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Wärme aus dem Kanal

Umwelt. - Abwasser, wie es in der Industrie, aber auch im Haushalt beim Duschen und Waschen entsteht, ist häufig auch Abwärme und 12 bis 15 Grad warm. Die Wärme verpufft meistens ungenutzt oder heizt Flüsse auf. Auf einer Tagung in Aachen diskutieren Experten nun Projekte, bei denen Gebäude mit der Wärme aus nahe gelegenen Kanälen beheizt werden.

Von Hellmuth Nordwig |
    Um die Wärme aus dem Abwasser zu nutzen, ist ein Wärmetauscher nötig. Er entzieht der ungeklärten Brühe aus dem Kanal Wärmeenergie, sagt Dr. Oliver Christ von der Firma GFM Beratende Ingenieure in München:

    "Grundsätzlich gibt es zwei Systeme des Wärmeaustauschs aus Abwasser. Das Erste ist, dass wir Wärmetauscherplatten in den Kanal legen. Das bedingt, dass dieser Kanal begehbar sein muss. In mittelgroßen Städten hat man das häufig nicht. Da setzt man darauf, die Wärmetauscher außerhalb des Kanals anzuordnen: Man pumpt das Wasser in den Wärmetauscher und macht da den Wärmeübergang."

    Im Kanal ist das Abwasser allerdings gerade einmal zwölf Grad warm, und das reicht nicht zum Heizen. Deshalb kommt ein zweites Bauteil ins Spiel: eine Wärmepumpe. Sie funktioniert, vereinfacht gesagt, wie ein Kühlschrank; sie kühlt also die Umgebung etwas ab, um das Wasser aus dem Wärmetauscher aufzuheizen. So erreicht man 55 bis 65 Grad, also die übliche Vorlauftemperatur von Zentralheizungen. Trotz des Stromverbrauchs der Wärmepumpe kann sich dieses System lohnen, auch für die Umwelt.

    "Der Umweltnutzen ist enorm. Bei dem konventionellen Strommix, den wir in Deutschland haben, lassen sich dadurch rund zwei Drittel der CO2-Emissionen einsparen. Man muss klar sehen: Was ich beim Abwasser an Energie raushole, produziert kein CO2 mehr."

    Es müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Heizen mit Abwasser rentabel ist. Nicht mehr als 100 Meter sollte das Gebäude, das beheizt werden soll, vom Hauptkanal entfernt sein. Der sollte stets ausreichend Abwasser führen. Und der Nutzer muss genug Heizenergie verbrauchen - für den einzelnen Häuslebauer lohnt es sich nicht, die Wärme aus dem Kanal abzuzapfen, meint Oliver Christ.

    "Wir sehen immer mehr, dass Schulen von dieser Technik gut profitieren können: Erstens heizen die tagsüber, nachts weniger - und nachts produzieren wir auch weniger Abwasser. Rathäuser, Schwimmbäder - all diese Gebäude sind sehr gut geeignet."

    Oder größere Mietshäuser, zum Beispiel bei einem Pilotprojekt im niederbayerischen Straubing, das die Firma GFM plant. Dort ist der Wärmebedarf groß genug, der Kanal verläuft vor der Haustür und es steht ohnehin ein Umbau der Heizungsanlage an. Außerdem steht Strom aus Biogas zur Verfügung, um die Wärmepumpe zu betreiben. In der Straubinger Siedlung werden die Bewohner also heizen können, ohne auch nur ein Gramm vom Treibhausgas Kohlendioxid zu erzeugen.

    "In Straubing muss gar nicht so viel passieren: Wir müssen einen relativ kleinen Pumpenschacht niederlassen, durch den das Abwasser aus dem Kanal in den Wärmetauscher gepumpt wird. Der wird relativ nah am Kanal stehen, wir haben also eine kurze Förderstrecke. Nach diesem Wärmetauscher wird der Sekundärkreislauf in die Wärmepumpe gegeben, und der Vorlauf der Wärmepumpe geht direkt in diesen Wohnungskomplex. Alles andere ist vom Platzbedarf her etwa so wie in einer konventionellen Anlage."

    So gut sind die Voraussetzungen nicht immer. In Deutschland wird die Wärme aus dem Abwasser nur an wenigen Stellen gewonnen. Anders in der Schweiz: Dort sind bereits 200 Anlagen in Betrieb. Zum Teil wird dort die Wärme erst nach der Kläranlage genutzt - denn dort wird das Abwasser umso besser gereinigt, je wärmer es ist. Konsequent genutzt, könnte die Abwasserwärme drei Prozent der Energie aus fossilen Brennstoffen ersetzen, schätzen Schweizer Experten.