Grosse-Brömer betonte, der Bundestag sei bisher "sehr umfassend und zeitnah" eingebunden worden. Es habe in den Ausschüssen Informationen an die Obleute gegeben und die Minister hätten Anregungen der Abgeordneten angenommen. "Aber wir wollen natürlich angesichts der Bedeutung des Themas auch eine Debatte darüber führen, die Öffentlichkeit informieren und auch mögliche unterschiedliche Sichtweisen im Parlament öffentlich machen."
Die Union finde es richtig, "dass Deutschland ein verlässlicher Partner in der Welt bleibt und nicht zusieht, wenn Menschen abgeschlachtet werden". Deswegen sei die Vorgehensweise der Regierung nachvollziehbar. Das sehe die Opposition in weiten Teilen anders und das müsse parlamentarisch ausdiskutiert werden. Aus seiner Sicht ist für die Debatte keine Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nötig.
Das Interview in voller Länge:
Friedbert Meurer: Erst hieß es also, eine Sondersitzung des Bundestages ist nicht nötig, die Abgeordneten sind ja noch in der Sommerpause. Dann kam gestern Nachmittag aus der Unionsfraktion die schriftliche Erklärung, Zitat: "Die Unionsfraktion hält eine Befassung des Bundestages mit diesem Thema im Anschluss an die Entscheidung der Bundesregierung für richtig, das kann auch im Rahmen einer Sondersitzung des Bundestages geschehen." Diese Erklärung stammte vom Parlamentarischen Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer, den ich jetzt am Telefon begrüße in Berlin. Guten Morgen, Herr Grosse-Brömer!
Michael Grosse-Brömer: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Wird es denn jetzt diese Sondersitzung geben?
Grosse-Brömer: Das werden wir sehen, zurzeit warten wir auf die Entscheidung der Bundesregierung. Die prüft ja sehr intensiv, welches Material, auch welche möglicherweise Waffen zur Verfügung gestellt werden können. Und wenn wir diese Entscheidung dann vorliegen haben, werden wir parlamentarisch sehr schnell zu einer Lösung kommen, wann wir die Debatte dazu aufnehmen.
Meurer: Warum wollen Sie auf die Entscheidung warten und nicht vorher zusammenkommen und beraten?
Grosse-Brömer: Zunächst können wir ja feststellen, dass der Bundestag bisher sehr umfassend und auch zeitnah immer eingebunden worden ist, das zeigen nicht zuletzt die Sondersitzungen des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses.
Da hat es umfangreiche Informationen auch an die Obleute gegeben, da sind Anregungen auch aus dem Parlament aufgenommen worden von der Verteidigungsministerin, von dem Außenminister. Und infolgedessen haben wir uns noch gar nicht zu beschweren, dass wir nicht vernünftig informiert worden sind.
Da hat es umfangreiche Informationen auch an die Obleute gegeben, da sind Anregungen auch aus dem Parlament aufgenommen worden von der Verteidigungsministerin, von dem Außenminister. Und infolgedessen haben wir uns noch gar nicht zu beschweren, dass wir nicht vernünftig informiert worden sind.
Das, was zurzeit in der Debatte ist, ist ja: In welchem Umfang muss der Bundestag auch über dieses Thema diskutieren, wie können wir unterschiedliche Auffassungen dazu möglicherweise auch darlegen und wie sinnvoll ist die Information auch der Öffentlichkeit über den doch schwierigen Abwägungsprozess, den die Bundesregierung da durchführt?
Meurer: Im ersten Moment hatten Sie ja gesagt, Ausschüsse, das reicht, haben Sie gerade noch mal dargelegt. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, dass Sie jetzt doch für eine Sondersitzung zumindest bereit sind?
Grosse-Brömer: Wir haben zunächst einmal festzustellen, dass ja eine andere politische Schwerpunktsetzung durch die Bundesregierung erfolgt ist. Dadurch, dass wir feststellen, da vor Ort im Nordirak findet mörderisches Geschehen statt, da werden Menschen abgeschlachtet, und deshalb will Deutschland da nicht beiseitestehen und sich raushalten, sondern möglicherweise auch militärisches Material liefern.
Meurer: Das stand schon vor einer Woche.
Grosse-Brömer: Nun, wir haben überlegt, in welchem Rahmen Hilfsgüter und Schutzwesten und so weiter zur Verfügung gestellt werden. Und all das ist ja auch sinnvollerweise mit den Parlamentariern, den Fachpolitikern in den Ausschüssen diskutiert worden. Und jetzt hören wir, dass wir da eine Änderung in der Vorgehensweise haben, und da macht es Sinn, das auch im Parlament zu debattieren.
"Wir müssen da auch keine Abstimmung durchführen"
Meurer: Warum soll es nur eine Debatte geben und keine Abstimmung über ein Mandat?
Grosse-Brömer: Das ist recht einfach zu erklären, wir haben klare rechtliche Vorgaben, wann der Bundestag zu beteiligen ist, nicht nur in Sachen der Europäischen Union, sondern hier auch ganz konkret, wenn es um Entsendung von bewaffneten Soldaten geht, haben wir das Parlamentsbeteiligungsgesetz, das sieht dann eine entsprechende Mandatierung vor.
Aber es sieht natürlich keine Mandatierung von Rüstungsexporten vor. Und weil da die rechtliche Notwendigkeit nicht besteht, sagen wir, wir müssen da auch keine Abstimmung durchführen. Aber wir wollen natürlich angesichts der Bedeutung des Themas auch eine Debatte darüber führen, die Öffentlichkeit informieren und auch mögliche unterschiedliche Sichtweisen im Parlament öffentlich machen.
"Diese Verantwortung der Bundesregierung können wir nicht ersetzen"
Meurer: Kann man nicht sagen, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg? Dann ist es eben kein Mandat, sondern eine Abstimmung über einen Antrag?
Grosse-Brömer: Das kann man machen. Aber in erster Linie ist ja auch mal darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung exekutiv eine gewisse Verantwortung hat und die dann auch wahrnehmen muss. Wir sehen ja auch, wie sinnvoll ist, wenn man einen Außenminister hat, der sich sehr engagiert, und eine Verteidigungsministerin, die das genauso tut. Und das ist auch deren Aufgabe. Und wir als Parlament kontrollieren die Regierung. Da macht es auch Sinn, Änderungen in der politischen Vorgehensweise, möglicherweise auch Änderungen in der politischen Bewertung auch parlamentarisch zu debattieren und zu kommentieren, und das haben wir auch vor.
Meurer: Aber ist das nicht zu wenig?
Grosse-Brömer: Aber die Verantwortung der Bundesregierung können wir nicht ersetzen.
Meurer: Ist das, Herr Große-Brömer, nicht zu wenig, nur zu kommentieren? Das ist eine einschneidende Veränderung der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik, jetzt Waffen in ein solches Spannungsgebiet zu liefern!
Grosse-Brömer: Das ist wahr, und deswegen soll das Parlament auch eine konkrete Meinung äußern. Wir haben das ja auch schon öffentlich getan, viele Kollegen haben da schon ihre Meinung in den Ausschüssen kundgetan, die sind auch öffentlich geworden. Wir finden es richtig, dass Deutschland ein verlässlicher Partner in der Welt bleibt und nicht zusieht, wenn Menschen abgeschlachtet werden. Deswegen sagen wir als Union, diese Vorgehensweise ist nachvollziehbar. Das sieht die Opposition in weiten Teilen anders und das muss parlamentarisch dann auch ausdiskutiert werden.
"Wir helfen auch ganz konkret humanitär, das sollte man nicht vergessen"
Meurer: Würde ein Mandat notwendig werden, wenn auch nur ein Bundeswehrsoldat irakischen Boden betritt, um die Kurden auszubilden an den Waffen?
Grosse-Brömer: Das ist klar, dass wir bei der Entsendung deutscher bewaffneter Soldaten grundsätzlich eine Mandatierung für notwendig halten. Und wir haben ja häufig Grenzsituationen, wo wir darüber diskutieren, ist das jetzt eine Entsendung bewaffneter Soldaten, war das konkret in das Krisengebiet oder ist das nur am Rande in einem Nachbarland und ist trotzdem die Beteiligung vorhanden, die eine Mandatierung erforderlich macht?
Das haben wir häufiger gehabt, in diesem konkreten Fall geht es aber nicht um die Entsendung deutscher bewaffneter Soldaten, das hat die Bundeskanzlerin gestern noch mal sehr deutlich gemacht, sondern es geht um notwendige Hilfe in dem Nordirak, wo Menschen abgeschlachtet werden. Und ich finde es auch wichtig, dass man in dem Zusammenhang mal darauf hinweist, dass gerade heute auch die Hilfsflüge in den Nordirak weitergehen.
Also, wir helfen jetzt nicht nur durch eine Debatte über mögliche Lieferungen von militärischer Ausrüstung, sondern wir helfen auch ganz konkret humanitär, das sollte man nicht vergessen.
Meurer: Aber offenbar ist es notwendig, die Kurden an den Waffen auszubilden, an den Milan-Abwehrraketen beispielsweise. Ist es der Ausweg, dass man die Kurden in Deutschland ausbildet, ist das wirklich der Weg?
Grosse-Brömer: Ich habe gehört, dass dieser Vorschlag in der Diskussion ist. Zurzeit wird im Bundesverteidigungsministerium die Prüfung durchgeführt, welches Material einschließlich möglicher Waffen abgegeben werden kann, und die Kriterien dieser Prüfung sind Verfügbarkeit des Materials, die Funktionalität und vielleicht auch sinnvollerweise eine einfache Bedienung dieses Materials.
Und diese Kriterien machen natürlich auch schon deutlich, dass diese Prüfung vorab sehr sinnvoll ist und aus meiner Sicht eben auch abgewartet werden sollte, bis wir im Bundestag dann darüber diskutieren, wie wir die Lieferungen möglichen militärischen Materials bewerten.
Und diese Kriterien machen natürlich auch schon deutlich, dass diese Prüfung vorab sehr sinnvoll ist und aus meiner Sicht eben auch abgewartet werden sollte, bis wir im Bundestag dann darüber diskutieren, wie wir die Lieferungen möglichen militärischen Materials bewerten.
Aber wie Sie sehen, das Beispiel, was Sie angesprochen haben, ohne dass ich jetzt wüsste, dass auch Milan-Waffen geliefert werden, macht ja deutlich, dass es auch um den Abwehranspruch geht der Peschmerga gegen diese IS-Dschihadisten. Und in welchem Umfang da eine Ausbildung noch erforderlich ist, werden wir sehen, die Prüfung ist eben abzuwarten.
Meurer: Noch kurz die Frage: Wünschen Sie sich eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, wenn es zur Sondersitzung kommt?
Grosse-Brömer: Nun, erst einmal ist es wichtig, dass das Parlament bei einer solchen grundsätzlich anderen Vorgehensweise dann auch seine Meinung formuliert. Ob das jetzt von der Bundeskanzlerin einleitend sozusagen vorbereitet wird, ob es die Verteidigungsministerin macht oder der Außenminister, das werden wir sehen.
"Es ist immer alles Chefsache"
Meurer: Ist das nicht eine Frage der Chef ... Ist das nicht eine Chefsache, muss die Kanzlerin nicht ran?
Grosse-Brömer: Es ist immer alles Chefsache, das sieht die Kanzlerin ja genauso, ohne diese Kanzlerin hätten wir in Europa noch wesentlich mehr Probleme. Das sieht man ja auch daran, dass sie regelmäßig mit Herrn Putin spricht über die Ukraine und da im Vorwege sehr viel auch beseitigt, was vielleicht noch zu größeren Problemen führen würde.
Aber ungeachtet dessen haben wir Fachminister, die in diesem Fall auch klar entscheiden müssen und das offensichtlich auch sehr gut tun, und das Parlament muss die Regierung kontrollieren. Das haben wir bislang sehr gut getan, das werden wir auch weiter tun, auch ganz konkret in diesem Fall.
Meurer: Michael Grosse-Brömer, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion zur wahrscheinlichen Sondersitzung des Deutschen Bundestages an die Kurden. Herr Große-Brömer, danke und Wiederhören nach Berlin!
Grosse-Brömer: Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.