Der Wald ist im Wandel. In unseren Breiten wird er wohl bald nicht mehr so aussehen, wie ihn Generationen vor uns kannten, denn die Folgen des Klimawandels setzen auch den heimischen Baumarten zu. Die lang anhaltenden heißen und vor allem trockenen Sommer lassen nicht nur die Fichten in den Plantagen absterben, sondern schädigen auch Buchen, Eichen und Eschen in naturnahen Wäldern.
Doch auch wenn viele Baumarten unter den Folgen des Klimawandels leiden, so können die Wälder dennoch einen großen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Heute wird eine Studie zur Zukunft der Wälder in der EU vorgestellt, finanziert von der Umweltstiftung Greenpeace.
Christoph Thies ist Wald- und Klimaexperte bei Greenpeace. Im Dlf-Interview sagte er, dass die Wälder wieder naturnäher werden müssten und der Holzverbrauch gesenkt werden müsste.
Britta Fecke Herr Thies, die EU will ja bis 2050 klimaneutral sein, also nicht mehr CO2 ausstoßen als sie wieder binden kann. Welche Bedeutung kommt da den Wäldern zu?
Christoph Thies: Die Studie, die wir vorstellen, zeigt, dass die CO2-Bindung der Wälder, wieviel sie jedes Jahr an CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen können, sich durchaus von 245 Millionen Tonnen zurzeit in den Wirtschaftswäldern verdoppeln ließe auf nahezu 500 Millionen Tonnen, und das ist eine Größenordnung dann von zirka elf Prozent der gegenwärtigen Emissionen. Aber elf Prozent zeigt natürlich auch, dass die Hauptaufgabe, wenn die EU klimaneutral werden will, sein muss, so schnell wie möglich mit den fossilen Emissionen runterzugehen und die zu beenden.
"Die Laubwälder speichern viel mehr CO2"
Fecke: Sie sagen, nicht alle Last können wir den Wäldern aufbürden. Wie müssen denn die Wälder überhaupt aussehen, damit sie diese elf Prozent CO2 binden können?
Thies: Die Wälder müssen naturnäher werden. Das heißt, in großen Teilen Europas bis auf den Norden, Schweden und Finnland, da würden wir natürlicherweise hauptsächlich Laubbäume haben, und die sind in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern Europas, verdrängt worden durch angepflanzte, schnell wachsende Nadelbäume, Fichten, Kiefern, neuerdings Douglasien und so weiter. Das müssen wir zurückdrehen, denn die Laubwälder, die speichern viel mehr CO2. Die speichern auch mehr Wasser. Das heißt, die sind auch deutlich robuster und resilienter gegenüber den Folgen der Klimakrise, die wir ja jetzt schon deutlich sehen: Dürre, Hitze, Brände und so weiter.
Fecke: Sie sagen, der Wald muss naturnaher sein. Was bedeutet das denn für die Forstwirtschaft?
Thies: Für die Forstwirtschaft bedeutet das hauptsächlich, dass nicht mehr der Förster bestimmen sollte in der Zukunft, welcher Baum wo wächst, sondern dass wir das mehr der Natur überlassen. Das heißt, dass wir die natürliche Verjüngung der Wälder wieder zulassen und damit auch automatisch wieder mehr junge Laubbäume aus dem Boden wachsen, statt dass wir praktisch immer meinetwegen geschädigte Flächen ausräumen und dann immer wieder pflanzen. Das Pflanzen ist sehr schlecht in Gebieten, wo der Wald sich von selber verjüngen würde, denn die von selbst wachsenden jungen Bäume, die haben viel stärkeres Wurzelwerk und sind auch deutlich robuster und sind auch besser angepasst an die örtlichen Bedingungen.
"EU hat insgesamt den höchsten Holzverbrauch pro Kopf der Erde"
Fecke: Sie glauben also, dass die Buche oder der Samen einer Buche, die unter ganz anderen Bedingungen damals groß geworden ist, dass die es trotz der Hitze der letzten Sommer packt?
Thies: Auf jeden Fall! Es zeigt sich, dass vor allem die Eiche, aber auch die Buche natürlich inzwischen leidet unter dem Trockenstress, aber deutlich, deutlich besser an den allermeisten Standorten immer noch zurecht kommt als die Monokulturen etwa der Fichte, die tatsächlich jetzt großflächig zusammenbrechen. Und der Borkenkäfer, der da reingeht, der beschleunigt diesen Vorgang ja nur noch. Der würde auch ohne den Borkenkäfer stattfinden. Der ist es deutlich zu warm und zu trocken, aber Buchen und Eichen und eine ganze Reihe anderer Laubbäume, die auch noch besser mit der Trockenheit klarkommen als die Buche, werden in der Zukunft da sein. Die Buche wird vielleicht im Anteil ein bisschen zurückgehen, aber wir wissen ja auch nicht, ob es weiterhin so trocken bleibt. Es könnten auch Jahre kommen, wo wir Starkregen und Überflutungen haben. Das können die Klimamodelle gar nicht so genau vorhersagen.
Fecke: Was bedeutet das eigentlich für unseren Holzverbrauch, wenn wir die Wälder jetzt mehr in Ruhe lassen sollen, sich selbst überlassen sollen und die naturnäher bewirtschaftet werden?
Thies: Wir müssen mit dem Holzverbrauch unbedingt runter. Deutschland speziell und die Europäische Union insgesamt haben den höchsten Holzverbrauch pro Kopf der Erde, etwa dreimal so hoch wie der Weltdurchschnitt, und auch den höchsten Holzeinschlag, auch etwa dreimal so hoch wie der Weltdurchschnitt. Wir sind die intensivste Forstwirtschaftsregion der Erde und wir schlagen in der Studie vor, dass man um etwa ein Drittel beim Einschlag und beim Verbrauch runtergeht. Beim Verbrauch können wir vor allem dadurch runtergehen, dass wir aus Brennholz aussteigen. Waldholz zu nehmen, um es zu verbrennen, statt Kohle und Öl, ist eine Katastrophe für die Natur und trägt überhaupt nicht zum Klimaschutz bei. Die Bruttoemissionen bei der Verbrennung von Holz sind noch höher als bei Kohle. Diesen Irrweg müssen wir so schnell wie möglich verlassen und wir müssen auch zurück bei Wegwerfprodukten etwa im Papiersektor. Dann können wir genügend einsparen und hätten trotzdem noch mehr Holz für sinnvolle langlebige Verwendung wie etwa in Gebäuden oder im Bausektor.
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