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Währungsunion
Lettland führt den Euro ein

Das Silvesterfeuerwerk in Riga war etwas opulenter als zuletzt: Lettland ist als 18. Land der Eurozone beigetreten, am Automaten gibt es neues Geld. Regierung und Wirtschaft haben viel Überzeugungsarbeit für den Euro geleistet, doch der Abschied von der alten Währung fällt den Letten schwer.

Von Tim Krohn |
    "Lat it be" – mit solchen Songs haben sich die Letten von ihrer alten Währung verabschiedet. Den Lat haben sie geliebt in Riga, mit dem Euro fremdeln sie noch.
    "Ganz nüchtern und aus der Perspektive der Wirtschaft betrachtet führt wohl kein Weg daran vorbei. Aber es sind auch viele Emotionen mit im Spiel . Und schauen Sie sich doch nur mal unsere Münzen an: Hier sehen Sie einen Schornsteinfeger. Solch bunte Vielfalt haben wir in unserem kleinen Lettland hier."

    Knapp 30 Prozent der lettischen Bevölkerung sind Russen. Ludmilla, die noch die alten Münzen in der Hand hält, ist eine von ihnen. Früher hat sie mit Rubel bezahlt, dann kam der Lat mit den Schornsteinfegermünzen und jetzt? Ludmilla hält einen Euro in der Hand. Eine Frau in Landestracht ist darauf abgebildet. Ganz hübsch, findet Ludmilla. Aber Euphorie klingt irgendwie anders.

    "Das ist keine leichte Entscheidung. Der Lat hat für Lettland eine ähnliche Bedeutung wie die D-Mark für Deutschland. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg doch das Symbol für den Aufschwung. Und der Lat ist für uns das Symbol für die Unabhängigkeit."

    Auch Sandra Kalniete findet es schwer, auf den Lat zu verzichten. Die Buchautorin, frühere Außenministerin und EU-Kommissarin spricht von einer rein pragmatischen Entscheidung. Nach den Jahren der Krise seien die Letten nun endlich in Europa angekommen.

    "Es gibt so ein Sprichwort bei uns: Man sollte nicht zu viel und zu heiß davon essen! Wir laufen nicht mit geballten Fäusten durch die Straßen und verdammen gleich die ganze Welt. Die Letten haben einfach die Zähne zusammengebissen und sind sehr geduldig durch diese Krise gegangen. Mit wirklich großen menschlichen Opfern."

    Jeder fünfte Einwohner verlor in der Krise seinen Job, jeder Zehnte ging dauerhaft ins Ausland. Die, die geblieben sind, verdienen heute durchschnittlich so um die 700 Euro, mehr nicht. Lettland gehört immer noch zu den ärmsten Staaten Europas.

    Und trotzdem wächst die Wirtschaft wieder – so stark wie in keinem anderen Land der EU. Die in Brüssel und die beim IWF sind voll des Lobes über die Letten. Und auch Maren Diale Schellschmidt von der deutsch-baltischen Handelskammer spricht von einem Gewinn für beide Seiten, für die Letten und die Eurozone:

    "Lettland bringt definitiv die Erfahrung der Umkehr von der schweren Krise in ein Wachstum mit durch harte Maßnahmen. Da können sich viele im Euroklub etwas abschauen. Natürlich ist Lettland ein kleines Land. Es wird die Eurozone nicht verändern. Aber es wird einige spannende neue kleine Akzente einbringen können."

    Die Wirtschaft und die Regierung in Riga haben so ziemlich alles versucht, um die zwei Millionen Letten doch noch vom Euro zu überzeugen. Mit aufwendigen Werbespots wie diesem hier oder mit nackten Zahlen über das Wirtschaftswachstum im Land. Die Skepsis aber ist geblieben.

    Der größte Hit in Rigas Silvesternacht war wohl eher dieser hier. Es ist so etwas wie das Abschiedslied für die Münzen mit dem Schornsteinfeger drauf und schon seit Wochen der Renner im Internet.
    Lettland singt: "Danke, kleiner Lats!"