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Waffenschau auf dem Roten Platz

In vielen Städten Russlands marschieren am 9. Mai Soldaten auf. Doch Höhepunkt des Ganzen war auch in diesem Jahr die Siegesparade auf dem Roten Platz in Moskau. 11.000 Soldaten nahmen teil. Das Fernsehen übertrug live.

Von Gesine Dornblüth |
    Es ist ein fest durchkomponiertes Ritual. Wie in jedem Jahr läuten die Kremlglocken um Punkt 10 Uhr Ortszeit den Beginn der Siegesparade ein. Dann fährt der Verteidigungsminister stehend in einer schwarzen offenen Limousine die Truppen auf dem Roten Platz ab und gratuliert zum Tag des Sieges im "Großen Vaterländischen Krieg".

    Zdravstvujte tovarishchi! – Hurra.

    Bei strahlendem Sonnenschein marschierten in diesem Jahr mehr als 11.000 Soldaten an der Ehrentribüne vorbei. Spähfahrzeuge, Panzer, Transporter mit Interkontinentalraketen folgten.

    Mehr als tausend Veteranen des Zweiten Weltkriegs verfolgten das Schauspiel. Viele trugen Orden, winkten mit Blumen. Sie waren aus ganz Russland angereist, viele in Begleitung ihrer Enkel. Zum Abschluss donnerten Kampfhubschrauber, Transportflugzeuge und Jagdbomber über den Roten Platz.
    Präsident Putin lobte in einer kurzen Ansprache den Heldenmut der sowjetischen Soldaten und zog sogleich den Bogen zur Gegenwart.

    "Es sind schon 68 Jahre seit dem Kriegsende vergangen, aber die Erinnerung daran verblasst nicht. Sie wird von Generation zu Generation weiter gegeben, von Eltern zu Kindern, von Herz zu Herz. Die Hauptkraft dieser heiligen Verbundenheit ist die Liebe zu Russland, zur Heimat, zur Familie. Diese Werte vereinen uns auch heute."

    Putin hob dann einmal mehr die Rolle der Sowjetunion als Befreier Europas hervor.

    "Wir werden uns immer daran erinnern, dass es Russland, die Sowjetunion war, die die menschenverachtenden, blutigen, überheblichen Pläne der Nazis zunichte gemacht hat. Unsere Soldaten haben Europa befreit."

    Einer Umfrage des unabhängigen Levada-Instituts zufolge glauben rund 60 Prozent der Russen, dass die Sowjetunion Hitler-Deutschland auch ohne die Alliierten hätte besiegen können. Eine Debatte über die Verbrechen der Sowjetsoldaten während oder im Anschluss an den Krieg findet in Russland bis heute nicht statt. Putin schloss mit den Worten:

    "Ruhm dem Siegervolk. Ruhm Russland."

    An dem offiziellen Gedenken an den Sieg kommt in Moskau so gut wie niemand vorbei. An den Supermarktkassen gibt es sogenannte Georgsbänder gratis. Die orange-braun-gestreiften Schleifen werden als Zeichen des Gedenkens immer populärer, flattern an Jacken, Handtaschen, Autospiegeln. Sogar auf dem Mercury Tower in Moskau, dem noch im Bau befindlichen höchsten Gebäude Europas, blinkt in diesen Tagen eine Leuchtschrift zum 9. Mai auf orange-braunem Hintergrund. Der liberale russische Publizist Nikolaj Uskow stellte bereits im letzten Jahr fest:

    "Der 9. Mai ist ein Eckstein in der Putinschen Ideologie. Nach der Niederlage im Kalten Krieg und dem wirtschaftlichen Niedergang der Sowjetunion ist ein Feiertag nötig, der zeigt, dass wir irgendwann mal stark waren und gesiegt haben. Das ist so eine Art Psychotherapie, die ein großer Teil der Bevölkerung braucht."

    Im Internet wird Kritik laut: Die Siegesfeiern seien voller falschem Pathos. Man solle den Tag angesichts der vielen Opfer lieber im Stillen begehen. Doch die Kritiker sind in der Minderheit. Die alljährliche Waffenschau auf dem Roten Platz zählt in Russland zu den beliebtesten Fernsehübertragungen überhaupt. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung begehen den 9. Mai. Wichtiger sind den Russen nur Neujahr und der eigene Geburtstag.