Berlin
Wagenknecht tritt aus der Linkspartei aus und stellt Details zur Gründung ihrer eigenen Partei vor

Sahra Wagenknecht hat ihren Austritt aus der Partei "Die Linke" erklärt. Zugleich hat sie in Berlin - wie angekündigt - erste Details zur Gründung ihrer eigenen Partei vorgestellt. Gemeinsam mit Wagenknecht traten neun weitere Abgeordnete aus.

    Berlin: Die Politikerin Sahra Wagenknecht spricht während der Pressekonferenz zur Gründung des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit".
    Gründung des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht" (Soeren Stache/dpa)
    In Deutschland werde seit Jahren an den Wünschen der Mehrheit vorbei regiert, sagte Wagenknecht bei der Vorstellung ihres Projekts in Berlin. Viele Menschen hätten das Vertrauen in den Staat verloren. Deshalb habe man sich entschlossen, eine neue Partei ins Leben zu rufen.
    Wagenknecht betonte, Deutschland drohe ein Wohlstandsverlust. Oberstes Ziel sei es, eine neue Wirtschaftspolitik der Vernunft zu etablieren. Außerdem brauche es wieder mehr soziale Gerechtigkeit. Zudem müsse man wegkommen von einer ungeregelten Zuwanderung und einem planlosen Öko-Aktivismus.
    Die bisherige Fraktionschefin Mohamed Ali sagte im ZDF, der Kurs des Parteivorstandes habe die Linke in die Bedeutungslosigkeit geführt.

    Mehrere Abgeordnete erklären Parteiaustritt

    Neben Wagenknecht erklärten neun weitere Bundestagsabgeordnete ihren Parteiaustritt, darunter auch Mohamed Ali. Der Vorsitzende der Linksfraktion, Bartsch, nannte die Austritte unverantwortlich und inakzeptabel. Über das weitere Vorgehen werde die Fraktion in großer Ruhe entscheiden, sagte Bartsch in Berlin.
    Er bestätigte, dass die zehn Abgeordneten zwar aus der Partei ausgetreten sind, zugleich aber Mitglied der Fraktion bleiben wollen. Wie das in der Praxis funktionieren könnte, ist noch unklar.

    Wie geht es weiter mit der Linksfraktion?

    Die Linksfraktion hat bislang 38 Abgeordnete. Wenn mehr als zwei von ihnen austreten oder ausgeschlossen werden, verliert die Fraktion laut Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ihren Status und kann nur noch als "Gruppe" weiterarbeiten
    Bartsch hatte gestern bereits gesagt, er rechne mit dem Verlust des Fraktionsstatus für Januar - sollte die neue Wagenknecht-Partei bis dahin tatsächlich gegründet werden. Er verwies zugleich darauf, dass 108 Personen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Fraktion angestellt sind. Sie würden ihren Job verlieren, wenn die Linke den Fraktionsstatus verlöre.

    Gründung einer neuen Partei seit Monaten im Gespräch

    Wagenknecht hatte die Gründung einer neuen Partei schon vor Monaten ins Gespräch gebracht. Vor einigen Wochen ließen ihre Unterstützer bereits einen Verein mit dem Namen "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" offiziell registrieren. Der Verein soll nun die Parteigründung vorbereiten und etwa Spenden einsammeln. Die Vorsitzende ist die bisherige Fraktionschefin Mohamed Ali.

    Linke droht Wagenknecht-Anhängern mit Ausschluss

    Der Co-Parteivorsitzende Schirdewan sagte gestern im ZDF, es sei klar, dass diejenigen, die die sich an der Bildung einer Konkurrenzpartei beteiligten, in der Partei nichts mehr zu suchen hätten und rausflögen. Gegen Wagenknecht selbst laufe schon ein Parteiausschlussverfahren, so Schirdewan.
    Die ARD berichtete unter Berufung auf ein Beschlusspapier, dass der Linken-Vorstand gegen alle Beteiligten des Vereins ein Parteiausschlussverfahren anstrengen will.
    Chef Klingbeil zeigte sich offen für die Aufnahme von Mitgliedern der Linken in seine Partei. Er sagte der "Welt am Sonntag", wer sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität einsetze, sei in der SPD willkommen.

    Umfrage: Ein Viertel der Deutschen könnte sich vorstellen, Wagenknecht-Partei zu wählen

    Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die "Bild am Sonntag" ergab, könnten sich 27 Prozent der Menschen in Deutschland vorstellen, eine neue Wagenknecht-Partei zu wählen. 55 Prozent der Befragten gaben an, eine solche Partei nicht wählen zu wollen, 18 Prozent machten keine Angaben.

    Scharfe Kritikerin der Ukraine-Politik

    Sahra Wagenknecht hat sich in der Vergangenheit als scharfe Kritikerin der Ukraine-Politik der Bundesregierung und der Energiesanktionen gegen Russland positioniert. Sie ist für den Import von günstigem Erdgas und gegen allzu strikte Klimaschutzpolitik. Zudem plädiert sie für eine Begrenzung der Migration. Wagenknecht hatte wiederholt die Grünen als die gefährlichste Partei bezeichnet. Wagenknechts Partei dürfte damit auch der AfD Konkurrenz machen, die zuletzt bei Wahlen und in Umfragen deutlich zugelegt hatte.

    Weiterführende Informationen

    Sahra-Wagenknecht-Partei - Auf der Zielgeraden zur One-Woman-Show
    Diese Nachricht wurde am 23.10.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.