Auch lange nach dem Ende der Jugoslawien-Kriege in den 1990er-Jahren ist Serbien nicht zur Normalität zurückgekehrt, findet Davor Lukac und schaut sich um in dem Cafe in Belgrads Innenstadt. Der Ex-Kriegsreporter erstellte für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa einen ausführlichen Bericht über Waffen in Serbiens Zivilgesellschaft, die latent gewaltbereit sei, findet er:
"Seit den Kriegen herrscht eine aggressive Atmosphäre. 20-Jährige sitzen in Cafés mit Waffen, illegalen Waffen natürlich. Das Sicherheitspersonal der Restaurants trifft mehr und mehr auf bewaffnete junge Männer, die Konflikte schnell mal mit Pistolen austragen."
Die meisten Tötungsdelikte in Serbien würden allerdings mit Messern, Äxten oder Hämmern verübt, sagt der serbische Experte.
Schusswaffen und Organisierte Kriminalität
Erst an vierter Stelle stünden die Schusswaffen, bei der Organisierten Kriminalität seien sie freilich ganz vorn. Gefragt, wie viele Waffen es in dem sieben-Millionen-Einwohner-Land Serbien gibt, muss selbst Davor Lukac passen, er zitiert die Angaben des Innenministers: Zwischen 200.000 und 900.000, keiner weiß es. Der größte Teil stammt aus jugoslawischen Beständen und Munitionslagern Albaniens. Die Waffen seien etwa für den Kosovo-Krieg auf Pferden über die Grenze gebracht worden. Dejan Lasovic kämpfte als Söldner für die serbische Seite und gab seine Waffe zurück, vermutlich als einer von wenigen:
"Nach dem Krieg waren sehr viele Waffen im Umlauf, aber Söldner wie ich waren verpflichtet, ihre Waffe abzugeben. Als ich vom Kosovo nach Serbien kam und über die Grenze wollte, nahm man sie mir ab. Alle meine Kameraden, die mit mir gekämpft haben, taten das auch."
Immer wieder rief die Regierung dazu auf, illegale Waffen abzugeben oder registrieren zu lassen. Die allermeisten Waffenbesitzer scheuen davor zurück. Weder wollen sie von den Behörden erfasst werden, noch die umgerechnet 30 Euro pro Jahr zahlen, die Steuer für eine Pistole oder ein Gewehr.
Bald psychologisches Gutachten nötig
Ab kommendem Frühjahr muss sich zudem jeder Waffenbesitzer von einem Psychologen die Zurechnungsfähigkeit bescheinigen lassen. Auch das dürfte ins Leere laufen.
"Die Polizei hat in den vergangenen 20 Jahren die Legalisierung der Waffen vollkommen falsch angefangen. Sie verbindet ihre Aufrufe immer mit Drohungen. Wer die Waffe nicht legalisiert, muss mit mehrjährigen Gefängnisstrafen rechnen. Besser wäre, auf die Gefahr hinzuweisen, wenn nicht registrierte Waffen in die falschen Hände geraten, zum Beispiel in die von Kindern."
Niemand kontrolliere die Einhaltung der Waffengesetze. Ein Problem vor allem bei Leuten, die als Extremisten bekannt seien.
Hooligans und Politik
Wie die Hooligans der beiden bis aufs Messer verfeindeten Fußballklubs in der serbischen Hauptstadt: Ein Heer von Gewaltbereiten, das regelmäßig aufeinander losgeht und zudem politisch instrumentalisiert werde.
"Das Problem sind nicht die normalen Bürger und ihre Waffen, sondern die Extremisten und ihre Waffen. Sie geben den Ton an bei Partisan Belgrad genauso wie bei Roter Stern Belgrad. Offiziell gehören die Vereine dem Staat. Aber in den Vereinsvorständen sitzen Ultras, Extremisten mit Waffen. Und die haben eine Armee von rund 20.000 Mann hinter sich, darunter Hooligans, die sie aufstacheln können: mit Liedern gegen die Regierung mit Bannern oder mit Demonstrationen. Sie sind jederzeit zu mobilisieren. Deswegen werden die führenden Köpfe bestochen oder man drückt alle Augen zu, lässt sie in bestimmten Restaurants oder Discotheken mit Drogen dealen."
Die Verbindungen reichten bis ins höchste politische Amt, sagt der Journalist Davor Lukac und zeigt ein Foto auf seinem Handy:
"Hier sieht man den Sohn von Präsident Vučić bei der Fußball-WM in Russland mit serbischen Ultras. Das ist ein Beweis für diese Verbindung von Politik und Hooligans."