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Waffen für den Irak
"Kurden sind verlässliche Partner"

Der Europaabgeordnete Michael Gahler (CDU) befürwortet Waffenlieferungen in den Irak. Die Kurden im Norden des Landes seien seit Jahren verlässliche Partner und weder religiöse noch politische Extremisten, sagte Gahler im Deutschlandfunk. Deutschland müsse aber in einer Linie mit seinen Partnern stehen.

Michael Gahler im Gespräch mit Thielko Grieß | 14.08.2014
    Michael Gahler.
    Michael Gahler: Der Europaabgeordnete ist Vizepräsident des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland. (dpa/EPA/T. Mughal)
    Michael Gahler (CDU), Mitglied des Europäischen Parlaments, betonte, Deutschland müsse schnell das liefern, was es liefern könne. Da eine zeitnahe Zustimmung des Bundestages zu Waffenlieferungen aufgrund der Ferienzeit nicht wahrscheinlich sei, solle Deutschland kurzfristig Ausrüstung wie Schutzwesten liefern. Andere Länder wie die USA, Frankreich oder Großbritannien könnten schneller mit Waffen vor Ort sein als Deutschland, so Gahler.
    Auf europäischer Ebene sei man sich einig, dass die Flüchtlinge im Irak unterstützt werden müssten. Diejenigen, von denen sie verteidigt würden, müssten Waffen erhalten, sagte Gahler im DLF-Interview.
    Die Kurden im Nordirak seien tolerant gegenüber Minderheiten und relativ gesehen "die verlässlichsten Partner" des Westens. Sie seien in keiner Weise extremistisch und "sie sind tolerant gegenüber Minderheiten". Deutschland solle als größtes Mitgliedsland der Europäischen Union bei diesem Thema weder vorneweg marschieren noch hintanstehen.

    Christine Heuer: Tim Aßmann über die kurdischen Peschmerga-Kämpfer. Sie fordern ja seit Tagen, die Internationale Gemeinschaft möge ihnen bitte moderne Waffen schicken, und zwar sehr schnell. Auch in Deutschland ist eine Debatte darüber entbrannt: Soll Deutschland also Waffen liefern? Verteidigungsministerin von der Leyen von der CDU ist erst mal noch vorsichtig, aus der eigenen Partei werden aber immer mehr Stimmen laut, die Waffen für die Kurden fordern. Mein Kollege Thielko Grieß hat dazu gestern Abend den CDU-Europaabgeordneten Michael Gahler befragt, er ist sicherheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion.
    Thielko Grieß: Sollte Deutschland Waffen liefern in den Irak?
    Michael Gahler: Deutschland sollte kurzfristig das liefern, was es liefern kann. Es geht ja in der aktuellen Lage darum, effektiv zu helfen, und da hilft der doppelt, der schnell hilft, und da ist mein Eindruck, dass derzeit andere Länder - die USA, vielleicht Frankreich, Großbritannien - in Sachen Waffenlieferungen schneller vor Ort sein können als Deutschland.
    Grieß: Also habe ich Sie - Entschuldigung -, habe ich Sie richtig verstanden, Herr Gahler: Die Schutzwesten lassen sich jetzt schneller zusammenpacken als ein Bündel Maschinengewehre von Heckler & Koch, und deswegen liefern wir, liefert Deutschland eher die Schutzwesten?
    Gahler: Deswegen, weil das ja dann die Zustimmung des Bundestages erfordern würde, wenn Waffen geliefert würden, und deswegen ist unterhalb dieser Schwelle während der Ferienzeit in Deutschland vielleicht die Schutzweste kurzfristig besser zu liefern. Aber mein Punkt ist erst mal die Schnelligkeit, in der geliefert werden muss. Ich will ganz deutlich sagen: Ich bin grundsätzlich dafür, dass wir auch in solchen Situationen Waffen liefern, und die Praktikabilität scheint mir im Augenblick im Vordergrund zu stehen.
    Grieß: Also das kann dann ja in den nächsten Wochen auch noch kommen, Ihrer Ansicht nach? Denn der Konflikt im Nordirak, der sieht ja nun nicht so aus, als sei der dann übermorgen gelöst.
    Gahler: Ja. Ich halte es für richtig, dass wir dann, wenn wir als Europäer und auch gemeinsam mit den Amerikanern der gleichen Auffassung sind und wenn wir zu der Auffassung kommen, dass es besser ist, andere mit Waffen zu versorgen, als selber mit Soldaten hinzugehen, dass wir das dann auch gemeinsam so halten sollten.
    "Wir sind uns einig, dass die Menschen unterstützt werden müssen"
    Grieß: Sehen Sie eine Einigkeit im europäischen Rahmen? Ich sehe sie bislang nicht. Es gibt Waffenlieferungen von Frankreich, Großbritannien debattiert, in den Niederlanden wird eine Debatte geführt, Tschechien, glaube ich, überlegt auch, aber Österreich zum Beispiel hat sich auf die Seite derjenigen geschlagen, die rein humanitär helfen wollen, und alle anderen habe ich jetzt nicht ganz genau im Kopf.
    Gahler: Ich glaube, wir sind uns in der Sache einig, dass das, was von IS dort veranstaltet wird, unakzeptabel ist. Wir sind uns einig, dass die Menschen unterstützt werden müssen, sowohl die Flüchtlinge als auch diejenigen, die sie verteidigen - das sind die Kurden im Nordirak. Und wir sind uns auch einig, dass diejenigen, die sie verteidigen, Waffen erhalten müssen. Und dass nicht jeder alles tun können muss, das ist auch klar. Aber politisch, glaube ich, sind wir in dieser Frage sehr einig.
    "Kurden sind in keiner Weise politisch und religiös extremistisch"
    Grieß: Ihre Parteichefin Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, ist ja bekannt dafür, dass sie viele Fragen, viele Debatten vom Ende her denkt. Herr Gahler, hat irgendjemand an das Ende gedacht, an die Frage, was denn eigentlich kommt, wenn zumindest der Vormarsch des IS gestoppt und die Jesiden aus dem Sindschar-Gebirge gerettet sein sollten? Was kommt denn dann und was geschieht dann mit den Waffen, die aus Europa und möglicherweise dann auch aus Deutschland in der Region sich befinden?
    Gahler: Also es gibt ja zwei Enden. Das eine Ende ist: Wenn wir nichts tun und IS weiter vormarschiert, dann werden wir noch größere Flüchtlingsströme kreieren. Und wenn die Kurden im Nordirak Waffen bekommen - die sind seit Jahren wirklich verlässliche Partner des Westens, die sind in keiner Weise politisch und religiös extremistisch und sie sind tolerant gegenüber Minderheiten. Wenn ich überhaupt in die Verlegenheit komme, dort irgendjemandem etwas in die Hand zu drücken in Form von Waffen, dann - ist meine Haltung -, dann sind die Kurden im Nordirak, relativ gesehen, die verlässlichsten Partner.
    Notwendigkeit, dass die Europäer gemeinsam agieren
    Grieß: Herr Gahler, letzte Frage. Bleiben wir noch einmal bei der Strategie. Mir ist noch nicht ganz klar geworden, was da jetzt gedacht wird, vielleicht auch bei Ihnen: Wo soll das hinführen? Wenn Deutschland sich beteiligt, auf welche Art auch immer, an diesem Konflikt, dann wird Deutschland auch in den nächsten Jahren eine Verantwortung übernehmen müssen für die Zustände im Irak, im Nordirak. Das könnte so ähnlich ablaufen wie in Afghanistan.
    Gahler: Meine Auffassung in dem Zusammenhang ist grundsätzlich, auch als sicherheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, dass wir diese Herausforderungen, dass wir das durch eine Stärkung der europäischen Institutionen und der europäischen, der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bewerkstelligen, indem wir dann eben nicht immer nur von ... Dass wir das nicht aus der nationalen deutschen Sicht sehen, sondern dass wir sagen: Wir haben hier europäische Institutionen und wir entscheiden gerade in dem Bereich auch immer einstimmig gemeinsam, und dann leisten wir unseren deutschen Anteil, dann ist das nicht Deutschland, sondern dann ist das die Europäische Union mit ihrem deutschen Anteil.
    Grieß: Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die steht seit Jahren und Jahrzehnten auf dem Wunschzettel - aber auf dem Wunschzettel.
    Gahler: Ja, aber die wird durch die Realitäten in der Welt wird sie jetzt konkret und sie wird durch die Notwendigkeit, eben zu gemeinsamen Aktionen zu kommen, weil es ja kein Staat alleine handeln kann, offensichtlich nicht, da wird die Notwendigkeit deutlicher, gemeinsam als Europäer - auch mit europäischen Institutionen - zu agieren, und dann leistet Deutschland seinen anteiligen Beitrag, so wie alle Partner. Und so will ich das eigentlich verstanden wissen, und nicht ein Deutschland, was als solches in der Welt Aufgaben in dieser Form wahrnimmt.
    Heuer: Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler im Gespräch mit meinem Kollegen Thielko Grieß.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.