"Athletinnen und Athleten sind die wichtigsten Akteure im Anti-Doping-Kampf", sagt der Neuseeländer Ben Sandford, der scheidende Vorsitzende der Athletenkommission der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. "Du musst die Athleten in die Entscheidungen einbeziehen, weil die Entscheidungen hauptsächlich die Sportler betreffen. Deshalb ist es unheimlich wichtig sicherzustellen, dass die Athleten in jeden Schritt einbezogen werden."
Die Reform der Athletenvertretung soll für größeren Einfluss auf Entscheidungen der WADA sorgen. Eine neue Erfahrung für die Sportler und Sportlerinnen. In der Vergangenheit waren sie nur ein Anhängsel. Demokratie gab es in den mehr als 20 Jahren seit der Gründung für die Athleten nicht. Stakeholder wie Nationale Olympische Komitees oder internationale Verbände als Interessenvertreter konnten Vorschläge machen, letztendlich entschied die WADA-Führung, wer in das Gremium rückte. Und wer Kritik wagte, bekam das auch zu spüren. So beklagte Beckie Scott, die frühere Vorsitzende der Athletenkommission, bei Ihrer Abschiedsrede 2019, sie sei regelrecht gemobbt worden. Die Skilangläuferin hatte öffentlich die Meinung vieler Kritiker vertreten, die WADA habe beim russischen Dopingskandal zu lasch agiert.
Sandford: "Mehr Demokratie, hoffentlich mehr Diversität"
Ihr Nachfolger Ben Sandford kämpfte mit einer Arbeitsgruppe für mehr Demokratie und eine stärkere Sportlerbeteiligung. Gleichzeitig war dies auch Thema einer Governance-Überprüfung. "Bei der Governance-Überprüfung wurden unsere Empfehlungen angenommen und jetzt haben wir diese Veränderungen: Wir vergrößern die Athletenkommission in einen Rat aus gewählten und ernannten Mitgliedern. Diese werden von einem Panel ernannt, das in der Mehrheit aus Sportlern besteht. Also noch mehr Demokratie, mehr Athleten und hoffentlich auch mehr Diversität", erklärt der frühere Skeleton-Olympionike Sandford.
Und nicht nur das: Mit der Reform ist der Weg jetzt frei in alle Kommissionen und auch Arbeitsgruppen. Auch in die höchsten Gremien der Welt-Anti-Doping-Agentur. "Mit der Einrichtung eines neuen und reformierten Athletenrats machen wir einen bedeutenden Schritt nach vorn in Bezug auf die direkte Beteiligung der Athleten an der Leitung der WADA. Ab 2023 wird der Vorsitzende des Athletenrats im Exekutivkomitee der WADA sitzen, und zwei Ratsmitglieder werden im Stiftungsrat vertreten sein", wird der polnische WADA-Präsident Witold Banka in einer Pressemitteilung zitiert.
61 Verbände zur Wahl zugelassen
Wer in diese Ämter kommt, das können die Sportler und Sportlerinnen jetzt zum ersten Mal selbst bestimmen. Die Athletenvertretungen von 61 internationale Verbänden sind zur Wahl zugelassen. Sie wählen die acht Vertreter der Federationen.
Die deutsche Eishockeyspielerin Jennifer Harss, die im April dieses Jahres ihre Karriere beendet hat, gehört zum Kandidatenkreis. "Ja, letztendlich ist der Internationale Eishockey-Verband IIHF auf mich zugekommen, es war während eines Eishockey-Camps in Finnland, und da haben wir auch über das Thema gesprochen. Letztendlich habe ich auch gesagt, dass ich mir das vorstellen könnte, und dass ich natürlich einen sauberen Sport stehe und auch an dem Amt interessiert wäre."
Die ehemalige Nationalspielerin trainiert jetzt die deutsche U18 Frauen-Nationalmannschaft. Aus ihrer aktiven Zeit kennt sie die Anforderungen, die der Anti-Dopingkampf an die Sportler stellt. "Wenn man jahrelang selber mit dem System und mit dem Thema vertraut war, dann kann man das natürlich auch sich sehr gut mit einbringen und es danach hoffentlich für zukünftige Sportler das ganze System verbessern und voranbringen."
Berufungsgremium wählt weitere sieben Mitglieder aus
Ähnlich wie sie argumentieren viele der 34 Kandidaten, darunter auch die beiden anderen Deutschen: Der Billiardspieler Martin Horn und Ex-Tennisprofi Michael Berrer. Dazu kommen fünf Vertreter aus den Athletenkommissionen von IOC und IPC. Und zwischen September und Dezember werden noch einmal sieben Mitglieder von einem Berufungsgremium ausgewählt. So soll das Verhältnis der Geschlechter ausgeglichen werden. Außerdem sollen alle Regionen der Welt vertreten sein.
Ein weiteres Kriterium nennt Sandford: "Es ist wichtig, dass die Athletenkommission die notwendigen Kenntnisse für die Arbeit der WADA hat. Verlangt sind da juristische, medizinische und wissenschaftliche Fähigkeiten. Denn das sind wichtige Bereiche innerhalb der Agentur. Da sollte man schon aktive oder ehemalige Sportler finden, die mit diesen speziellen Fähigkeiten einen Mehrwert für die Kommission und auch für die gesamte WADA mitbringen."
Die Rahmenbedingungen sind demokratischen Standards angepasst worden. Jetzt müssen aber auch die Stimmen der Athleten und Athletinnen gehört werden.