Elf Prozent in Sachsen, siebzehn Prozent in Brandenburg und neunzehn Prozent in Thüringen: Umfragen legen nahe, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus dem Stand eine bedeutende politische Macht in Ostdeutschland werden könnte. In vielen Szenarien gilt: Wer eine Regierung bilden möchte, könnte am BSW nicht vorbeikommen.
Das liegt insbesondere auch daran, dass alle etablierten Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen. Die AfD könnte laut Umfragen allerdings etwa ein Drittel der Wählerstimmen bekommen.
Welche Parteien sind bereit, mit dem BSW zu koalieren?
Prinzipiell hat noch keine Partei, die in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen vermutlich in den Landtag einziehen wird, eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht ausgeschlossen. So hatte CDU-Chef Friedrich Merz im Juni eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen abgelehnt und erklärt, das BSW sei "in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem". Dies relativierte er schnell und betonte, diese Absage an eine Zusammenarbeit gelte nur für die Bundesebene.
Inden drei Bundesländern hat die CDU keine größeren Berührungsängste, zumal ein paar ehemalige CDUler zu den handverlesenen Parteimitgliedern der Wagenknecht-Partei gehören. Vor allem aber könnten die anderen Parteien durch die Stärke der AfD auf das BSW angewiesen sein.
In Sachsen und Brandenburg könnte es laut Umfragen knapp für eine Koalition zwischen CDU, SPD und Grünen reichen – wobei die CDU in Sachsen derzeit erheblich Wahlkampf gegen den grünen Koalitionspartner macht. In Thüringen ist eine Mehrheit ohne BSW nach den Umfragen fast ausgeschlossen. Auch weil die CDU bisher daran festhält, nicht mit der Linkspartei koalieren zu wollen.
Mit welchen Parteien würde das BSW zusammengehen?
Das BSW hat bislang nur mit der AfD Koalitionen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ausgeschlossen. Wagenknechts Begründung: Die AfD habe in den Ostverbänden das Problem eines starken rechtsextremen Flügels, gerade auch an der Spitze.
Zu den Grünen äußerte sich Wagenknecht unterschiedlich. So betont sie, dass man inhaltlich gravierende Differenzen habe und die Grünen Teil einer "autoritären Cancel-Culture" seien. Ein Bündnis nach den Landtagswahlen hält sie allerdings nicht für unmöglich, wenn es darum geht, die AfD in der Regierung zu verhindern. Auch mit allen anderen Parteien hat Wagenknecht Koalitionen nicht ausgeschlossen, aber Bedingungen gestellt.
Was sind die Bedingungen?
Die zentralen Bedingungen beziehen sich auf die Verteidigungs- und Außenpolitik, beides wird nicht auf der Landesebene entschieden. Außenpolitisch fordert die BSW-Vorsitzende, dass eine Landesregierung auch bundespolitisch "klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung" bezieht.
Gemeint sind Waffenlieferungen an die Ukraine und Friedensverhandlungen mit Russland. Ein zweiter Punkt betrifft die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Das solle eine Landesregierung mit BSW-Beteiligung ablehnen.
Weitere Forderungen zielen darauf ab, über Initiativen im Bundesrat Einfluss auf die Bundespolitik zu nehmen. Als Beispiel nannte Wagenknecht für eine Thüringer Koalition, diese solle im Bundesrat für die steuerliche Freistellung von Renten bis 2000 Euro eintreten.
Auch eine Kehrtwende bei der Digitalisierung der Schulen hält Wagenknecht auf Landesebene für zentral. Digitale Endgeräte sollen im Unterricht eine geringere Rolle spielen; bis zur vierten Klasse soll der Einsatz sogar verboten werden.
Wer könnte die Bedingungen erfüllen?
Landesregierungen haben bei der Außenpolitik keine Mitsprache, auch liegen alle möglichen Standorte für die US-Mittelstreckenraketen in Westdeutschland. Folglich ließe sich das Thema durch allgemeine und interpretationsfähige Formulierungen in einem Koalitionsvertrag abräumen. Auch Forderungen nach Bundesratsinitiativen und einer Umkehr beim digitalen Unterricht lassen Raum für Kompromisse.
Allerdings setzt Wagenknecht mit der Aufnahme außenpolitischer Themen die jeweiligen Bundesparteien - vor allem CDU, aber theoretisch auch SPD und Grüne - unter Druck. Deshalb gib es Zweifel, ob das BSW wirklich regieren möchte.
Dabei spielt auch der Bundestagswahlkampf 2025 eine Rolle: Dort will Wagenknecht einen klaren Oppositionskurs fahren. Das ist einfacher, wenn man auch auf Landesebene in der Opposition bleibt und keine Regierungskompromisse eingehen muss.
Im Zweifel würde sich das BSW wohl nicht verweigern, zumal sich noch andere Optionen wie Duldung einer Minderheitsregierung ergeben könnten. Eine Totalverweigerung müsste das BSW auch öffentlich rechtfertigen. Das dürfte schwierig werden, wenn keine Regierungsbildung ohne die AfD möglich wäre.
In Thüringen wiederum könnte das BSW sogar an der CDU vorbeiziehen und zweitstärkste Partei nach der AfD werden. Dann würde die BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf wahrscheinlich Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt erheben.
Könnte das BSW der AfD zur Macht verhelfen?
"Wir werden sicherlich keinen AfD-Ministerpräsidenten ins Amt hieven", sagte Sahra Wagenknecht im Juni 2024. Ähnlich äußerten sich die Landesvorsitzenden ihrer Partei.
Zugleich kritisiert die Parteigründerin auch den Ausgrenzungskurs der anderen Parteien gegenüber der AfD. Koalitionen und Duldung sind also ausgeschlossen. In Einzelfragen könnte das BSW für Anträge der AfD stimmen - Überschneidungen gibt es in der Migrationspolitik oder der Frage nach der Aufarbeitung der Corona-Politik.