Wagner-Söldner
Eine feste Größe der russischen Außenpolitik

Die russische Regierung streitet Verbindungen zur Wagner-Gruppe zwar ab, doch die Söldner sind inzwischen eine zentrale Säule bei Militäreinsätzen. Sie übernehmen unterschiedlichste Aufgaben – und gewinnen dabei auch politisch an Einfluss.

05.01.2023
Logo des russischen privaten Sicherheitsunternehmen und Militärunternehmens Wagner
Das Logo des russischen privaten Sicherheits- und Militärunternehmens Wagner (IMAGO / imagebroker / IMAGO / imageBROKER / Siegra Asmoel)
Eigentlich sind private Söldnerfirmen nach dem russischen Gesetz verboten, trotzdem gibt es fast ein Dutzend solcher Unternehmen in Russland. Am bekanntesten ist die Gruppe Wagner. Kämpfer von Wagner sind in etwa 30 Ländern im Einsatz.

Wo werden die Wagner-Söldner eingesetzt?

Ihren ersten Einsatz hatten die Wagner-Söldner im Donbass. Die Truppe wurde 2014 gegründet, um prorussische Kämpfer in der Ostukraine zu unterstützen. Die Söldner halfen dort dabei, lokale Verwaltungen zu erobern, Munitionsdepots zu beschlagnahmen und ganze Städte zu erorbern. Auch bei der Annektion der Krim waren Wagner-Einheiten dabei, ebenso beim Angriff auf die gesamte Ukraine, der seit dem 24. Februar 2022 läuft.
Die Kämpfer der Gruppe Wagner sollten die Schwäche der regulären Streitkräfte kompensieren, sagte der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder am 5.1.2023 im Deutschlandfunk. Die Söldner würden im Häuserkampf, zur Einschüchterung der Bevölkerung, für Sabotageaktionen und beim Kampf gegen ukrainische Partisanen eingesetzt. Nicht zuletzt seien die Söldner wichtig, um die fehlende Kampfmoral in der russischen Armee ausgleichen. Die Wagner-Truppe sei ohne Rücksicht auf Verluste – auch ohne Rücksicht auf eigene Verluste – einsetzbar.

Viele Einsätze in Afrika

Die Einsätze sind aber nicht auf die Ukraine beschränkt: Wagner-Söldner waren inzwischen in rund 30 Ländern aktiv, in denen Russland Krieg führt oder Interessen militärisch verteidigen möchte. Zum Beispiel in Syrien. Während das russische Militär dort den IS aus der Luft bekämpft hat, waren die Wagner-Truppen am Boden im Einsatz.
Ein Großteil der Wagner-Söldner ist auf dem afrikanischen Kontinent im Einsatz: In Mali, Libyen, im Sudan, Südsudan, Tschad, in Mosambik oder der Zentralafrikanischen Republik.
Wie viele Kämpfer Wagner dabei im Einsatz hat, darüber gibt es sehr unterschiedliche Schätzungen. Die US-Regierung geht von Zehntausenden Söldnern alleine in der Ukraine aus. Andere Experten schätzen die Gesamtzahl der Wagner-Truppe auf nur 5.000 Söldner.
Die Wagner-Gruppe rekrutierte zunächst vor allem Männer mit Erfahrung im Geheimdienst oder Militär. Mittlerweile werden aber auch gezielt Strafgefangene angeworben. Wer gegen die Ukraine kämpft, soll dafür seine Haftstrafe erlassen bekommen. In der Anfangszeit seien die militärischen Fähigkeiten der Kämpfer im Durchschnitt gut gewesen, das habe durch neue Rekrutierungen nachgelassen, sagte Heinemann-Grüder.
Die Wagner-Truppe sei nicht nur eine "Mördertruppe", sie biete ein "Gesamt-Portfolio" an, sagte Heinemann-Grüder. So gebe es auch Finanzdienstleistungen, PR-Kampagnen, Trollfabriken und Objektschutz aus dem Hause Wagner. Die Gruppe sei ein Konglomerat aus verschiedenen Unternehmen, die ein Gesamtpaket zur Beeinflussung von Kriegsgeschehen anbiete.

Welche Verbindungen gibt es zur russischen Regierung?

Der Kreml bestreitet Verbindungen zur Wagner-Gruppe. Es gibt aber zahlreiche Indizien für Verbindungen zwischen dem russischen Staat und der Wagner-Gruppe sind allerdings zahlreich. So gibt es beispielsweise ein Video, in dem ein Treffen zwischen einer der Führungspersönlichkeiten der Söldnertruppe, Jewgeni Prigoschin, dem russischen Verteidigungsminister und dem libyschen General Chalifa Haftar dokumentiert ist. Haftar erhält aus Russland diplomatische und militärische Unterstützung im Kampf um die Zukunft des ölreichen nordafrikanischen Staates. "Wenn es dort russische Staatsbürger geben sollte, vertreten sie nicht die Interessen des russischen Staates und sie erhalten vom russischen Staat kein Geld", antwortete Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz auf eine Frage des Deutschlandfunks.
Die Kämpfer der Wagner-Gruppe treten in Einsätzen ohne Hoheitsabzeichen auf. So auch bei ihren Einsätzen im Donbass und auf der Krim. Der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder sieht darin eine klare Strategie: "Die Abstreitbarkeit der direkten Beteiligung war ein zentrales Ziel", sagte er am 5.1.2023 im Deutschlandfunk. Russland habe darüber völkerrechtliche Verpflichtungen ignoriert und eine Kriegsführung genutzt, die nicht mit der Genfer-Konvention im Einklang stehe.
Dabei ist die Nähe zwischen Wagner und dem russischen Staat offensichtlich. Es gibt Hinweise, dass Söldner auf einem Geländes des Militärnachrichtendienstes ausgebildet werden und außerdem von diesem ausgestattet werden. Belegt ist außerdem, dass der russische Staat nicht auf Kriegsverbrechen reagiert, die von russischen Staatsbürgern im Dienste der Wagner-Gruppe begangen wurden. Das russische Staatsfernsehen hat 2016 sogar über – Zitat – „geheime Helden“ berichtet, die in Syrien gegen Terroristen kämpften. Der Film ließ offen, ob es sich um reguläre russische Soldaten oder um Kämpfer einer Privatarmee handelte.
Unabhängig überprüfbare Informationen über die Wagner-Gruppe und deren Verbindungen zum russischen Staat zu bekommen, ist schwierig. Als ein Team der ehemaligen unabhängigen russischen Zeitung "Nowaja Gaseta" in der Zentralafrikanischen Republik zu Einsätzen von russischen Männern recherchieren wollte, sind dabei drei Journalisten umgekommen. Auch Angehörige der Kämpfer wissen oft nichts genaueres über die Einsätze der Männer – oder schweigen darüber.

Politologe: Wagner ist dabei, den Staat zu kapern

Heinemann-Grüder sieht in der Wagner-Gruppe auch ein Risiko für den russischen Staat. Wagner habe Parallelstrukturen, die konkurrenzfähig zum offiziellen Militär seien. Das Militär nutze die Wagner-Truppen einerseits gerne, stehe ihnen aber auch mit Skepsis gegenüber. Die Wagner-Truppen hätten über ihre hohe Bedeutung inzwischen auch politisch starken Einfluss gewonnen. Wagner sei dabei, den russischen Staat in Teilen zu kapern. Das Unternehmen dränge darüber unter anderem auf eine noch härtere Kriegsführung.

Wie finanzieren sich die Söldner?

Wie sich die Truppe genau finanziert, darüber gibt es keine gesicherten Informationen. 100 Millionen US-Dollar gibt die Wagner-Gruppe nach Einschätzungen der USA aktuell pro Monat für die Kämpfe in der Ukraine aus. Nach Ansicht von Heinemann-Grüder erhält Wagner Teile dieses Geldes aus dem regulären russischen Staatshaushalt, das werde darin aber verschleiert.
Wagner verdiene zudem über seine Aktivitäten Geld. Wagner beute Goldminen aus, vertreibe Edelhölzer und mische auch bei der Kommerzialisierung von Erdölfeldern mit. Zudem plünderten Wagner-Söldner in ihren Einsatzgebieten.

Welche Kriegsverbrechen werden der Wagner-Gruppe vorgeworfen?

Wagner-Söldner sollen unter anderem in der Zentralafrikanischen Republik zusammen mit Regierungstruppen gemordet haben. Ein Augenzeuge hat der ARD einen Übergriff auf eine Bergarbeitersiedlung geschildert: "Als die Soldaten der Wagner-Gruppe ankamen, begannen sie mit Übergriffen, Tötungen und Plünderungen, wir haben Angst gehabt. Viele fielen ihnen zu Opfer. Es gab Entführungen in den späten Nachtstunden, dann kamen sie zurück, um die Menschen auf offener Straße hinzurichten." Berichte deuten auf weitere Kriegsverbrechen bei Einsätzen in afrikanischen Staaten hin.
Auch beim Einsatz in Syrien kam es zu Kriegsverbrechen durch die Söldner. Ein Video aus dem Jahr 2016 oder 2017 zeigt, wie ein Kämpfer des IS getreten und mit Werkzeugen geschlagen wird. Er stirbt dabei. Seine Peiniger hängen ihn an den Beinen auf und zünden den Leichnam an. Söldner der Wagner-Truppe stehen neben dem Körper und lächeln in die Kamera. Die damals noch aktive unabhängige russische Zeitung "Nowaja Gaseta" hat einen der Täter über aufwendige Recherchen identifiziert. Die Journalisten haben den russischen Strafverfolgungsbehörden nach eigenen Angaben die Identität des Täters angeboten, zu einem Prozess kam es aber nicht.
Wagner-Söldner sollen zudem auch an den Massakern im ukrainischen Butcha beteiligt gewesen sein.

Woher die Wagner-Gruppe ihren Namen hat und wer sie leitet

Als Gründer der Truppe sind zwei Männer bekannt: Dmitri Utkin und Jewgeni Prigoschin. Utkin ist ein ehemaliger Geheimdienstler, 2016 wurde er in Russland als Held des Vaterlandes geehrt. Er soll eine Vorliebe für den deutschen Komponisten Richard Wagner haben und nach ihm auch die Söldner-Armee benannt haben.
Prigoschin trägt den Spitznamen "Putins-Koch", sein Catering-Unternehmen hat in der Vergangenheit Schulen, Kindergärten und auch die russische Armee versorgt. Seine Verbindungen zu Wagner hat Prigoschin erst im Herbst 2022 öffentlich gemacht, davor war über seine Rolle aber schon spekuliert worden.

Wie könnte man gegen die Wagner-Gruppe vorgehen?

Die bekannten Leute der Wagner-Gruppe seien bereits auf den Sanktionslisten des Westens. Man müsse aber auch alle Kämpfer der Truppe als Terroristen behandeln, auch wenn sie außerhalb der Ukraine tätig seien, sagte der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder am 5.1.2023 im Deutschlandfunk. Man müsse die Kriegsverbrechen zudem dokumentieren und ein Sondertribunal vorbereiten. Dazu sei es auch auch nötig, Geheimdiensterkenntnisse verschiedener Länder zusammenzuführen.
Außerdem müsse man die Geschäfte der Wagner-Gruppe hemmen. Wagner tätige international Finanztransaktionen, teilweise über Kryptowährungen. Hier müsse man Kontrolle ausüben.
Quellen: Annabell Brockhues, Thielko Grieß, Frederik Rother, Gesine Dornblüth, pto