Freunde treffen, Fotos tauschen, Straßen finden - die digitalen Dienstleister Google, Facebook und Co machen das Leben leichter. Ganz klar. Und dafür bezahlen wir noch nicht einmal Geld. Denn die Währung in dieser digitalen Welt sind Informationen über uns, die Nutzer. Wie das genau funktioniert und zu einem Milliardengeschäft geworden ist, beleuchten Constanze Kurz und Frank Rieger in ihrem Buch "Die Datenfresser". Dafür stellen die beiden Sprecher vom Chaos Computer Club verschiedene Geschäftsmodelle vor und blicken hinter die Kulissen der blinkenden Oberflächen. Denn auch wenn vieles im Netz als kostenlos beworben wird - der Kommunismus ist dort keinesfalls ausgebrochen:
Wenige wissen, wie sich die Anbieter der digitalen Annehmlichkeiten finanzieren. Womit bezahlen wir die angeblich kostenlosen Dienste? Denn eine Gratis-Ökonomie ist es mitnichten. Wie funktioniert die magische Umwandlung von Klicks und Teilnehmerzahlen, von Freunden und hochgeladenen Bildern in Geld? Die meisten Nutzer haben eine vage Ahnung, dass sich das alles über Werbung finanziert, aber kaum jemand mag sich richtig mit den Details befassen.
Mit diesen lästigen Details befassen sich die Autoren dann aber umso lieber. Und es ist gut, dass sie das tun. Nachdenken setzt ein bei der Aufzählung des technischen wie personellen Aufwands, mit dem etwa Unternehmen wie Google und Facebook Marktbeherrscher geworden sind. Sie schreiben:
So betreiben zum Beispiel Facebook und Google riesige Hallen voller Computer, die Dutzende Megawatt Strom verbrauchen. Ein großes soziales Netzwerk wie Facebook muss Rechner- und Speicherkapazitäten aufbauen, die pro Tag mit fast fünfzig Millionen hochgeladenen Bildern umgehen können. In jeder Minute kommen also mehr als 30.000 Fotos neu hinzu.
Dies alles wird viel Geld kosten. Und die Währung, in der der Nutzer zahlt, sind eben seine persönlichen Daten - und die seiner mit ihm verlinkten Freunde. Auf dieser Daten-Basis können Programme Werbung persönlich auf den einzelnen Nutzer zuschneiden. Das ist alles nicht neu, und entsprechend unzufrieden sind dann auch einige Netzexperten mit den Ausführungen von Kurz und Rieger. Sie werfen den beiden Autoren vor, Altbekanntes nur neu darzustellen. Und dabei Ängste zu schüren: vor dem Internet und vor einer digitalen Überforderung - ähnlich wie dies schon FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher in seinem Buch "Payback" getan hat. Andererseits weiß eben nicht jeder Nutzer gleichviel im Netz. Und so bemühen sich die Autoren immerhin, das Wissen auch auf Laienseite wachsen zu lassen:
Es hat sich durchgesetzt, dass Anbieter Dienste ohne Bezahlung offerieren, aber im Gegenzug wertvolle Informationen bekommen und auswerten.
Dass Kurz und Rieger mit ihren Warnrufen, gerade bei dem Thema soziale Netzwerke, schon mal über das Ziel hinausschießen, ist allerdings auch wahr, etwa dann, wenn sie vor den vermeintlichen Auswirkungen warnen.
Kriminelle und Stalker haben immer schon die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit genutzt. Wenn ihnen die nötigen Informationen frei Haus direkt aufs Telefon serviert werden, wenn man jegliche Vorsicht, zum Beispiel bei den Privatsphäre-Einstellungen der Social Networks vergisst, wird man schnell zur leichten Beute.
Ob das tatsächlich so schnell geht, wie das Kurz und Rieger befürchten, ob der schwarze Mann nach einer Anmeldung bei Facebook wirklich sofort mit im Wohnzimmer sitzt? Statt auf die Eigenverantwortung der Nutzer zu setzen, scheuen Kurz und Rieger kein "Worst-Case"-Szenario, um hier zur Vorsicht aufzurufen. Dabei entwickelt ihr Buch seine Stärken vor allem dann, wenn es sich auf der sachlichen Ebene bewegt. Wenn die Autoren zum Beispiel die Daten-Sammelwut des Staates beleuchten, oder die Möglichkeiten biometrischer Erkennungssysteme vorstellen, kommt das Schaudern von ganz alleine. Wenn die beiden Netzexperten aber diese fachliche Ebene verlassen, wird es schon schwieriger: Etwa dann, wenn sie ihre Leser in ihren zuvor konstruierten düsteren Zukunftsszenarien aus alleine lassen. Immerhin finden die Autoren wieder in die Gegenwart zurück. Und dort könnten nach ihrer Ansicht auch gerade die Weichen für eine solche Zukunft gestellt werden. Jedenfalls wenn sich jene durchsetzen, die die Privatheit gerne im Ganzen überwinden wollen. "Post-Privacy" heißt das - und die Autoren sind keine Fans dieser Theorie:
Eine populäre Theorie über die zukünftige Entwicklung ist, dass wir mit der Offenlegung sämtlicher Lebensdetails einfach toleranter würden. Egal ob kompromittierende Fotos, unmoralische Sexualgewohnheiten, abseitige Hobbys oder merkwürdige Gewohnheiten - sobald wir alles von allen sehen können, müssen wir auch damit leben. Doch schon im relativ kleinen Deutschland ist die Bandbreite der moralischen Maßstäbe zwischen bayerischem Bergdorf und feierfreudigem Großstadtkiez enorm.
Da die meisten Menschen sowieso nicht alles mit dem Rest der Menschheit teilen wollen, dürfte die Warnung von Kurz und Rieger hier auf offene Ohren stoßen. Und es schadet auch nicht, dass sie uns mit diesem Buch noch einmal klarmachen: Wer viel über uns weiß, hat auch Macht über uns und unser Leben. Diese Macht gilt es sich zurückzuholen - ohne dabei komplett zum Digital-Eremiten zu werden. Die Ansätze dafür stecken laut Kurz und Rieger im System selbst:
Nur wenige Menschen wollen tatsächlich als Daten-Asket leben, daher muss ein gesunder Mittelweg gefunden werden, die Datenspuren des eigenen Lebens unter Kontrolle zu halten. In vielen Aspekten ist der Mensch vorrangig Verbraucher. Dass das Macht impliziert, ist noch nicht jedem klar. Warum also nicht dort zahlen, wo mit den persönlichen Informationen respektvoll umgegangen wird?
Wer also wie viel von sich im Netz preisgibt, bleibt momentan immer noch jedem selbst überlassen. Wer aber um die Auswirkungen wissen will, dem bietet Kurz und Riegers Buch hilfreiches Hintergrundwissen. Denn trotz aller Schrecken, die die vermeintliche Datenkrake Internet da bereithalten mag: Nur wer den Milliardenmarkt der vernetzten Welt auch versteht, kann mündig entscheiden, ob er dabei sein will oder nicht.
Constanze Kurz und Frank Rieger: "Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurück erlangen."
S. Fischer Verlag,
272 Seiten, 16,95 Euro
ISBN: 978-3-100-48518-2
Wenige wissen, wie sich die Anbieter der digitalen Annehmlichkeiten finanzieren. Womit bezahlen wir die angeblich kostenlosen Dienste? Denn eine Gratis-Ökonomie ist es mitnichten. Wie funktioniert die magische Umwandlung von Klicks und Teilnehmerzahlen, von Freunden und hochgeladenen Bildern in Geld? Die meisten Nutzer haben eine vage Ahnung, dass sich das alles über Werbung finanziert, aber kaum jemand mag sich richtig mit den Details befassen.
Mit diesen lästigen Details befassen sich die Autoren dann aber umso lieber. Und es ist gut, dass sie das tun. Nachdenken setzt ein bei der Aufzählung des technischen wie personellen Aufwands, mit dem etwa Unternehmen wie Google und Facebook Marktbeherrscher geworden sind. Sie schreiben:
So betreiben zum Beispiel Facebook und Google riesige Hallen voller Computer, die Dutzende Megawatt Strom verbrauchen. Ein großes soziales Netzwerk wie Facebook muss Rechner- und Speicherkapazitäten aufbauen, die pro Tag mit fast fünfzig Millionen hochgeladenen Bildern umgehen können. In jeder Minute kommen also mehr als 30.000 Fotos neu hinzu.
Dies alles wird viel Geld kosten. Und die Währung, in der der Nutzer zahlt, sind eben seine persönlichen Daten - und die seiner mit ihm verlinkten Freunde. Auf dieser Daten-Basis können Programme Werbung persönlich auf den einzelnen Nutzer zuschneiden. Das ist alles nicht neu, und entsprechend unzufrieden sind dann auch einige Netzexperten mit den Ausführungen von Kurz und Rieger. Sie werfen den beiden Autoren vor, Altbekanntes nur neu darzustellen. Und dabei Ängste zu schüren: vor dem Internet und vor einer digitalen Überforderung - ähnlich wie dies schon FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher in seinem Buch "Payback" getan hat. Andererseits weiß eben nicht jeder Nutzer gleichviel im Netz. Und so bemühen sich die Autoren immerhin, das Wissen auch auf Laienseite wachsen zu lassen:
Es hat sich durchgesetzt, dass Anbieter Dienste ohne Bezahlung offerieren, aber im Gegenzug wertvolle Informationen bekommen und auswerten.
Dass Kurz und Rieger mit ihren Warnrufen, gerade bei dem Thema soziale Netzwerke, schon mal über das Ziel hinausschießen, ist allerdings auch wahr, etwa dann, wenn sie vor den vermeintlichen Auswirkungen warnen.
Kriminelle und Stalker haben immer schon die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit genutzt. Wenn ihnen die nötigen Informationen frei Haus direkt aufs Telefon serviert werden, wenn man jegliche Vorsicht, zum Beispiel bei den Privatsphäre-Einstellungen der Social Networks vergisst, wird man schnell zur leichten Beute.
Ob das tatsächlich so schnell geht, wie das Kurz und Rieger befürchten, ob der schwarze Mann nach einer Anmeldung bei Facebook wirklich sofort mit im Wohnzimmer sitzt? Statt auf die Eigenverantwortung der Nutzer zu setzen, scheuen Kurz und Rieger kein "Worst-Case"-Szenario, um hier zur Vorsicht aufzurufen. Dabei entwickelt ihr Buch seine Stärken vor allem dann, wenn es sich auf der sachlichen Ebene bewegt. Wenn die Autoren zum Beispiel die Daten-Sammelwut des Staates beleuchten, oder die Möglichkeiten biometrischer Erkennungssysteme vorstellen, kommt das Schaudern von ganz alleine. Wenn die beiden Netzexperten aber diese fachliche Ebene verlassen, wird es schon schwieriger: Etwa dann, wenn sie ihre Leser in ihren zuvor konstruierten düsteren Zukunftsszenarien aus alleine lassen. Immerhin finden die Autoren wieder in die Gegenwart zurück. Und dort könnten nach ihrer Ansicht auch gerade die Weichen für eine solche Zukunft gestellt werden. Jedenfalls wenn sich jene durchsetzen, die die Privatheit gerne im Ganzen überwinden wollen. "Post-Privacy" heißt das - und die Autoren sind keine Fans dieser Theorie:
Eine populäre Theorie über die zukünftige Entwicklung ist, dass wir mit der Offenlegung sämtlicher Lebensdetails einfach toleranter würden. Egal ob kompromittierende Fotos, unmoralische Sexualgewohnheiten, abseitige Hobbys oder merkwürdige Gewohnheiten - sobald wir alles von allen sehen können, müssen wir auch damit leben. Doch schon im relativ kleinen Deutschland ist die Bandbreite der moralischen Maßstäbe zwischen bayerischem Bergdorf und feierfreudigem Großstadtkiez enorm.
Da die meisten Menschen sowieso nicht alles mit dem Rest der Menschheit teilen wollen, dürfte die Warnung von Kurz und Rieger hier auf offene Ohren stoßen. Und es schadet auch nicht, dass sie uns mit diesem Buch noch einmal klarmachen: Wer viel über uns weiß, hat auch Macht über uns und unser Leben. Diese Macht gilt es sich zurückzuholen - ohne dabei komplett zum Digital-Eremiten zu werden. Die Ansätze dafür stecken laut Kurz und Rieger im System selbst:
Nur wenige Menschen wollen tatsächlich als Daten-Asket leben, daher muss ein gesunder Mittelweg gefunden werden, die Datenspuren des eigenen Lebens unter Kontrolle zu halten. In vielen Aspekten ist der Mensch vorrangig Verbraucher. Dass das Macht impliziert, ist noch nicht jedem klar. Warum also nicht dort zahlen, wo mit den persönlichen Informationen respektvoll umgegangen wird?
Wer also wie viel von sich im Netz preisgibt, bleibt momentan immer noch jedem selbst überlassen. Wer aber um die Auswirkungen wissen will, dem bietet Kurz und Riegers Buch hilfreiches Hintergrundwissen. Denn trotz aller Schrecken, die die vermeintliche Datenkrake Internet da bereithalten mag: Nur wer den Milliardenmarkt der vernetzten Welt auch versteht, kann mündig entscheiden, ob er dabei sein will oder nicht.
Constanze Kurz und Frank Rieger: "Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurück erlangen."
S. Fischer Verlag,
272 Seiten, 16,95 Euro
ISBN: 978-3-100-48518-2