Am 26. Februar dieses Jahres besetzten Separatisten gemeinsam mit sogenannten russischen Touristen Verwaltungsgebäude in Charkiw. Jubel, als die russische Flagge aufgezogen wurde, wenig später waren in der Ostukraine über ein Dutzend Städte besetzt, im März okkupierte die russische Armee die Krim.
Loyale Ukrainer schauten den Bewaffneten wehrlos zu. Georgie Utschaikin von der Assoziation der ukrainischen Waffenbesitzer empfand die Hilflosigkeit erniedrigend, möchte sie wieder erleben und forderte mit zusammen mit Gleichgesinnten ein Waffengesetz. Seit sieben Monaten drängen sie die Werchowna Rada, vergeblich. Die Abgeordneten stellen sich taub.
"Inzwischen haben wir Tausende getötete ukrainische Bürger und einen Teil unseres Territoriums verloren. Wir haben eine Armee in katastrophalem Zustand, eine Miliz, die mit ihrer Untätigkeit die Bewaffnung der Separatisten mit ermöglicht hat. Es handelt sich nicht nur um Pistolen, Kalaschnikows oder Gewehre, sondern um Granatwerfer, die bereits zum Einsatz kamen: in Lemberg, Berdjansk oder Charkow. Die Situation ist katastrophal."
Kampf den illegalen Waffen
Die Assoziation der ukrainischen Waffenbesitzer will mit dem Gesetz zuallererst gegen illegale Waffen vorgehen, ein Waffenregister anlegen. Jeder, der eine Waffenlizenz haben möchte, muss einen Kurs wie bei der Fahrschule belegen.
"Bis 2012 waren zwischen zwei und sechs Millionen illegale Waffen im Umlauf", schätzt Oleksander Olschanksi. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele es jetzt sind. Und was macht unsere Werchowna Rada: Sie bittet, die Waffen abzugeben. Wer wird das in einer solchen Situation tun?
Der Staat macht die Bürger zu schutzlosen Opfern, die in Donzek und Lugansk zum Beispiel zusehen mussten, wie ihnen die Terroristen ihr Eigentum rauben. Ich rede noch gar nicht vom Eingreifen der russischen Armee."
Forderung nach klaren Regelungen
Niemand solle eine Kalaschnikow im Supermarkt kaufen können, die Gesetzesinitiatoren wollen festlegen, wann jemand legal eine Waffe besitzen kann, vor allem möchten sie das Recht der Bürger auf Selbstverteidigung in der Verfassung verankern. Doch bei den Abgeordneten laufen sie mit ihrem Gesetzesentwurf gegen eine Wand.
"In das Gesetz sind die Erfahrungen aus den Protesten auf dem Maidan eingegangen, von der Krim-Okkupation, der Besetzung des Donbass durch die Separatisten und schließlich der Krieg dort, kurzum, alle Bedrohungen, die die Gesellschaft bereits erlebt hat.
Ein Gesetz muss Klarheit schaffen, wer Waffen haben darf und wer nicht. Es muss für alle gelten. Wer jetzt zum Beispiel die Ostukraine verteidigen will, darf das derzeit nur ohne Waffen tun."
Laut jetziger Rechtsprechung, machen sich die bewaffneten Kämpfer in den Freiwilligenbataillonen strafbar, empört sich Wladislaw Sbaranski, Mitautor des Gesetzentwurfes.
"Selbst wenn der Kriegszustand ausgerufen werden würde, sind Personen, die bewaffnet die Heimat schützen, laut jetziger Gesetzeslage Kriminelle."
Geöffnete Türen für die Korruption
Wladislaw Sbaranski, Mitautor des Gesetzes, hält die Vergabe der Waffenlizenzen für eine Geldquelle, die korrupte Beamte im Innenministerium mit Zähnen und Klauen verteidigen.
"Das Innenministerium hält das Monopol bei der Vergabe von Waffenlizenzen. Nur fehlt dafür jede gesetzliche Grundlage. Das soll nach Meinung des Ministeriums offenbar so bleiben, denn wenn es keine Grundlage gibt, kann man sich auf nichts berufen, nichts fordern, geschweige denn vor Gericht. Weil allein ein Zuständiger entscheidet, wer eine Lizenz erhält und wer nicht, ist der Korruption Tür und Tor geöffnet."
Der Kiewer Journalist Jewgeni Lauer pflichtet bei:
"Es geht um Millionen, wenn nicht Milliarden Griwna, mit denen sich einzelne Beamte bei der Polizei bestechen lassen, bevor sie Lizenzen vergeben."
Die Verfechter eines Waffengesetzes drücken auf Tempo, denn von den Separatisten in der Ostukraine drohe in den kommenden Wintermonaten eine große Gefahr aus.
"Die Kälte naht und die Terroristen werden sich von ihren Territorien zurückziehen, denn dort gibt es nichts mehr zu rauben. Sie werden dorthin kommen, wo es warm und noch was zu holen ist. Und sie werden mit Waffen kommen."
Das Vertrauen des Staates in die Bürger
Im Land herrscht Krieg und die Ukraine hat kein Waffengesetz - ein unhaltbarer Zustand und dringend Chefsache, die das Parlament als erste Amtshandlung angehen müsse.
Präsident Poroschenko, dem die Menschen beispiellos viel Vertrauen entgegenbringen, müsse helfen, dass die Bürger ihr Recht aus Selbstverteidigung zurückbekämen, sagt Wladimir Sbaranski von der Assoziation der Waffenbesitzer.
"Ob es dem Volk erlaubt wird, Waffen zu haben, sagt viel aus über das Vertrauen des Staates in seine Bürger. Das ist ein Indikator. Wenn der Staat den Bürgern nicht vertraut, bekommen nur Auserwählte Waffen, die Polizei oder auch jemand, der bevorzugt oder ausgezeichnet wird."
Staatsanwälte, Richter und Abgeordnete besäßen längst welche, nicht selten illegal.