Unsere Endzeit quillt schon vor dem ersten, zu lauten Ton von Wagners Weltanfangsmusik unter dem schwarzen Zwischenvorhang von der Bühne Stefan Brandtmayrs hervor: Plastikmüll. Im Müll auch Metallfolie, die sich zunächst anheimelnd wasserblau ausleuchten lässt; später auch mal rot beim Feuer-Dominator Loge, dann golden im Welt-Gold-Zentrum Nibelheim. Weiterhin wenig Bühnenteile: eine grüne Gewächswand signalisiert einen Rest Natur hinter den Rheintöchtern; der trockene Bühnenboden steht für "Wasserknappheit", weswegen diese drei kessen, verführerisch klingenden Sex-Schlampen auch nur noch in großen Plastikboxen planschen;
Alberich überschüttet sich beim Raub mit Goldfarbe. Auf ein paar Ledersesseln samt Couch, umgeben von Plastik und Grünresten, warten die sich wie heutiges Promi-Gelichter "göttlich" gebenden "Licht-Alben" auf ihr neues Domizil: am Ende eine Neon-Glitzerstab-Fassade im Hintergrund. Zum Abstieg zu Triaden-Boss Alberich fahren die ebenfalls passend ausgeleuchteten Plastikvorhänge an den Seiten nach oben. Das Maschinengetöse Nibelheims wird von einer an die berühmten Tonnen-Trommler von "Stomp!" erinnernden, düsteren Truppe live geschlagen und aus der Versenkung steigt ein Herrschaftsgeviert hoch. Wie das "Goldfinger"-Girl sind alle Arbeitssklaven golden lackiert, tragen anonymisierende ABC-Masken und streichen die Fassaden golden.
Alberich hat auf einem goldenen Drehstuhl alles im Blick - er scheint mehr zu raffen als unsere aktuellen "Banker" mit ihren durchschnittlichen 1,9 Millionen pro Jahr. Rüde Gewalt durchzieht fast alle Szenen: den Umgang und Sex mit allen Frauen; Alberich wird gefoltert und gibt nach "Water-boarding" klein bei; Fafner sticht Fasolt brutal nieder und wirft cool das Messer weg, ehe er Goldkanister auftürmt und davonschleppt. Riesen? Zwei heutige Baufirma-Oligarchen aus Eurasien.
Regisseur Georg Schmiedleitner beschwört ein "Hier, Heute und Morgen", denn der in den letzten zwei Krisen fundamental kritisierte Turbo-Kapitalismus macht ja derzeit und morgen genauso weiter wie schon 1851, als Wagner die "Ring"-Dichtung schrieb. Schmiedleitner erntete die einzigen Buhs am Ende – völlig unverdient, denn er entlarvt das wahre Wesen dieser mythisch germanisch kostümierten Figuren für unsere Zeit. Alberich will als gieriger Proll ein "dolles Schnäppchen" in seine goldene Plastiktüte packen. Er wird von den drei bestechend singenden Rheintöchtern sexuell böse gedemütigt:
Sichtbar reift in diesem Alberich der Liebesverzicht und Aufstieg zum gewalttätigen Triaden-Boss im Smoking, dem Wotan den Herrschaftsring vom Finger schneidet – Antonio Yang mit wuchtigem, herrlich "bösem" Bass wird zur Zentralfigur des Abends. In einem Höhepunkt von Schmiedleitners durchweg feinzeichnender Personenregie steht er mit Wotan Rücken an Rücken: wie zwei Seiten der gleichen Medaille. "Rheingold" als unerfreulich brutale, leider aktuelle "Action" von heute, in deren Anfang schon das Ende düster droht.
Dazu passte das klare, oft etwas laute Dirigat von Marcus Bosch, dem mehr Nuancen zuwachsen sollten. Gesungen wurde von einem beeindruckenden Hausensemble durchweg gut ((, sodass der Gast-Wotan Egils Silins nicht herausstach. Alle überragte der sich als Dandy stilisierende, schmierige Winkeladvokat Loge von Vincent Wolfsteiner mit oft gleißendem Tenor – einer dieser üblen Drahtzieher von heute, die am Ende meist profitieren.)) Mit dieser "Ring"-Eröffnung bezieht Nürnberg entschiedener und anklagend aggressiver Stellung als das Bayreuth des Festspielsommers.