz spannend, weil das nicht völlig regellos ist. Wenn zum Beispiel jemand hinfällt in so einem Moshpit, dass andere Personen dem wieder aufhelfen. Das heißt, man achtet da schon drauf, dass da so nichts wirklich Schlimmes passiert."
    Auch außerhalb ihrer Community gelten die Metal-Fans als höflich und hilfsbereit - trotz ihres gefährlich wilden Äußeren und ihrer Liebe zu Gewalt- und Horrordarstellungen oder Teufelssymbolen. An diesen Widerspruch haben sich die Wackener schon lange gewöhnt.