Im Autoradio läuft "Take me home, country roads". Der Highway zieht sich und zieht sich. Und der weiße Holzzaun rechts am Straßenrand will gar kein Ende nehmen. Aber irgendwann kommt dann doch das Gatter mit dem eingebrannten Namen "John Ladd" auf einem Holzschild. Der alte Chevy-Pickup, der eine lange Staubwolke in der September-Sonne hinter sich herzog, kommt auf der anderen Seite des Gatters zum Stehen.
"Hallo, wie geht's Dir?" John Ladd, 61 Jahre alt, kariertes Flanellhemd, Jeans, Cowboystiefel. In seinem hageren, braun gebrannten Gesicht zittert beim Sprechen ein grauer Schnurrbart über der Oberlippe. John ist Rancher in der Prärie Arizonas, direkt an der Grenze zu Mexiko. Wir besuchten ihn vor einem Jahr, kurz vor der Präsidentschaftswahl. Weil John Ladd Trump-Wähler war, wie viele hier, die in dieser unendlichen Weite aufgewachsen und seit Generationen hier zuhause sind. Immer in der Gewissheit, dass auf den Winter der Sommer folgt und auf die Aussaat die Ernte.
Marodierende mexikanische Drogenbanden
Aber viele Gewissheiten sind ins Wanken gekommen. Für John Ladd zum Beispiel deshalb, weil jeden Tag Drogenbanden aus Mexiko über sein Land ziehen, die illegal über die Grenze kommen und die Gegend unsicher machen. Einer von ihnen hat bestimmt immer eine Waffe dabei, sagt John.
"Typically one of them is gonna have a gun."
Erst unlängst ist er wieder auf eine Gruppe von Drogenschmugglern gestoßen. Er rufe dann immer den Sheriff der Grenzpatrouillen an. Aber er würde sich ihnen niemals in den Weg stellen: Viel zu gefährlich.
"I will call the Sheriff of the border patrol. But I'm not gonna stop them. I've never done that. And I have no intent to start."
Eine Stunde braucht John, um mit seinem Pickup von einem bis zum anderen Ende seiner Ranch zu fahren. Über Sandpisten und durch Flussläufe, über Stock und Stein. 16.000 acres bewirtschaftet John, 65 Quadratkilometer fruchtbares Land.
"This is my house. I never thought of leaving. This is my home."
Wer keine Angst hat, ist dumm
Unter einer Gruppe von Bäumen ist das Gehöft zu sehen, das John mit seiner Frau und seinen drei erwachsenen Söhnen mit ihren Familien bewohnt. Früher haben wir alle Türen offenstehen lassen, sagt John. Heute wärst Du ziemlich bescheuert, wenn Du nicht verdammt aufpassen würdest.
"If you were not afraid of certain things you're not very smart:"
Deshalb trägt John immer eine Waffe mit sich herum. Aber sie ist nicht zu sehen.
"You don't know that. But I do have one on me."
John liebt Waffen. Und er bekennt sich dazu. Sein Heimatstaat Arizona ist ein sogenannter "open carry state" - wer eine Lizenz besitzt, darf seine Waffe offen mit sich herumtragen. John will das nicht. Aber er hat immer eine Waffe greifbar. Auch beim Reiten. Dann steckt er sie in die Satteltasche.
" No, I rarely wear a gun. But I always have one close, somewhere. If I'm on a horse I always have one in the saddlebag. I don't like wearing them."
Das Gesetz des "Wilden Westens"
Die Sache ist die: Selbst wenn es hier keine Drogenhändler und Menschenschmuggler gäbe, würde John immer eine Waffe mit sich führen. So hat er das gelernt. Damit ist er aufgewachsen. Jeder Vater hier bringt seinem Sohn das Schießen bei. Zuerst auf Karnickel. Wenn es niedergestreckt ist, hat der Junge etwas gelernt: Waffen töten.
"You show them how to shoot rabbits. This is what it does. It kills them. So you know what you're doing."
John beißt ein Stück vom Kautabak ab. Und jeder richtige Mann geht mit seiner Familie auf die Jagd, sagt er. Das steckt uns Amerikanern in den Genen. Dabei gehe es gar nicht ums Töten. Sondern ums Jagen. Und darum, eine Waffe zu haben und zu tun und zu lassen, was man will. Das habe auch etwas mit der Geschichte des Wilden Westens zu tun, meint John.
"The Wild West, you know. It's not about killing. It's about hunting. And having a gun and being able to go and to do what you are wanna do."
John ist einer von 323 Millionen Amerikanern, die etwa genauso viele Schusswaffen besitzen - vier von zehn US-Bürgern besitzen eine Waffe. Manche haben zwei oder drei. Andere 30 oder 40, wie der Attentäter von Las Vegas. Dass jedes Jahr über 30.000 Amerikaner erschossen werden - das hat natürlich auch mit dieser absurden Zahl von Waffen zu tun, die sich in der Hand von Privatleuten befinden. John sagt es so:
"I do like the noise. The big bang, I like that."
Er mag das Geräusch - das scharfe Peitschen eines Schusses. Jeder müsse Zugang zu Waffen haben. Wir sind hier in Amerika, sagt John. Wir hatten immer Waffen. Wir haben ein Recht darauf. Das ist uns im zweiten Verfassungszusatz garantiert.
"But we are in America. We have always had guns. This is the second amendment. The right to have a gun."
"Jeder hat das Recht auf eine Waffe"
Aber dieser zweite Verfassungszusatz stammt aus dem späten 18. Jahrhundert. Da musste man noch mühsam Schwarzpulver nachfüllen. Heute ist auch der Besitz von Schnellfeuergewehren durch das Recht auf Waffenbesitz gedeckt. Auch John besitzt eine halbautomatische Waffe.
So sei das eben in Amerika. Man kriegt, was man will. Er brauche diese Art von Waffe eigentlich gar nicht. Er habe sie nur gekauft, weil Obama sie verbieten wollte.
Auch insofern ist John ganz amerikanisch: Reflexartig decken sich die Amerikaner mit Waffen ein, wenn eine Verschärfung des Waffenrechts droht. Dabei haben die Waffennarren gar nichts zu befürchten. Donald Trump wurde im Wahlkampf von der Waffenlobby gesponsored - und er versprach der mächtigen NRA, der National Rifle Association, auch im Weißen Haus treu verbunden zu bleiben. Deshalb lehnte er es sofort ab, jetzt eine neue Diskussion über eine Verschärfung des Waffenrechts zu beginnen.
Das Gelände auf Johns riesiger Ranch ist rauer geworden. Vorsichtig lenkt er den Chevy über den unebenen Grund. Er habe oft über diese Typen nachgedacht, die plötzlich ausrasten und um sich ballern, sagt er, um so viele Menschen wie möglich in den Tod zu reißen. Aber er bleibe dabei: Jeder habe das Recht auf eine Waffe, weil jeder ein Recht habe, sich zu verteidigen. Aber, fügt John hinzu und spuckt eine Ladung Kautabak aus dem Fenster: Wer eine Waffe hat, trägt auch eine riesige Verantwortung. Wenn Du auf jemanden schießt, kannst Du ihn töten. Und mit einem Schlag hat sich Dein ganzes Leben verändert.
" You have to understand, you shoot somebody, you kill him. Your life is gonna change."