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Schusswaffen in Deutschland
Wie ein schärferes Gesetz vor Missbrauch schützen soll

Die Attentate von Erfurt, Winnenden und Hanau sind drei eklatante Beispiele für Gewalttaten in den vergangenen Jahren. Zwei wurden von Männern verübt, die ganz legal Schusswaffen besaßen. Mehrmals ist das Waffengesetz bereits verschärft worden. Die Ampelregierung will einen weiteren Anlauf machen.

Von Benjamin Dierks |
Ein Mitglied eines Schützenvereins zielt mit einer Hera 15th AR-15 im Kaliber .223 auf einem 100 Meter Schießstand auf die Scheibe.
Das Bundesinnenministerium bestätigte dem Dlf auf Anfrage, dass ein Entwurf für die Gesetzesänderung zum Waffenrecht vorliege und nun mit anderen Ministerien abgestimmt werde. (picture alliance/dpa/Silas Stein)
Es ist nur wenige Wochen her, dass sich der erste Amoklauf an einer Schule in Deutschland zum 20. Mal jährte. Im April 2002 erschoss ein ehemaliger Schüler des Gutenberg-Gymnasiums in Erfurt 16 Menschen und schließlich sich selbst. Für die Pistole hatte der 19-Jährige, der Mitglied im Schützenverein war, eine Waffenbesitzkarte.
Sieben Jahre später erschoss ein 17-Jähriger 15 Menschen an einer Schule in Winnenden, richtete die Waffe dann gegen sich selbst. Die Waffe stammte aus dem Bestand seines Vaters. Der Vater, ein Sportschütze, hatte Pistole und Munition nicht so gelagert, wie es das Gesetz vorschreibt.
Ein drittes Attentat wurde 2020 verübt: der rechtsextreme Terrorakt von Hanau. Ein 43-jähriger Rassist mit Vernichtungsphantasien ermordet neun junge Menschen, dann erschießt er seine Mutter und schließlich sich selbst. Wieder ein Sportschütze mit einer Waffe, die legal erworben worden war.
Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagt: “Wir haben natürlich die Risiken, die sich mit dem privaten Waffenbesitz verbinden, die haben wir ja schon seit Jahren. Und deswegen haben wir uns auch als Ampelkoalition vorgenommen, das Waffenrecht entsprechend zu evaluieren und genau zu prüfen, wo zum Beispiel auch die Kontrollmöglichkeiten noch verbessert werden, was den privaten Waffenbesitz betrifft, um die Gefahren, die damit einhergehen, möglichst zu minimieren.”

Gesetz soll erneut verschärft werden

Mihalic ist Polizistin und studierte Kriminologin. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit den Gefahren, die von Schusswaffen ausgehen. Erfurt, Winnenden und Hanau sind drei der eklatantesten Beispiele für Gewalttaten in den vergangenen Jahren - verübt von Menschen, die legal Schusswaffen besaßen oder Zugang zu solchen hatten. Mehrmals zuvor war das Waffengesetz bereits verschärft worden, oft in Folge von Attentaten. Und auch jetzt, nach den Morden von Hanau, will die Bundesregierung einen neuen Anlauf nehmen und das bestehende Waffengesetz weiter verschärfen.
Das Bundesinnenministerium bestätigte auf Anfrage, dass mittlerweile ein Entwurf für die Gesetzesänderung vorliege und nun mit anderen Ministerien abgestimmt werde. Worauf diesmal besonders geachtet werden soll: Dass zum einen keiner an Waffen kommen kann, der politisch radikalisiert ist. Und/oder zum anderen psychisch so schwer krank ist, dass er für sich oder andere eine Gefahr darstellt.

Gefahr durch politisch radikalisierte und kranke Menschen

Ein besonders erschreckendes Beispiel: Der Täter von Hanau war nicht nur wegen seiner rechtsextremen Gesinnung bekannt. Einem Gutachten zufolge war er auch psychisch krank. Davon wussten einige Behörden jedoch nicht — oder aber sie reagierten nicht. Die Waffe blieb im Besitz des späteren Attentäters. Die erneute Verschärfung des Gesetzes soll verhindern, dass so etwas noch einmal passiert. Abgeordnete Irene Mihalic: „Wir versprechen uns davon natürlich, dass psychische Auffälligkeiten dadurch früher erkannt werden und die Waffenbehörden dann auf Grundlage dieser Erkenntnisse entsprechend tätig werden können.“
Anzahl der Rechtsextremisten und Reichsbürger mit einer waffenrechtlicher Erlaubnis von 2019 bis 2020
Anzahl der Rechtsextremisten und Reichsbürger mit einer waffenrechtlicher Erlaubnis von 2019 bis 2020 (Statista)
Rund eine Million Menschen in Deutschland besitzt eine Waffe, ganz legal. Die meisten von ihnen sind Sportschützen, Jäger oder Förster. Sie besitzen insgesamt mehr als fünf Millionen Schusswaffen. Die große Mehrzahl der Waffenhalter bereitet Politik und Behörden keine Kopfschmerzen. Aber die Sorge ist groß, dass noch immer Menschen an eine Waffe kommen, die entweder nicht zurechnungsfähig sind oder sie gezielt missbrauchen wollen.

BMI: 1.500 mutmaßliche Rechtsextreme unter Waffenbesitzern

Immerhin 1.500 mutmaßliche Rechtsextremisten zählt das Bundesinnenministerium unter den legalen Waffenbesitzern. Verfassungsschutzbehörden warnen schon länger, dass Neonazis gezielt in Schützenvereine eintreten. Viele von ihnen wählten diesen vergleichsweise einfachen Weg, um an Waffen zu kommen, bestätigt auch Dagmar Ellerbrock. Sie ist Historikerin und Expertin für Waffengeschichte an der Technischen Universität Dresden. „Wenn wir jetzt beobachten — und das sehen wir alle mit großer Sorge —, dass wir zunehmend eine sich verstetigende Organisation im rechtsradikalen Milieu haben und eine Organisation von rechtsradikalen, rassistischen Gruppierungen, die sich gezielt bewaffnen, dann ist es hohe Zeit, dass wir versuchen, diesen politischen Gruppen den Weg über die Schützenverbände zumindest zu erschweren.“
Unter anderem deshalb sollen Waffenbesitzkarten leichter entzogen oder verwehrt werden können. Eine solche Karte erhalten etwa Sportschützen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen wie regelmäßiges Training erfüllen. Damit nicht die Falschen an eine Waffe kommen, sollen sich Verfassungsschutz, Waffenbehörden und Polizei besser abstimmen. Um zu verhindern, dass psychisch Kranke Waffen haben, sollen die Waffenbehörden außerdem regelmäßig Anfragen an die Gesundheitsämter schicken.

Altersgrenzen für Großkaliberwaffen wurden angehoben

Der Direktor des Instituts für Rechtspsychologie der Universität Bremen, Dietmar Heubrock, befürwortet den Schritt. "Grundsätzlich halte ich das für sinnvoll, weil wir ja gesehen haben: Wenn wir in Deutschland Ereignisse mit Legalwaffenbesitzern haben, sind die entweder radikalisiert gewesen, da haben wir ja einige Beispiele, oder aber psychisch krank.“
Was aber auf dem Papier gut klingt, kann in der Umsetzung kompliziert werden. Heubrock beschäftigt sich mit der Prävention von Attentaten im öffentlichen Raum, ist waffenrechtlicher Gutachter und wurde unter anderem bei der letzten Novelle des Waffenrechts als Sachverständiger des Bundestags hinzugezogen. Er hat erlebt, wie aufwendig solch eine Gesetzesnovelle ist. Heubrock war bereits beteiligt, als das Waffenrecht nach dem Amoklauf von Erfurt im April 2002 geändert wurde. Die Altersgrenzen für den Kauf von Großkaliberwaffen wurden angehoben.

Blick in die USA

Außerdem gilt seitdem: Wer jünger als 25 Jahre alt ist, muss mit einem ärztlichen Zeugnis die „geistige Eignung“ nachweisen, um die Erlaubnis für eine Schusswaffe zu erhalten. „Die hat dann allerdings gezeigt, dass ein Gesetz zu machen, das eine ist, aber das dann auch vollziehen zu können oder so aufzubereiten, dass die Behörden auch was damit anfangen können und die Menschen geschützt werden, dass das eine ganz andere Geschichte ist. Das war der Grund, warum wir damals an der Uni Bremen eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, weil der Gesetzgeber hatte nichts, aber auch wirklich gar nichts vorbereitet. Wenn ein Gesetz geändert wird, das eigentlich ein gutes Ziel verfolgt, dann muss sich der Gesetzgeber auch die Zeit lassen, es so umzusetzen, dass die Menschen, die geschützt werden sollen, was davon haben. Der Vollzug muss dann auch vernünftig und praktikabel geregelt werden. Das war damals nicht der Fall. Meine Befürchtung ist eben, dass das jetzt auch vielleicht nicht so gut gelingt.“

Waffenbesitzer können ohne Verdacht kontrolliert werden

Eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes folgte auf den Amoklauf in Winnenden von 2009. Auch die Altersgrenze fürs Sportschießen mit Großkaliberwaffen wurde angehoben, von 14 auf 18 Jahre. Und: Waffenbesitzer können seitdem auch ohne Verdacht kontrolliert werden. Wer Waffen nicht regelkonform aufbewahrt, wie es der Vater des Attentäters tat, macht sich außerdem strafbar.
Nach den Anschlägen von Paris 2015 mit 130 Toten, als islamistische Terroristen unter anderem das Konzerthaus Bataclan überfielen, folgte eine weitere Verschärfung. Diesmal änderte die EU ihre Feuerwaffenrichtlinie. 2020 wurde die Richtlinie dann in deutsches Recht übernommen, es ist die bislang letzte Novelle. Die Waffenbehörden sind seitdem dazu verpflichtet, beim Verfassungsschutz abzufragen, ob ein Antragsteller dort als Extremist bekannt ist.
Solch eine Regelabfrage könne die Behörden jedoch schnell an die Grenzen bringen, meint Heubrock, der selbst Jäger ist und dadurch nicht nur als Fachmann, sondern auch als Betroffener erlebte, wie problematisch eine solch regelmäßige Überprüfung ist." Da gab es auch wieder ein Vollzugsdefizit, denn diese Anfragen bei den Verfassungsschutzbehörden der Länder sind händisch erfolgt. Das hat einen Riesenstau gegeben. Die Jagdscheine wurden dann nur mit einem Vorbehalt verlängert, aber sie waren damit verlängert. In der Zwischenzeit hätte also ein Reichsbürger, der noch in der Pipeline gewesen wäre zur Überprüfung, gut und gerne mit einem verlängerten Jagdschein und der entsprechenden Waffe ein Attentat machen können.“

Regelabfrage bei Gesundheitsämtern geplant

Auf ähnliche Probleme könnten die Behörden durch eine mögliche Regelabfrage bei den Gesundheitsämtern stoßen, die jetzt durch die jüngste Novellierung eingeführt werden soll. Eine Nachfrage bei einigen davon betroffenen Ämtern ergab: Auch dort werden in vielen Fällen die Daten noch händisch erfasst. Bereits während der Kontaktnachverfolgung in der Corona-Pandemie fiel auf, dass in den Ämtern mitunter noch per Fax und Brief kommuniziert wurde und nicht digital. Hinzu kommt: In den Gesundheitsämtern sind nur wenige Menschen registriert, die psychisch krank sind.
Rechtspsychologe Heubrock befürchtet deshalb, dass die geplante Gesetzesnovelle die Erwartungen nicht erfüllen kann. „Das Problem dabei ist, dass die im häuslichen Umfeld bekanntwerdenden psychischen Krisen im Gesundheitsamt gar nicht bekannt werden. Das Gesundheitsamt erfährt es, wenn beispielsweise eine Zwangseinweisung, wenn eine erhebliche Fremd- und Selbstgefährdung passiert. Wo dann auch ein Richter einen Beschluss machen muss, die Polizei vor Ort ist und die Person in einen Rettungswagen verfrachtet und die nächste Psychiatrie verbracht wird. Das sind Ereignisse, die sind bei den Gesundheitsämtern gemeldet. Aber wenn ein schon lange latent psychisch Kranker, bei dem sich jetzt die Ehefrau nach langem Hin und Her trennt, sagt, wenn du mich verlässt, dann knall ich dir eine Kugel in den Kopf, das erfährt doch das Gesundheitsamt gar nicht. Also das, was geplant ist, nämlich eine Regelabfrage bei den örtlichen Gesundheitsämtern, fischt höchstens ein paar Prozent ab, vielleicht 2,3 Prozent. Aber die Masse der potentiell Auffälligen, die wird ja überhaupt nicht abgegriffen.“

Kritik an Umsetzung vergangener Gesetzesänderungen

Auch innerhalb der regierenden Ampelkoalition gibt es unter anderem deshalb Vorbehalte, vor allem bei der FDP. Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, verweist auf den Koalitionsvertrag. Darin sei beschlossen worden, die bisherigen Waffenrechtsänderungen zunächst auszuwerten, bevor das Gesetz erneut verschärft wird. „Und wenn man sich anschaut, wie viel Bürokratie, wie viele offene Rechtsfragen es schon nach der Umsetzung der erneuerten EU-Feuerwaffenrichtlinie in der letzten Legislaturperiode gegeben hat, dann habe ich manchmal das Gefühl, dass die Rechtsänderung durch den Gesetzgeber hier in Berlin und die Anwendung in den vielen hundert Waffenbehörden, die wir ja haben, es ist eine hohe Zahl, die in den Landkreisen in Deutschland hierfür Verantwortung tragen, dass das doch sehr weit auseinanderklafft.
Konstantin Kuhle bei der Pressekonferenz im Haus der Bundespresse
Bisherige Waffenrechtsänderungen auswerten, bevor das Gesetz erneut verschärft wird: FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle (imago images/Future Image)
Kuhle weiter: "Wir schauen uns das an in einer ganz konstruktiven und einer ganz dem Thema angemessenen Haltung. Und dann muss man aber genau herausarbeiten, ob es da Änderungsbedarf gibt oder ob der Gesetzgeber, wie in der Vergangenheit leider sehr häufig, einfach das Recht ändert, aber bei der Umsetzung und bei der Ausstattung der Waffenbehörden dann nicht nachlegt. Und das darf eben nicht passieren.“
Bereits im vergangenen Jahr hatte die vorige Bundesregierung aus Union und SPD einen Anlauf gemacht, das Waffengesetz zu verschärfen. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte ähnlichen Schritte geplant wie seine Amtsnachfolgerin Nancy Faeser von der SPD. Faeser kündigte an, dass sie daran anknüpfen wolle. FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle warnt, dass seine Partei bei einer reinen Neuauflage des Seehofer-Gesetzes nicht mitziehen werde: „Die Innenministerin kann nicht in einer Koalition mit der FDP einen Gesetzentwurf, der mit der CDU nicht umsetzbar war, einfach wieder aufwärmen. Der ist mit uns erst recht nicht umsetzbar.“

Teile von CDU/CSU lehnte Seehofers geplante Änderung ab

Die FDP hatte das Gesetzesvorhaben in der vergangenen Legislaturperiode abgelehnt. Seehofers Vorstoß war aber vor allem an der eigenen Fraktion gescheitert. Abgeordnete von CDU und CSU stellten sich gegen die Pläne des damaligen Innenministers, nachdem es lautstarken Protest unter anderem von Schützenverbänden gegeben hatte. Jörg Brokamp vertritt einen von ihnen. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Schützenbunds, des größten Dachverbandes für Sportschützen in Deutschland mit mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern: „Der Entwurf, der damals auf dem Tisch war in der Form, war für uns so nicht tragbar, weil letztendlich es hier auch in die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen gegangen wäre, noch nicht einmal nur der legalen Waffenbesitzer. Sondern auch eines potenziell Interessierten, der letztendlich unter einen Generalverdacht gestellt worden wäre und ihm quasi staatlicher Seite unterstellt würde, dass er irgendetwas Böses vorhat oder eben halt nicht ganz richtig im Kopf vielleicht ist oder irgendeine psychische Erkrankung hat.“
Innenminister Horst Seehofer (CSU), beantwortet nach dem Innenausschuss zu Afghanistan vor der Bundespressekonferenz Fragen von Journalisten.
Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte ähnliche Schritte geplant wie sie jetzt seine Nachfolgerin Nancy Faeser von der SPD vorhat (picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm)
Der Verband teile das Ziel, dass Extremisten und Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung nicht in den Besitz von Waffen kommen dürfen, so Brokamp. Aber die Gesetzespläne von Innenministerin Faeser sehe er skeptisch. „Unsererseits kann es nicht sein, dass man in diesem höchstpersönlichen Bereich der Bürgerinnen und Bürger vielleicht unter Missachtung datenschutzrechtlicher Dinge Regelungen einführt, die dann nicht tragbar werden.“

Rückendeckung für Schützenbund bei der FDP

Rückendeckung findet der Deutsche Schützenbund bei Faesers Koalitionspartner, bei der FDP. Auch der Abgeordnete Kuhle äußert die Befürchtung, dass legale Waffenhalter oder Interessenten durch die Überprüfung ihrer Gesundheitsdaten stigmatisiert werden könnten. „Wir haben sehr viele Menschen, die sich gut mit Waffen auskennen. Wir haben aber auch viele Menschen, die im Schützenverein, als Jäger, als Sammler, als Händler wirklich eine besondere Verantwortung übernehmen. Und ausgerechnet dieser im Vergleich zu den illegalen Waffen wirklich sehr kleinen Gruppe immer wieder das Leben schwer zu machen - da haben wir als FDP doch ein grundsätzliches Problem mit.“
Die Historikerin Dagmar Ellerbrock von der TU Dresden bezweifelt dagegen, dass Waffenbesitzern das Leben unnötig schwergemacht werde. Ihrer Ansicht nach hat sich die Debatte in Deutschland fälschlich verlagert. Legal eine Waffe zu besitzen, werde zunehmend als ein Recht dargestellt – als ein Recht, dass durch Gesetze eingeschränkt werde. Das sei es aber nicht. "Das ist ein Privileg, ein Privileg, das einer herausgehobenen Gruppe zugestanden wird. Und das ist der Punkt, an dem unsere aktuelle deutsche Debatte momentan falsch läuft, dass wir dieser falschen Argumentationslinie folgen, dass wir Waffeninhaber einschränken wollen. Die richtige Diskussion ist aber, dass wir einer herausgehobenen Gruppe, herausgehobenen Menschen Privilegien erteilen, und es ist in unserer Gesellschaft natürlich an allen möglichen Orten völlig gang und gäbe, dass, in dem Moment, wo man ein Privileg hat, ein besonderes Recht hat, man sich auch für dieses Recht qualifizieren muss.“

Defizite beim Gesetz, bei der Umsetzung oder beidem?

Was bleibt, ist die Frage, warum es Sicherheitslücken gibt – warum es in der Vergangenheit immer wieder tödliche Attentate geben konnte. Ist es das Gesetz, das Defizite aufweist, oder ist es dessen Umsetzung? Oder womöglich beides? Auch die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic warnt davor, das Gesetz noch komplexer und komplizierter zu machen, als es das ohnehin schon ist - bevor sein Nutzen wirklich geklärt ist. „Wenn sie sich die Kriminalstatistik anschauen, dann werden Delikte, die mit Waffen begangen werden, immer noch nicht zielgenau erfasst. Wir können nicht unterscheiden, ob zum Beispiel eine bestimmte Straftat mit einer legalen Waffe oder mit einer illegalen Waffe begangen wurden.“
Anzahl der erfassten Schusswaffen und Schusswaffenteile in Privatbesitz in Deutschland von 2016 bis 2020
Anzahl der erfassten Schusswaffen und Schusswaffenteile in Privatbesitz in Deutschland von 2016 bis 2020 (Statista)
Der Waffensachverständige und Journalist Lars Winkelsdorf spricht von Defiziten in der Praxis. Er glaubt, dass die Sicherheitslücken eher durch eine bessere Umsetzung des Gesetzes geschlossen werden können als durch eine weitere Änderung. Und er plädiert dafür, dass nicht nur die Waffenbehörden Regelabfragen etwa an den Verfassungsschutz senden, sondern dass auch andere Stellen auf die Waffenbehörden zugehen und diese gezielt warnen. "Dieses Waffenrecht darf nicht als Einbahnstraße über den Gesetzesvollzug durch Behörden reguliert werden, sondern es muss eben gleichzeitig auch eine Informationspflicht für Staatsschutz und Verfassungsschutz implementiert werden, ihre Erkenntnisse an die zuständigen Waffenbehörden zu geben, damit gehandelt werden kann.“

Grüne fordern bessere Ausstattung der Ämter

Eine ähnliche Idee hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler. Bevor der Kriminalhauptkommissar 2021 in den Bundestag einzog, war er Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter und gab den Abgeordneten als Experte Auskunft. Auch er glaubt, dass die Waffenbehörden gezielt auf potenzielle Gefährder hingewiesen werden sollten. „Wenn also beispielsweise jemand in einem Ministerium sitzt, und er kriegt dort merkwürdige Beschwerdeschreiben, und da rede ich davon, dass so Leute evident psychisch auffällig sind, dann ist die Idee, einen Informationskanal zunächst einmal in Form einer Einbahnstraße ans nationale Waffenregister, das liegt beim Bundesverwaltungsamt, abzusetzen, um dort eine Überprüfung zu ermöglichen, ob der- oder diejenige eine Waffe hat.“
Aber auch die besten Ideen zünden nicht, wenn das Personal fehlt, um sie umzusetzen. Viele Waffenbehörden seien zu schlecht besetzt, um genauere Kontrollen zu ermöglichen, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich, Obmann der Grünen im Innenausschuss. „Da haben wir die Situation, dass häufig eine Person für den ganzen Landkreis zuständig ist und damit gar nicht die Kontrollen alle abarbeiten kann, so wie das eigentlich nötig wäre, um hier sicher unterwegs sein zu können.“
Die Länder müssten die Ämter besser ausstatten, fordert Emmerich, womöglich müsse auch der Bund mitfinanzieren. Immer deutlicher zeichnet sich ab: Wenn Waffen, die in legalem Besitz sind, nicht gegen Menschen gerichtet werden sollen, dann kann eine Gesetzesnovelle nur der Anfang sein. 
(Anmerk.d.Red.: *In einer ersten Version des Vorspanns zu diesem Beitrag war davon die Rede, dass alle drei Männer legal Schusswaffen besessen hätten. Im Fall des Attentäters von Winnenden ist es - wie im Beitrag korrekt dargestellt - nicht der Fall.)