Der Wald bietet Lebensraum für unzählige Arten. Er ist Luftfilter, Kohlendioxidspeicher, Sauerstoffproduzent, Erholungsort. Außerdem dienen viele Wälder zur Bewirtschaftung. Weltweit geht der Wald aber immer weiter zurück. Nicht von selbst, sondern in den allermeisten Fällen durch den Menschen. Eine Umweltorganisation in den USA veröffentlicht jedes Jahr einen Monitoringbericht darüber, wie es dem Wald weltweit geht. Die neueste Ausgabe enthält gute Entwicklungen, doch die Gesamtbilanz hat sich weiter weiter verschlechtert.
Wie viel Wald ist zuletzt weltweit verschwunden?
Insgesamt ist der globale Waldverlust im Jahr 2023 laut einem Monitoringbericht des World Resources Institute (WRI) um 24 Prozent gestiegen: von 22,8 Millionen Hektar im Jahr 2022 im Jahr auf 28,3 Millionen Hektar in 2023. Das ging nach Angaben der Umweltdenkfabrik mit Sitz in Washington D.C. allerdings ausschließlich auf die Rekordwaldbrandsaison in Kanada zurück. In den übrigen Ländern der Welt sei der Verlust an Baumbestand insgesamt um vier Prozent zurückgegangen.
Zurückgegangen ist den Angaben zufolge auch der Verlust an tropischem Urwald. Hier seien rund 400.000 Hektar weniger als noch 2022 zerstört worden, insgesamt aber dennoch rund 37.000 Quadratkilometer (3,7 Millionen Hektar) - eine Waldfläche größer als Nordrhein-Westfalen, das 35.000 Quadratkilometer groß ist. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Welt laut WRI pro Jahr drei bis vier Millionen Hektar Tropenwald verloren.
Das WRI erstellt den Report jährlich gemeinsam mit Forschenden der US-amerikanischen Universität von Maryland auf Basis der Daten der Plattform Global Forest Watch, in die Umweltorganisationen die von ihnen beobachteten Veränderungen von Waldgebieten einspeisen.
Globald Forest Watch konzentriert sich laut WRI-Angaben in erster Linie auf den Waldverlust in den Tropen, da dort mehr als 96 Prozent der – vom Menschen verursachten – Entwaldung stattfindet. Besonders Gebiete mit reifem Regenwald seien für die Artenvielfalt, die Kohlenstoffspeicherung und die Regulierung regionaler und lokaler Klimaauswirkungen wichtig.
Entsprechende Folgen hat der trotz des geringeren Rückgangs noch immer starke Verlust an tropischem Wald: 2023 verursachte er den Angaben zufolge 2,4 Gigatonnen Kohlendioxidemissionen – was in etwa der Hälfte der jährlichen fossilen Brennstoffemissionen der USA entspreche.
Warum verschwindet der Wald?
Die Gründe für den langjährigen Waldrückgang insgesamt sind vielfältig – aber so gut wie immer ist der Mensch dafür verantwortlich: durch Brände, begünstigt durch zunehmende Dürren infolge des Klimawandels, durch Brandrodungen oder durch Abholzung.
Die Erderwärmung wirkt sich auch zunehmend negativ auf die tropischen Urwälder aus. Im aktuellen WRI-Bericht heißt es, es gebe derzeit nur noch einen Regenwald, der mehr CO2 aufnehme, als er durch Trockenheit, Brände oder Abholzungen verliere: der im afrikanischen Kongobecken. Aber auch dort nähmen Waldrodungen weiterhin zu.
Warum ist zuletzt weniger Tropenwald verschwunden?
Dass der globale tropische Waldschwund im Jahr 2023 zurückgegangen ist, geht vor allem auf zwei Länder zurück: So gab es 2023 in Brasilien laut WRI 36 Prozent weniger Entwaldung als im Jahr 2022, in Kolumbien sogar 49 Prozent weniger. „Das hat mit der Neuausrichtung der Schutzpolitik zu tun – durch einen Regierungswechsel beziehungsweise durch Friedensprozesse“, erklärt Mikaela Weisse, Geografin am World Resources Institute.
Brasilien mit dem Amazonasgebiet ist allerdings trotz des Rückgangs noch immer das Land mit dem größten Verlust an tropischem Wald. „Aber der zunehmende Waldverlust in anderen Gebieten hat diese Fortschritte wieder weitgehend zunichtegemacht“, so Weisse mit Blick auf den Rückgang etwa in Brasilien und Kolumbien. Stark zugenommen habe der Verlust von unberührtem Tropenwald vor allem in Ländern wie Bolivien, Nicaragua und Laos.
Wie ist die Situation des Waldes in Deutschland?
Fast ein Drittel Deutschlands ist von Wald bedeckt – knapp die Hälfte davon ist in Privatbesitz. Dem Wald in Deutschland gehe es nicht gut, sagt Waldexpertin Jessica Stubenrauch vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Fast 90 Prozent der Waldökosysteme seien „naturschutzfachlich als schlecht zu bewerten“. Bei 79 Prozent aller Bäume seien die Baumkronen zu licht.
Laut der letzten Waldzustandserhebung des Bundesagrarministeriums aus dem Jahr 2022 leiden die Bäume in deutschen Wäldern stark unter den Folgen der Klimakrise. Demnach zeigen 35 Prozent aller Bäume deutliche Schäden. Besonders betroffen seien Nadelbäume, Buchen und Eichen. Vier von fünf Bäumen seien krank. Vor zehn Jahren waren noch doppelt so viele Bäume gesund.
Bei fast der Hälfte der Bäume zeigten sich laut dem Bericht Anzeichen für eine beginnende oder fortgeschrittene Schädigung. Insgesamt sei gegenüber 2021 keine deutliche Verschlechterung, aber auch keine Verbesserung zu sehen.
Seit 27 Jahren sei jeder Sommer in Deutschland zu warm gewesen, teilte der Deutsche Wetterdienst 2023 mit. Damit einhergehen immer häufiger anhaltende Trockenperioden. Deshalb müsse der Wald durch Umbau resilienter werden, erklärt Stubenrauch.
Was tut die deutsche Politik für die Wälder?
In Deutschland ist es laut Landwirtschaftsministerium Ziel der Waldpolitik, die vielfältigen Funktionen und Leistungen des Waldes – Klimaschutz, Rohstofflieferant, Lebensraum für Flora und Fauna sowie Ort für Naturerleben und Erholung – und seine Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern. Dazu gibt es seit 1975 ein Bundeswaldgesetz, außerdem gibt es in den einzelnen Bundesländern Landeswaldgesetze.
Um den Wald besonders gegen den Klimawandel besser zu wappnen, wird derzeit an einer Novelle des Bundeswaldgesetzes gearbeitet. Gegen den aktuell vorliegenden Referentenentwurf läuft der Verband der privaten Waldbesitzer Sturm, da es in diesem Entwurf aus seiner Sicht zu viel um Ökologie, Nachhaltigkeit, Umweltschutz gehe und zu wenig um den ökonomischen Nutzen.
Waldexpertin Jessica Stubenrauch betont, dieser Entwurf versuche, „die aktuellen Herausforderungen in der Klima- und Biodiversitätskrise und die immanente Bedeutung, die die Wälder darin haben, gesetzlich zu fassen“. Zudem verpflichte Eigentum „auch zum Erhalt des Gemeinwohls oder der ökologischen Funktionen“.
Mit einem Förderprogramm unterstützt die Bundesregierung private Waldbesitzer in Deutschland beim Umbau von Monokulturen in artenreiche und klimastabile Mischwälder: Im Programm „Klimaangepassten Waldmanagement“ gibt es bis 2026 insgesamt 900 Millionen Euro.
Die strategische Ausrichtung der deutschen Waldpolitik wird von der nationalen „Waldstrategie 2050“ des Bundesministeriums für Landwirtschaft vorgegeben. Auch hier wird an einer Neufassung gearbeitet – seit 2022.
Was tut die internationale Politik, um die Wälder zu erhalten?
Auf dem Weltklimagipfel der Vereinten Nationen in Glasgow 2021 wurde vereinbart, die Entwaldung in den Tropen bis 2030 zu stoppen. Fast 150 Staatsregierungen der insgesamt 193 UN-Mitglieder haben die Deklaration unterschrieben.
Neben der UN-Weltklimakonferenz, die sich zum Beispiel 2021 mit dem Thema Wald beschäftigt hat, gibt es auf Ebene der Vereinten Nationen verschiedene Foren und Beschlüsse zum Thema Wald weltweit. Jährlich tagt etwa das Waldforum der Vereinten Nationen. Es hat als Hauptaufgabe die Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung weltweit. So erarbeitete es etwa den "Strategischen Plan der Vereinten Nationen für Wälder", der 2017 von der UN-Vollversammlung verabschiedet wurde und bis 2030 gilt. Er umfasst unter anderem 6 globale Waldziele mit 26 Unterzielen, die auf freiwilliger Basis erreicht werden sollen.
Bis 2030 soll die globale Waldfläche um drei Prozent, also 120 Millionen Hektar, wachsen.
Auch die Europäische Union engagiert sich für den Schutz der Wälder. Die Forstpolitik liegt zwar in erster Linie in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Die EU hat jedoch unter anderem eine europäische Waldstrategie entwickelt. Die neueste, die bis 2030 geht, wurde im Jahr 2021 vorgestellt.
Nach dem Willen des Europäischen Parlaments (EP) sollen in der EU künftig unter anderem mehr Bäume gepflanzt werden. Das EP hat im Februar 2024 einen Verordnungsentwurf zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme angenommen. Damit die Verordnung in Kraft treten kann, muss noch der Rat der Europäischen Union zustimmen. Dann sollen bis ins Jahr 2030 mindestens drei Milliarden zusätzliche Bäume auf Unionsebene gepflanzt werden.
Der Verordnungsentwurf ist allerdings hoch umstritten. Er sieht vor, bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Flächen und Meeresgebiete in der EU eine Renaturierung zu veranlassen. Etwa die Europäische Volkspartei und der Deutsche Bauernverband fürchten den Verlust von Agrarflächen.
Umstritten ist die Praxis der EU auch beim Umgang mit Holz im Blick auf die Ausbauziele bei der Nutzung erneuerbarer Energien. Denn Holz gehört hier als Biomasse genauso dazu wie Solar- und Windenergie. Naturschützer kritisieren aber, die Förderung des Heizens mit Holzpellets, Hackschnitzel oder Scheitholz im Rahmen der EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien vergrößere den ökonomischen Druck auf den Wald, sprich: Es würden mehr Bäume gefällt und aus dem Wald geholt, als für diesen gut sei.
Doch bringen all diese Bemühungen wirklich etwas? Zumindest der aktuelle Monitoring-Bericht des World Resources Institute (WRI) zieht hierzu - trotz der teils positiven Entwicklungen in 2023 - ein pessimistisches Resümee: Bis 2030 werde sich die Entwaldung nicht stoppen lassen - zumindest nicht, wenn sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt.
abr
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