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Waffenruhe im Gazastreifen
Zugeständnisse auf beiden Seiten

Knapp 24 Stunden nach Verkündung der Waffenruhe in Gaza erweist sich diese bislang als stabil. Die Hamas und Israel beanspruchen beiderseits den Sieg im Konflikt für sich. Dabei erfordert die unter ägyptischer Vermittlung ausgehandelte Vereinbarung Zugeständnisse auf beiden Seiten.

27.08.2014
    Straßenszene im Gazastreifen
    Straßenszene im Gazastreifen (afp / Roberto Schmidt)
    50 Tage haben die gegenseitigen Angriffen zwischen der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen und Israel gedauert - seit Dienstag, 18 Uhr MESZ gilt ein unbefristeter Waffenstillstand, der unter ägyptischer Vermittlung zustande kam. Mehr als 2200 Menschen im Gazastreifen wurden getötet, darunter zahlreiche Zivilisten. Auf israelischer Seite starben 64 Soldaten und sechs Zivilisten.
    Beide Seiten beanspruchen einen "Sieg" in diesem Konflikt. In Gaza feierten nach der Verkündung der Waffenruhe tausende Menschen bis spät in die Nacht auf den Straßen. Freudenschüsse wurden abgegeben, von den Minaretten der Moscheen schallten Lobgesänge. Die Hamas erklärte, die Palästinenser hätten einen "militärischen Sieg" eingefahren, weil sie angesichts der israelischen Angriffe "standhaft" geblieben seien. Im israelischen Armee-Radio sagte einer der Sprecher von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass die Hamas "keines ihrer Ziele erreicht" habe.
    Das vorläufige Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen ist allerdings mit Zugeständnissen auf beiden Seiten verbunden.
    Die sofortigen Schritte sind:
    • Ein beidseitiger Gewaltverzicht. Die im Gazastreifen regierende Hamas und andere Gruppen stoppen alle Raketen- und Mörserangriffe auf Israel. Im Gegenzug verzichtet Israel auf weitere Luftangriffe und Bodeneinsätze.
    • Israel öffnet mehr Grenzübergänge, um die Einfuhr von Hilfsgütern und Materialien zum Wiederaufbau im Gazastreifen zu erleichtern. Dies war auch Bestandteil des letzten Waffenstillstandabkommens, wurde aber nie vollständig umgesetzt.
    • Ägypten öffnet seine 14 Kilometer lange Grenze zum Gazastreifen am Übergang Rafah wieder. Ein Hilfskonvoi der Vereinten Nationen erreichte heute den Gazastreifen über Rafah. Nahrungsmittel wie Tee, Konserven und Datteln seien angekommen, teilte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) mit. Die Ladung reiche aus, um 150.000 Menschen fünf Tage mit Nahrung zu unterstützen. Ein weiterer Konvoi solle folgen.
    • Die palästinensische Autonomiebehörde unter Leitung von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas übernimmt von der Hamas die Kontrolle an den Gaza-Grenzübergängen, um den Waffenschmuggel und Missbrauch von Wiederaufbauhilfe zu militärischen Zwecken zu unterbinden. Die von Abbas geleitete Fatah gilt als weitaus gemäßigter als die Hamas. Die Autonomiebehörde soll den Wiederaufbau in Abstimmung mit internationalen Organisationen und Ländern wie der Türkei und Katar koordinieren.
    • Israel verringert den Sicherheitspuffer auf der palästinensischen Seite der Grenze von 300 auf 100 Meter, um mehr Flächen für die Landwirtschaft zu schaffen.
    • Israel zieht die Fischereigrenze bei sechs Meilen vor der Gaza-Küste statt wie bisher bei drei Meilen. Am Ende sollen es zwölf Meilen sein. Auch dies war Bestandteil des Abkommens vom November 2012.
    In vielen Punkten wurden sich Israelis und Hamas wie so oft nicht einig.
    Diese Themen sollen daher später verhandelt werden:
    • Die Hamas will die Freilassung hunderter Palästinenser erreichen, die Israel nach der Verschleppung und Ermordung von drei Studenten durch palästinensische Extremisten festgenommen hatte. Der Fall hatte den jüngsten Gaza-Krieg ausgelöst.
    • Auch die Fatah unter Führung von Abbas will die Freilassung langjähriger Inhaftierter erreichen.
    • Die Hamas will einen Hafen in Gaza errichten, um den Transport von Gütern und Personen in die Enklave zu erleichtern. Israel lehnt den Bau aus Sicherheitsgründen bislang ab.
    • Die Palästinenser streben den Wiederaufbau des Jassir-Arafat-Flughafens in Gaza an, der 1998 eröffnet und zwei Jahre später nach israelischen Bombenangriffen geschlossen wurde.
    • Die Hamas will die Freigabe von Geldern durch die Autonomiebehörde erreichen, um 40.000 Beamte bezahlen zu können, die seit Ende vergangenen Jahres auf ihre Gehälter warten.
    • Israel fordert die Überstellung der sterblichen Überreste der durch die Hamas getöteten Soldaten.
    • Israel hat in den vergangenen Wochen wiederholt eine vollständige Entmilitarisierung des Gazastreifens gefordert. Das Ziel wird von EU und USA unterstützt. Wie eine Umsetzung konkret aussehen könnte, ist aber völlig unklar. Die Hamas weist die Forderung als utopisch zurück.
    Der Waffenstillstand in Gaza hält bislang
    Einen Tag nach der Verkündung der Waffenruhe hält diese bislang. Viele Übereinkünfte zu Feuerpausen zwischen Israel und der Hamas waren bisher meist sehr brüchig.
    (nch/bor)