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Wärme, Wasser, organisches Material

Astrobiologie.- Leben im Weltall ist bisher nur auf unserer Erde bekannt. Doch Astronomen und Biologen beschäftigen sich schon lange mit möglichem Leben an anderen Stellen im Kosmos – seien es Mikroben auf dem Mars oder ferne Zivilisationen.

Von Dirk Lorenzen | 27.04.2010
    Da gibt es flüssiges Wasser, organisches Material, viel Hitze und diese wunderbaren Geysire. Nein, Carolyn Porco erzählt nicht vom Yellowstone National Park. Die Planetenwissenschaftlerin von der Universität von Colorado in Boulder spricht über den Saturnmond Enceladus. Seine Oberfläche ist ein dicker Eispanzer, der von großen Spalten durchzogen ist. Geysire schießen Hunderte Kilometer hoch ins All. Kürzlich hat die Raumsonde Cassini bei einem nahen Vorbeiflug Eispanzer und Geysire genauestens untersucht.

    "Auf der Oberfläche von Enceladus herrschen Temperaturen von unter minus 200 Grad Celsius. Aber in den Spalten im Eis ist es mit minus 70 Grad erstaunlich warm. Aus den wärmsten Gebieten schießen die Geysire aus Wasserdampf und kohlenstoffhaltigem Material heraus. Tief unter dem Eispanzer sind die Temperaturen sicher noch viel höher. Wir sind jetzt ziemlich sicher, dass es unter dem Eis einen Ozean aus flüssigem Wasser gibt, der die Geysire speist."

    Noch vor wenigen Jahren dachten die meisten Forscher, dort draußen nahe dem Rand des Sonnensystems sei alles steinhart gefroren. Jetzt aber elektrisiert der kleine eisige Mond Carolyn Porco, die für die Kamera an Bord von Cassini verantwortlich ist.

    Enceladus sei einer der interessantesten Orte im gesamten Sonnensystem, denn dort könnten chemische Reaktion ablaufen, die Vorstufen von Leben darstellen. Und ganz vielleicht habe das Leben dort bereits begonnen.

    "Ob es dort wirklich Leben gibt, werden wir erst wissen, wenn wir mit einer weiteren Sonde mit speziellen Messinstrumenten zu Enceladus zurückkehren. Unsere Raumsonde Cassini kann Leben bei den Vorbeiflügen nicht aufspüren. Aber von Mal zu Mal sind wir zuversichtlicher, dass auf dem Mond Enceladus lebensfreundliche Bedingungen herrschen."

    Damit ist dieser Mond nichts mehr allein für die Astronomen. Zum Cassini-Team gehören längst Biologen und Chemiker, die sich Gedanken machen, welche Reaktionen in dem Ozean unter dem Eispanzer ablaufen könnten. Leben, wie es von der Erde bekannt ist, braucht Wärme, Wasser und kohlenstoffhaltiges Material. So eine Ursuppe, oder besser Urkaltschale, schwappt offenbar auch unter dem Eispanzer von Enceladus – wobei noch nicht ganz klar ist, was das Wasser dort überhaupt flüssig hält.

    "Höchstwahrscheinlich kneten Saturn und ein anderer Mond Enceladus regelmäßig durch. Sie ziehen an ihm wie an einem Gummiband. Dabei entsteht Hitze. Die Wärme im Innern kommt sicher nicht aus radioaktiven Stoffen im Gestein – denn der Gesteinskern von Enceladus ist viel zu klein. Auch wenn wir noch nicht ganz verstehen, was die Wärmequelle ist: Wir sehen, dass die Risse im Eispanzer sehr heiß sind."

    Die Astrobiologen, die beharrlich nach Leben im All suchen, können ihr Glück kaum fassen: Denn wenn sich selbst ein vermeintlich steinhart gefrorener Körper wie Enceladus plötzlich als durchaus lebensfreundlich entpuppt, dann muss es im Kosmos mit Myriaden von Sternen, Planeten und Monden nur so wimmeln von durchaus gastlichen Orten.