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Waffenruhe in der Ostukraine
"Seit Mitternacht ist kein einziger Schuss gefallen"

Zum Schuljahresbeginn haben die Konfliktparteien im Kriegsgebiet Ostukraine eine neue Waffenruhe ausgerufen. Verteidigungsminister Stepan Poltorak bestätigte, dass seit Mitternacht kein Schuss gefallen sei. Eine ähnliche Initiative gab es zum Schulanfang im vergangenen Jahr - doch die vereinbarte Feuerpause blieb brüchig.

Von Florian Kellermann |
    Das Foto zeigt Maxim Musyka auf dem umkämpften Flughafen von Donezk in der Ostukraine
    Die Waffen schweigen im Raum Donezk. (Sergej Loiko )
    Der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak konnte den Journalisten eine gute Nachricht überbringen: "Hier, auf mein Mobiltelefon, bekomme ich alle 15 Minuten Informationen über die Situation im Osten der Ukraine. Ich bin angenehm überrascht darüber, dass seit Mitternacht kein einziger Schuss gefallen ist."
    Die Konfliktparteien hatten sich bei ihren regelmäßigen Treffen in Minsk geeinigt, zum ersten September, dem Beginn des Schuljahres in der Ukraine, die Waffenruhe einzuhalten. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte dies als seine persönliche Initiative dargestellt. Heute fügte er hinzu: "Gott gebe, dass nun auch die Punkte des Minsker Abkommens umgesetzt werden, die Sicherheit dauerhaft garantieren: vor allem der Abzug der Artillerie und der Panzer aus der Pufferzone - und auf der Seite unserer Gegner am besten gleich auf das Gebiet Russlands."
    Zuletzt eskalierten die Kämpfe
    Eigentlich gilt der Waffenstillstand schon seit anderthalb Jahren. Im Februar 2015 unterzeichneten die Konfliktparteien das Friedensabkommen von Minsk. Russland, Frankreich und Deutschland traten als Garanten für dessen Einhaltung auf. In den Folgemonaten führte das Abkommen dazu, dass die Kämpfe zumindest abflauten. Trotzdem kam es weiterhin zu Schusswechseln, noch gestern starb dabei ein ukrainischer Soldat. Zuletzt eskalierten die Kämpfe sogar. Im Juli wurden so viele Zivilisten verletzt oder getötet wie seit einem Jahr nicht mehr.
    Ein Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums fasste die vergangene Woche so zusammen: "Die Intensität, mit der unsere Positionen beschossen werden, ist gestiegen. Dabei wurde schwere Artillerie eingesetzt. Allein in der Region Awdijiwka setzte der Gegner an zwei Tagen sechs Tonnen Munition ein - Geschosse mit einem Kaliber von 120 Millimetern. Insgesamt gab es 495 Beschüsse, vor allem im Raum Donezk."
    Experten sind skeptisch, dass der Waffenstillstand halten wird
    Die Beobachtermission der OSZE bestätigte die Eskalation, ohne allerdings festzustellen, welche Konfliktpartei dafür verantwortlich ist. Experten sind deshalb skeptisch, dass der nun erneut beschlossene Waffenstillstand halten wird. Schon im vergangenen Jahr hatten die Konfliktparteien zum Beginn des Schuljahres die Schusswechsel eingestellt. Nach einigen Wochen jedoch flammten die Kämpfe wieder auf.
    Eines der Hauptprobleme: Russland und die Ukraine sind sich nicht einig darüber, in welcher Reihenfolge die weiteren Punkte des Minsker Abkommens umgesetzt werden sollen. Der ukrainische Präsident Poroschenko sagte heute: "Der Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden sind die 409 Kilometer an der russisch-ukrainischen Grenze, die nicht von der Ukraine kontrolliert werden. Sie sollte zunächst eine bewaffnete Mission der OSZE kontrollieren, der sich ukrainische Soldaten nach und nach anschließen. Dann wird es in der Ukraine keine Einheiten des russischen Militärs mehr geben und auch keine Söldner, die in Russland geworben wurden."
    Moskau dagegen sieht die Übergabe der Grenze als letzten Schritt im Minsker Abkommen. Es fordert, dass die Ukraine zunächst - wie vereinbart - dem Donezbecken einen Sonderstatus einräumt und ein Amnestiegesetz für die separatistischen Kämpfer verabschiedet.