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Wagenknechts "Aufstehen"
"Wer im Aufwind ist, gründet keine Sammlungsbewegung"

Der Soziologe Dieter Rucht erkennt in der linken Sammlungsbewegung "Aufstehen" von Sahra Wagenknecht ein Zeichen von Schwäche. Wer sich innerparteilich durchsetzen könne, gründe keine Bewegung, um Unterstützung aus anderen Parteien zu erhalten, sagte Rucht im Deutschlandfunk.

Dieter Rucht im Gespräch mit Johanna Herzing |
    Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag, beim Bundesparteitag in Leipzigit
    Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat die Sammlungsbewegung "Aufstehen" initiiert, die nach eigenen Angaben in den ersten Tagen bereits rund 50.000 Unterstützer bekommen hat (picture alliance/dpa/Britta Pedersen)
    Es sei ein Zeichen von Schwäche, dass die Bewegung mit dem Titel "Aufstehen" aus einer existierenden und im Parlament vertretenen Partei heraus gegründet werde, so Rucht. "Wenn man selbst im Aufwind ist, und wenn man glaubt, innerhalb der Partei einhellige Unterstützung zu bekommen, dann ist es gar nicht notwendig, zu einer Sammlungsbewegung aufzurufen."
    Im Prinzip könne eine solches Projekt durchaus erfolgreich sein, meint Rucht. Im konkreten Fall werde sie aber auf viele Hürden stoßen. Der Soziologe vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung nennt fünf Bedingungen für den Erfolg von Bewegungen:
    Der Rohstoff sei die Empfindung eines massiven Problems. Dann müsse es Organisatoren geben, die eine Struktur lieferten. Die Zielgruppe müsse das Gefühl der Handlungsnotwendigkeit teilen und den Zeitpunkt für richtig halten. Es müssten angemessene Formen des Ausdrucks und Mitmachens bereitgestellt werden. Und es brauche externe Verstärker, darunter eine große Medienresonanz, Unterstützung etwa von Prominenten, vielleicht auch Skandale im anderen Lager.
    Der Protestforscher Dieter Rucht, aufgenommen am 30.05.2017 in Berlin.
    Seit vielen Jahren erforscht der Soziologe Dieter Rucht soziale Bewegungen und Protestformen (picture alliance / Sophia Kembowski/dpa)
    Keine Lücke im politischen Spektrum
    Der Erfolg der "En Marche"-Bewegung unter Emmanuel Macron in Frankreich sei in Deutschland nicht kopierbar, sagte Rucht. "Gemessen an der französischen Situation sind die Parteien in der Bundesrepublik erstens organisatorisch ziemlich stark, und zweitens ist das Spektrum ziemlich gut abgedeckt." Es gebe keine Lücke im politischen Spektrum, in die eine Bewegung hineinstoßen könne.
    Der Soziologe Rucht glaubt, dass Sahra Wagenknecht langfristig versuchen werde, ihre Sammlungsbewegung in eine eigene Partei umzuwandeln. Er erkenne das daran, dass es keine Versuche gebe, sich den bereits existenten Bewegungen anzunähern, sagte er. Seiner Ansicht nach wird das nicht funktionieren: "Einerseits weil innerhalb der Parteien die Konkurrenz da ist, andererseits, weil es genuin Bewegte gibt, die der Form der Parteien und den Mechanismen, die damit verbunden sind, sehr skeptisch gegenüberstehen."