Bündnis Sahra Wagenknecht
Hier links, da rechts

Sahra Wagenknechts neue Partei will erstmals bei der Europawahl antreten. Das Programm dafür soll Wähler links wie rechts ansprechen: mehr soziale Gerechtigkeit, aber auch weniger Migration nach Deutschland und ein Ende der Waffenhilfe für die Ukraine.

    Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende, winkt beim Gründungsparteitag ihrer neuen Partei BSW in die Menge.
    Sahra Wagenknecht auf dem BSW-Gründungsparteitag Ende Januar: die Grünen als Hauptgegner ausgemacht. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Die neue Partei von Sahra Wagenknecht - das „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) – nimmt Konturen an. Auf einem Gründungsparteitag in Berlin am 27. Januar 2024 wurde ein Programm für die Europawahl beschlossen. Die eigentliche Gründung war bereits am 8. Januar erfolgt.
    Wagenknecht will mit der Partei die deutsche Politik grundlegend aufmischen, Politikwissenschaftler sehen die Erfolgschancen aber eher skeptisch.

    Inhaltsübersicht

    Wo steht die Wagenknecht-Partei inhaltlich?

    Sahra Wagenknecht verfolgt die Strategie eines Linkskonservatismus: Ökonomisch und sozialpolitisch sind die Unterschiede zu ihrer ehemaligen Partei Die Linke eher gering. „Wir müssen wieder reden über gesellschaftliche Ungleichheit, über die Enteignung der Fleißigen“, sagte Wagenknecht auf dem Gründungsparteitag. Es gebe immer mehr Berufe, die früher einen bescheidenen Wohlstand ermöglicht hätten, mit denen man heute aber keine Chance mehr auf ein halbwegs gutes Leben habe.

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    Gesellschaftspolitisch und kulturell vertritt Wagenknecht hingegen eine eher konservative Haltung, weshalb es während ihrer Zeit bei der Linken immer wieder zu schweren innerparteilichen Konflikten kam. Wirtschaftlich links, aber kulturell konservativ - damit versuche Wagenknecht eine Repräsentationslücke zu füllen, sagt die Parteienforscherin Sarah Wagner. Zudem inszeniert sich das BSW als Protestpartei: „Wir da unten gegen die da oben“ lautet die Botschaft.
    Der Linken hält Wagenknecht vor, sich an ein „urbanes Milieu“ zu wenden und für die Interessen von „skurrilen Minderheiten“ statt für die „normalen Leute“ zu kämpfen. Dementsprechend hat Wagenknecht neben ihrer ehemaligen Partei vor allem die Grünen als Hauptgegner ausgemacht.
    Die Positionen zu Migration oder Klimapolitik liegen näher an den Unionsparteien als an der Linken. Zuwanderung müsse auf eine Größenordnung begrenzt bleiben, „die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert“, die Energieversorgung Deutschlands lasse sich im Rahmen der heutigen Technologien nicht allein durch erneuerbare Energien sichern, hieß es in Positionspapieren des Vereins, der die Parteigründung vorbereitet hat. Die Bundeswehr soll nur noch für die direkte Landesverteidigung zuständig sein, Auslandseinsätze der Geschichte angehören.
    Im Programmentwurf für die Europawahl wird zudem die Europäische Union (EU) in ihrer aktuellen Form aufs Korn genommen. Das BSW will unter anderem wieder mehr Entscheidungsgewalt für die Nationalstaaten. Weitere Forderungen sind ein Ende der Waffenhilfe für die Ukraine sowie der Bezug von Öl und Gas aus Russland.

    Wer führt die Partei?

    Den Vorsitz der Partei teilen sich Sahra Wagenknecht und die frühere Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Stellvertretender Vorsitzender ist der Unternehmer und Hochschulprofessor Shervin Haghsheno, Generalsekretär der Bundestagsabgeordnete Christian Leye, Schatzmeister der Unternehmer Ralph Suikat und Geschäftsführer der ehemalige Linken-Politiker Lukas Schön.
    Sahra Wagenknecht (M) steht zusammen mit Amira Mohamed Ali (l) und Ralph Suikat (r) beim Gründungsakt der Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit" (BSW) in einem Berliner Hotel.
    Sahra Wagenknecht ist die zentrale Figur in der neuen, nach ihr benannten Partei, hier mit Amira Mohamed Ali und Ralph Suikat. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Zum ersten Mal soll die Partei im Juni 2024 bei der Europawahl antreten, angeführt von Fabio De Masi und Thomas Geisel. Der Finanzpolitiker De Masi saß von 2014 bis 2017 bereits für Die Linke im Europaparlament, Geisel war von 2014 bis 2020 als SPD-Mitglied Oberbürgermeister von Düsseldorf.

    Welche Chancen hat die Partei von Sahra Wagenknecht bei Wahlen?

    In einer Umfrage von Insa für die „Bild am Sonntag“ gaben 12 Prozent der Befragten an, sich vorstellen zu können, eine Wagenknecht-Partei zu wählen. Da die Partei zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht gegründet und das offizielle Programm unbekannt war, ist dieser Wert mit besonderen Unsicherheiten verbunden. Solche Umfragen werden im Wagenknecht-Lager dennoch als Signal gedeutet, ein weit größeres Potenzial als die linke Stammpartei zu besitzen. Diese verharrt derzeit in bundesweiten Umfragen zwischen drei und vier Prozent.

    Die Unzufriedenen an den politischen Rändern

    Eine Chance für das BSW besteht darin, nicht nur enttäuschte Linken-Sympathisanten anzusprechen, sondern auch bisherige Anhänger der AfD und bis zu einem gewissen Grad der CDU. Wagenknecht selbst sieht ihre Partei nach eigenen Worten als „seriöse Adresse“ für Wählerinnen und Wähler der AfD.

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    Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas weist auf die vielen Unzufriedenen an den politischen Rändern hin. Eine Wählerschaft, die inhaltlich „nicht zwingend auf der rechten Seite gebunden“ sei, könnte sich demnach für das BSW entscheiden.
    Faas hält es allerdings für fraglich, ob es gelingen wird, flächendeckend 16 schlagkräftige Landesverbände aufzustellen. Auch die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele zweifelt grundsätzlich an einem Erfolg des Wagenknecht-Projekts. Das BSW sei ein „Blumenstrauß, der von links nach rechts reicht“. Wählerinnen und Wähler würden aber eher das Original wählen als die Kopie.

    Wie könnte sich die deutsche Parteienlandschaft verändern?

    Grundsätzlich könnte es künftig mit einer neuen Partei noch schwieriger werden, Mehrheiten für eine Regierungsbildung zu finden, sagt der Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Auch die Parteienforscherin Sarah Wagner sieht hier Potenzial für Konflikte. Es sei damit zu rechnen, dass sich zukünftig drei, vier oder sogar noch mehr Parteien auf ein Regierungsprogramm einigen müssten. Das könne dann auch zu steigendem Frust bei den Wählerinnen und Wählern führen - weil die einzelnen Parteien ihre Forderungen in einer Koalition mit vielen Partnern schwerer durchsetzen können.
    Es sei noch völlig unklar, welche Parteien überhaupt zu einer Koalition mit dem BSW bereit seien, sagt Wagner. Wagenknecht selbst meint, dass ihre Partei das Potenzial hat, das bundesdeutsche Parteienspektrum und die Politik „grundlegend zu verändern“. Das sieht auch Wagenknechts Ehemann, der frühere SPD- und Linkenpolitiker Oskar Lafontaine, so. Deutschland benötige eine neue politische Kraft, zu der die Menschen Vertrauen fassen könnten, sagte er im Deutschlandfunk.
    Wagenknecht strebt Regierungsbeteiligungen an und kann sich nach eigener Aussage Koalitionen mit der Linken oder der SPD vorstellen. Die Grünen bezeichnet sie hingegen als „gefährlichste Partei“ im Bundestag – hier ist eine Zusammenarbeit für Wagenknecht offenbar nicht denkbar. Auch eine Koalition mit der AfD hat sie bereits ausgeschlossen.

    pto / ahe