"Anybody in the business of selling firearms must get a license and conduct background checks or be subject to criminal prosecution. We are also expanding background checks to cover violent criminals who try to buy some of the most dangerous firearms by hiding behind trusts and corporations and various cutouts."
Waffenhändler sollen stärker überprüft, Waffenkäufe über Strohmänner und Tarnfirmen unterbunden werden. Diese Maßnahmen stellte Barack Obama im Januar vor, um die Waffengesetze seines Landes zu verschärfen. Die Forderung kommt nach jedem Amoklauf an einer US-Schule auf. Doch ebenso schnell regt sich Protest: Große Teile der Bevölkerung pochen auf ihr Grundrecht auf Waffenbesitz, angeführt von den Republikanern und der mächtigen Waffenlobby National Rifle Association. Für viele US-Amerikaner sind Waffen ein integraler Bestandteil ihrer Kultur. "Waffen waren und sind in den USA verbreitet. Zum einen als Jagdwaffen, zum anderen im Kontext der Eroberung des Westens, also geknüpft an diese Frontier-Erfahrung."
Dagmar Ellerbrock ist Professorin an der Technischen Universität Dresden. Als Historikerin erforscht sie, wie sich die Waffenkulturen unterschiedlicher Länder entwickelt haben und was sie charakterisiert. Schätzungen zufolge gibt es in den USA heute 300 Millionen Schusswaffen in Privatbesitz – umgerechnet etwa eine pro Einwohner. Die kontroverse politische Diskussion darüber begann dort erst im 20. Jahrhundert. Noch im 19. Jahrhundert habe sich niemand an den privaten Waffen gestört. Damals war die Haltung in Deutschland ganz ähnlich: In der Schule oder in der Bahn – das Tragen eines Revolvers gehörte zum Alltag. "Das heißt: Wir sind die Gesellschaft, die an dem Punkt umgesteuert hat, wie inzwischen auch viele andere, vor allem europäische Gesellschaften umsteuern. Die USA haben diesen Umsteuerungsprozess noch nicht vollzogen. Ob sie ihn jemals werden vollziehen können, ist eine offene politische und historische Frage."
Gesellschaftliche Haltung ist ständig im Wandel
Die Umsteuerung in Deutschland hatte mehrere Gründe. Zum einen führte technologischer Fortschritt zu immer schlagkräftigeren Waffen. Die Zahl der Opfer in der Zivilgesellschaft stieg an. In der Folge provozierten Bürgervereine und Medien eine politische Debatte über die private Waffenkultur. "Und dann haben wir in Deutschland die sehr spezifische Situation, dass wir zwei verlorene Weltkriege haben und nach jedem Krieg eine weitere Umsteuerung in Richtung Waffenregulierung stattfand." Die Folgen dieser Entwicklung prägen das Bild in Deutschland bis heute. "Wir haben im Bereich Schützenwesen doch eine präsente Form von Feuerwaffengebrauch. Aber wir haben in unserem alltäglichen Umfeld kaum private Schusswaffen, die irgendwie relevant sind."
Im Vergleich zu Deutschland besitzen etwa im jagdbegeisterten Finnland viel mehr Privatpersonen Schusswaffen. Ähnliches gilt für die Schweiz. Dort existiert seit Langem ein Volksheer. Das wird im Notfall aus Wehrpflichtigen aufgestellt, die ihr Sturmgewehr zu Hause aufbewahren.
Die gesellschaftliche Haltung gegenüber Waffen ist einem ständigen Wandel unterworfen – auch heute. Einerseits langsam durch strukturelle Veränderungen. Andererseits können dabei krasse Einzelereignisse eine Rolle spielen. So stieg etwa nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof die Nachfrage nach Pfefferspray und Schreckschusswaffen in der Region. "Insofern ist die Kölner Situation interessant, als dass die Kölner Situation einen Kontext aufruft, der immer im Zusammenhang mit privatem Waffenbesitz diskutiert wird, und das ist das Recht auf Selbstverteidigung. Und es gibt offensichtlich die Bewegung, dieses Recht in die eigenen Hände zu nehmen und mit dem Pfefferspray selber zu verteidigen."
Ereignisse können die Akzeptanz gegenüber Waffen erhöhen
Die gesellschaftliche Waffenkultur und die individuelle Haltung gegenüber Waffen bedingen sich gegenseitig. Dabei sind Ellerbrock zufolge unterschiedliche Einflüsse prägend. "Das sind zum einen Erfahrungen, die man persönlich in seinem Leben macht. Zum anderen sind das Werthaltungen, die in der Gesellschaft kommuniziert werden und an bestimmte Kontexte oder Artefakte – in dem Fall Waffen – geknüpft sind. Und drittens ist das im Fall der Waffe die technische Eigenschaft. Sie können, konkret gesprochen, mit einer Schusswaffe andere Dinge tun als mit dem Messer. Sie können auf Distanzen Effekte erzielen, und das löst bestimmte Gefühle von Freude, von Wirksamkeit aus, die sie beim Messer so nicht produzieren können."
Der Psychologe Jérôme Endrass unterscheidet dabei zwischen Waffentoleranz und einer inneren Waffenaffinität des einzelnen Menschen. "Eine Schusswaffenaffinität bedeutet, dass man sehr Spaß hat an der Waffe. Dass die Waffe auch eine hohe Bedeutung hat. Dass man gerne schießt. Sich dann entsprechend auch in Chatrooms austauscht. Also das kann dann relativ weit gehen."
Endrass ist Professor in der Arbeitsgruppe für Forensische Psychologie an der Universität Konstanz. Er forscht unter anderem zur Psyche von Gewalttätern und den Ursachen von Amokläufen. "Wenn man in einer Kultur lebt oder groß wird, wo insgesamt die Toleranz gegenüber Schusswaffen groß ist, dann ist es sehr leicht, die Waffenaffinität zu leben. Dann ist es auch sehr leicht, sie legal zu leben. Und man kann dann auch davon ausgehen, dass dann auch mehr Menschen gewissermaßen auf den Geschmack kommen und Spaß daran haben und auch eine Waffenaffinität verstärken." Die gestiegene Nachfrage nach Pfefferspray nach der Silvesternacht in Köln hat für ihn nichts mit Waffenaffinität zu tun. Die Ereignisse hätten bei einigen Menschen vielmehr die Akzeptanz gegenüber Waffen erhöht.
In der Schweiz ist die Mordrate niedriger als in Deutschland
Ob private Waffen das Leben sicherer machen oder nicht – darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Jérôme Endrass: "Gerade in den USA wird die Schweiz sehr häufig als Beispiel dafür benutzt, um zu zeigen, dass es auch Länder gibt mit einer sehr hohen Schusswaffendichte und einer geringen Mordrate. In der Schweiz, da gab's bisher noch keine School Shootings. Auch da in der Schweiz ist insgesamt die Mordrate etwas tiefer als in Deutschland. Was man dann aber sieht hingegen: Wenn es in der Schweiz zu einem Tötungsdelikt kommt, dann spielen Schusswaffen schon eine Rolle."
In den USA sterben jährlich mehr als 30.000 Menschen durch Schusswaffen – fast so viele wie bei Verkehrsunfällen. Für die Historikerin Dagmar Ellerbrock ist das Fazit klar. "Wir wissen, dass je mehr private Waffen in einer Gesellschaft zirkulieren, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man eben durch diese privaten Waffen, die der Nachbar oder der Mitbürger besitzt, verletzt wird. Und noch mal mit Bezug auf die Kölner Ereignisse: Wenn Sie das Pfefferspray aus der Tasche holen, ist natürlich mitnichten sichergestellt, dass sie es gegen jemand anders anwenden können und nicht der andere es ganz schnell in der Hand hat und gegen Sie anwendet."