Waffenruhe
Die Hoffnung ist groß, die Skepsis auch

Nach den jüngsten Spannungen sind die USA und die Ukraine offenbar wieder näher zusammengerückt: Eine Feuerpause soll den Weg zum Frieden mit Russland ebnen. Kann das gelingen?

    Ukrainische Flaggen, Kerzen und Fackeln in den Händen von Demonstranten auf der Kundgebung
    Nach den Friedensgesprächen zwischen den USA und der Ukraine mischt sich in die Euphorie über einen möglichen Waffenstillstand auch Skepsis.
    Das Verhältnis zwischen der Ukraine und den USA war zuletzt stark angespannt. Über Wochen übte US-Präsident Donald Trump Druck auf das angegriffene Land und seinen Präsidenten Wolodimir Selenskyi aus. Einen Tiefpunkt der Beziehungen markierte ein offener Schlagabtausch zwischen Trump und Selenskyi Ende Februar im Weißen Haus. In der Folge stoppte der US-Präsident die Militärhilfen und die Weitergabe von Geheimdienstdaten.
    Die Gespräche zwischen Delegationen beider Länder am Montag, 10. März 2025, über ein Ende des russischen Angriffskriegs schienen angesichts dieser Entwicklungen eher wie eine diplomatische Pflichtübung. Überraschend gibt es nun Aussicht auf eine Feuerpause. Hat die Ukraine die USA wieder an ihrer Seite? Kann eine Waffenruhe gelingen - und wäre das ein erster Schritt in Richtung Friedensverhandlungen?

    Inhalt

    Wie soll die Waffenruhe in der Ukraine aussehen?

    Die Ukraine und die USA haben sich am Montag, 10. März 2025, zu Gesprächen über Rahmenbedingungen für ein Ende des russischen Angriffskriegs getroffen. Ein Ergebnis der Verhandlungen in Saudi-Arabien: Die Ukraine stimmt einer von den USA vorgeschlagenen 30-tägigen Waffenruhe zu – wenn Moskau sich ebenfalls dazu verpflichtet. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor. Nicht jedoch, wie diese Feuerpause im Detail aussehen soll.
    Präsident Selenskyi, der selbst nicht an den Gesprächen zwischen US-Außenminister Rubio und Vertretern der Ukraine teilgenommen hatte, betonte in Kiew, der Vorschlag zur Waffenruhe betreffe auch die Front – nicht nur Kämpfe in der Luft und zur See. Ursprünglich wollte die Ukraine einen Teil-Waffenstillstand erreichen, der sich lediglich auf Raketen und Drohnenangriffe beziehen sollte. Laut der Erklärung soll die Feuerpause nach 30 Tagen im gegenseitigen Einvernehmen der Parteien verlängert werden und von Russland angenommen und umgesetzt werden müssen.

    Was steht noch in der Erklärung zu den Friedensgesprächen?

    Die USA haben zudem die zwischenzeitlich gestoppten Militärhilfen wieder freigegeben. Auch Geheimdienst-Informationen sollen wieder an Kiew weitergegeben werden, wie Vertreter beider Seiten nach den Gesprächen mitteilten. Vor allem Erkenntnisse aus amerikanischen Satellitenbildern sind von immenser Bedeutung für die Ukraine, um russische Truppenbewegungen zu beobachten und Luftangriffe abzuwehren.
    Laut der gemeinsamen Erklärung erörterten die Delegationen zudem die Bedeutung humanitärer Maßnahmen wie den Austausch von Kriegsgefangenen und die Rückführung verschleppter ukrainischer Kinder. Die Ukraine sprach sich außerdem erneut dafür aus, die europäischen Partner in den Friedensprozess einzubeziehen. Auch einigten sich die USA und die Ukraine auf eine möglichst schnelle Unterzeichnung des verhandelten Rohstoffabkommens.

    Reaktionen zu den Ergebnissen aus der Ukraine, den USA und der EU

    In Kiew hofft man offenbar, nach den massiven Spannungen zwischen den Präsidenten Trump und Selenskyi die USA wieder auf seine Seite zu bekommen. Nun werde klar werden, an wem ein Frieden in der Ukraine seit mehr als drei Jahren scheitere, sagte Selenskyi nach den Gesprächen und weiter: „Die Ukraine ist bereit für Frieden. Ob Russland bereit ist, muss es jetzt zeigen. Die Zeit für die Wahrheit ist gekommen.“
    Sollte Russland der Waffenruhe zustimmen, wären aus Sicht von US-Präsident Trump Dreiviertel des Weges zu einem Frieden geschafft. Dann ginge es nur noch darum, alles festzuzurren und über Gebiete zu verhandeln. Trump sagte in Washington, er wolle den ukrainischen Präsidenten erneut ins Weiße Haus einladen. Außerdem kündigte er an, noch im Laufe der Woche mit dem russischen Staatschef Putin sprechen zu wollen.

    Baerbock sieht möglichen Wendepunkt

    In Deutschland und der EU stießen die Aussicht auf eine Feuerpause und die Wiederaufnahme der US-Militärhilfen auf ein positives Echo. Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem möglichen Wendepunkt. Es liege jetzt an Russland, den Krieg zu beenden, schrieb sie auf X. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz. Ebenfalls auf X sagte Scholz, er halte den US-Vorschlag für einen „wichtigen und richtigen Schritt“ und bekräftigte, Deutschland stehe an der Seite der Ukraine und der USA.
    Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa begrüßten die Ergebnisse des Treffens in Saudi-Arabien und betonten, die EU sei bereit, gemeinsam mit ihren Partnern einen Beitrag zu Friedensverhandlungen zu leisten. Beide sprachen in Brüssel von einer positiven Entwicklung und einem Schritt in Richtung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens für die Ukraine.

    Militärexperte: Ukraine hatte keine Wahl

    Allerdings gibt es auch verhaltenere Reaktionen. Militärexperte Carlo Masala etwa sieht entgegen dem positiven Echo aus Europas Hauptstädten in den Verhandlungen keinen großen Erfolg für das angegriffene Land. Vor allem in einer zentralen Frage, den geforderten Sicherheitsgarantien, könne er keine Bewegung erkennen. „Donald Trump hat die Ergebnisse dadurch erreicht, dass er den Ukrainern die Daumenschrauben angezogen hat“, sagte Masala. Die Ukraine habe keine andere Wahl gehabt, als dem US-Vorschlag zuzustimmen.
    Auch was eine Einbindung der EU in Friedensverhandlungen mit Russland anbelangt, zeigt sich Masala skeptisch. „Die Rolle Europas wird weiterhin die eines Zaungastes sein, der am Ende das finanziell und militärisch absichern soll, was zwischen USA und Russland ausgehandelt wird“, so der Experte von der Universität der Bundeswehr München.

    Zwischen Hoffnung und Skepsis

    Auch in der Ukraine mischt sich Skepsis in die Euphorie. Die einen, wie der Politologe Wolodymyr Fesenko, sehen in den Ergebnissen einen Erfolg des angegriffenen Landes. Die Ergebnisse der Verhandlungen in Saudi-Arabien hätten die optimistischsten Erwartungen übertroffen, sagte der Direktor des ukrainischen Zentrums für politische Forschung „Penta“.
    Die anderen halten solche Töne für verfrüht. So betonte etwa der ukrainische Diplomat und frühere Außenminister Wolodymyr Ohrysko beim Fernsehsender „Espresso“, es sei erst der Beginn eines sehr langen Prozesses, und fügte hinzu: „Daher würde ich heute nicht wagen zu sagen, ob dies ein Sieg für die eine oder die andere Seite ist.“

    Kann die Ukraine jetzt auf Frieden hoffen?

    Ob der Vorstoß für eine Waffenruhe eine erste Weichenstellung für Frieden in der Ukraine sein kann, hängt von der Reaktion Russlands ab. "Der Ball liegt nun in ihrem Feld", sagte US-Außenminister Marco Rubio in Richtung Kreml. Und dort hält man sich bislang bedeckt. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Dienstag (12. März 2025), man werde den Vorschlag sorgfältig prüfen.
    Die Ergebnisse dürften für Russland unerwartet gekommen sein. Angesichts Trumps jüngsten Zerwürfnisses mit Selenskyi hatte man wohl darauf gehofft, die Ukraine weiter unter Druck setzen zu können. Ob Moskau Interesse an einem Waffenstillstand hat, ist fraglich. Putin will einen Frieden zu russischen Bedingungen, wie Außenministerin Maria Sacharow mit Bezug auf Aussagen des Präsidenten zuletzt erneut bestätigte. Diese lauten: territoriale Zugeständnisse an Russland und keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine.
    Allerdings ist davon auszugehen, dass Putin ein klares „Nein“ zur angebotenen Waffenrufe vermeiden wird. „Falls die Russen nicht positiv darauf reagieren, riskieren sie, dass die USA ihre positive Haltung gegenüber Russland ändern“, sagt Militärexperte Masala. In Washington sagte US-Präsident Trump, er hoffe, dass Putin einer Waffenruhe zustimme. Anderenfalls gebe es in finanzieller Hinsicht Dinge, die sehr schlecht für Russland seien. Denkbar ist auch, dass Moskau sich zwar zu einer Feuerpause bereiterklärt, seine Zustimmung aber an weitere, für die Ukraine nicht akzeptierbare Bedingungen geknüpft.
    Doch selbst wenn es zu einem 30-Tage-Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Angreifer Russland kommt, der Weg bis zu einem nachhaltigen Frieden im angegriffenen Land bliebe lang. Eine Feuerpause wäre lediglich ein erster Schritt. Zumal auch nicht gesagt ist, dass sich Putin im Falle eines Abkommens tatsächlich an seine Vereinbarungen halten würde.
    In der Ukraine jedenfalls ist das Misstrauen groß, viele gehen davon aus, dass Russland seine Angriffe trotz einer vereinbarten Waffenruhe fortsetzen würde. Die Lage im Kriegsgebiet bleibt derweil angespannt. Kaum hatte die Ukraine einer möglichen Feuerpause zugestimmt, hagelten in der Nacht russische Raketen und Drohen auf ukrainische Städte.