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Waffenruhe in Syrien
Assad will keine Kompromisse mit den Rebellen

In Syrien ist die von Russland und den USA vereinbarte Waffenruhe in Kraft getreten. Kurz vorher sorgt Präsident Baschar al-Assad für Aufregung: Er verspricht seinen Anhängern die Rückeroberung des gesamten Staatsgebiets. Damit scheint der Weg zu einer diplomatischen Lösung des Bürgerkrieges erneut verbaut.

    Ein Jaish-al-Islam-Kämpfer flieht in dem syrischen Dorf Tal al-Siwan vor Schüssen, hinter ihm brennt es.
    Ein Jaish-al-Islam-Kämpfer flieht in dem syrischen Dorf Tal al-Siwan vor Schüssen. (afp / Sameer Al-Doumy)
    "Der syrische Staat ist entschlossen, alle Gebiete von den Terroristen zurückzuerlangen und wieder aufzubauen", hieß es am Montag in einer Erklärung Assads, die von den staatlichen Medien im Internet verbreitet wurde. Die Streitkräfte würden ihre "Arbeit unerbittlich und ohne Zögern, unabhängig von inneren oder äußeren Umständen" fortsetzen, sagte der syrische Machthaber bei einem seltenen öffentlichen Auftritt in der einstigen Rebellenhochburg Daraja.
    Ein Foto der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana zeigt den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, wie er in einer Gruppe durch die syrische Stadt Daraja läuft.
    Der syrische Präsident Baschar al-Assad in der Stadt Daraja (picture alliance / dpa / epa)
    Auch die Türkei kündigte ihrerseits an, ihre Ende August gestartete Offensive in Syrien fortzusetzen. Diese werde andauern, bis "alle Terroristen besiegt und unsere Grenzen sicher sind", sagte Generalstabschef Hulusi Akar laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Die einflussreiche Rebellengruppe Ahrar al-Scham kritisierte die von den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe scharf. Diese stärke lediglich die Regierung in Damaskus und erhöhe das Leid der Menschen.
    Offenbar kaum Anzeichen für Einhaltung der Waffenruhe
    Andere Rebellengruppen signalisierten, dass sie Waffenruhe respektieren wollen. Die Freie Syrische Armee, unter deren Dach verschiedene oppositionelle Gruppierungen vereint sind, erklärte in einem Brief an die USA, sie werde "positiv kooperieren". Das wichtigste syrische Oppositionsbündnis, das Hohe Verhandlungskomitee (HNC), verlangte "Garantien" für die Umsetzung der Waffenruhe. Außerdem müsse genauer definiert werden, welche Rebellengruppen als "Terroristen" weiter bekämpft würden.
    Der Grünen-Politiker Omid Nouripour zeigte sich im Deutschlandfunk skeptisch, dass die Waffenruhe hält. Dafür gebe es zu viele Akteure. Es gehe wohl eher darum, die Gewalt im Land zumindest zu reduzieren. Der frühere Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, hegte im DLF-Interview zumindest die Hoffnung auf neue politische Gespräche.
    UNO soll Menschen mit Lebensmitteln, Kleidung und Spielzeug versorgen
    Vor Beginn der Waffenruhe berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte jedoch von schweren Angriffen in dem Bürgerkriegsland mit Dutzenden Opfern. "Wir haben bislang keine Anzeichen dafür, dass eine Waffenruhe bevorsteht", sagte Rami Abdulrahman von der Beobachtungsstelle, die der Opposition nahesteht. Die Feuerpause soll mit Einbrechen der Dunkelheit in Kraft treten und zunächst für 48 Stunden gelten.
    Sie soll unter anderem dafür genutzt werden, damit Helfer die Menschen in den umkämpften Gebieten versorgen können. So hat die Türkei bereits angekündigt, mehr als 30 Lastwagen mit Hilfsgütern nach Syrien schicken zu wollen. Die Vereinten Nationen und die türkische Hilfsorganisation des Roten Halbmonds würden Lebensmittel, Kinderkleidung und Spielzeug vor allem nach Aleppo transportieren, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan in Istanbul. Der Rote Halbmond werde zudem versuchen, die Grenzorte Dscharablus und Al-Rai zu erreichen.

    Wichtige Punkte der Vereinbarung zur Waffenruhe in Syrien:
    • Die Regierungstruppen sollen sich rund um die umkämpfte Großstadt Aleppo zurückziehen und Hilfsorganisationen Zugang gewähren.
    • Islamisten-Milizen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) dürfen weiterhin angegriffen werden.
    • Russland muss die Regierungstruppen davon überzeugen, die Rebellengebiete nicht länger zu bombardieren.
    • Im Gegenzug müssen die USA die mit ihnen verbündeten Rebellengruppen dazu bringen, nicht mehr mit der islamistischen Fateh-al-Scham-Front zu kooperieren.
    • Hält die Waffenruhe eine Woche lang, wollen die USA und Russland ihren Kampf gegen Dschihadisten in Syrien koordinieren. Diesen Punkt der Vereinbarung nannte Bente Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung im DLF-Interview "hochproblematisch".<hr></hr>
    US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow hatten sich am Freitagabend nach Marathonverhandlungen in Genf auf die Bedingungen verständigt. Ein vorheriger Waffenstillstand, den die Konfliktparteien im Februar auf Vermittlung der USA und Russlands ausgehandelt hatten, war nie vollständig eingehalten worden und nach mehreren Monaten zerbrochen.
    (tj/fwa)