Eigentlich ist es eine Ausstellung über die Wahrnehmung eines Künstlers, ein suchender Exkurs in das Räderwerk und die vertrackten Funktionsmechanismen eines Bewusstseins, die schrägen Überblendungen, mit denen einer die vorgefundene Realität überzieht, wie er das Dunkel seiner Vorurteile mit idealen Wunschvorstellungen erhellt, wie er manches vollkommen ausblendet und wie das ganze Programm schließlich auch zwielichtig wird. Wagner, Nürnberg, Meistersinger, so ist die neue Schau im Germanischen Nationalmuseum betitelt.
In zwei wohl nicht zufällig abgedunkelten, kabinettartigen Räumen, versteckt tief im Inneren des komplex gestalteten Museumskörpers, geht die Schau mit Hilfe von Dokumenten und Veduten auf Spurensuche nach Richard Wagners Verhältnis zur Realität, zum Diptychon von Dichtung und Wahrheit und unternimmt mithilfe der Beziehung, die der Komponist zur Stadt Nürnberg unterhielt einen aufschlussreichen Blick auf die Divergenzen, die sich abgründig auftun zwischen dem realen Nürnberg der Wagnerzeit und dem Bild, das der Komponist in seinem Werk daraus machte.
Die Schau zeigt, es waren ebenso glasklare wie realitätsferne Inszenierungen eines Ideals, eines Traums von der Vergangenheit, bei dem die Realität eine untergeordnete Rolle spielte. Es war das Nürnberg der verwinkelten Gassen, der Butzenscheiben, der windschiefen Häuser, ein Bild der Verklärung, das zur Bühne von Wagners Ideen, romantischen und pseudoromantischen Phantasien und Blendwerken wurde. Mit kürettiert hat die Ausstellung der Musikwissenschaftler Markus Zapf.
"Die zentrale Botschaft dieser Ausstellung ist, dass Richard Wagner in Nürnberg nicht jenen Ort fand, den er in den 'Meistersingern' sehr wortgewandt und sehr ausführlich darstellt, sondern dass er hier eine andere Struktur fand, von der er sich die Teile rauspickte, die in sein Nürnberg- und sein mittelalterliches Bild sich gut einfügen ließen und die er zu nem großen romantischen Opernspektakel zusammenbauen konnte."
Insgesamt neunmal hat Richard Wagner die Stadt Nürnberg besucht, die Ausstellung konzentriert sich dabei auf die zwei Besuche von 1835 und 1861. Der erste Aufenthalt gilt dem Besuch seiner Schwester Clara und dem Schwager Wolfram. Wagner, als Magdeburger Kapellmeister zu der Zeit noch ein weitgehend Unbekannter, ist auf der Suche nach Inspiration und nach Stimmen. Die Stimme findet er auf der Nürnberger Bühne, die dramatische Heroine Wilhelmine Schroeder-Devrient wird später als "Superstar" in zentralen Rollen bei seinen Uraufführungen von "Rienzi", dem "Fliegenden Holländer" und "Tannhäuser" glänzen. Der Inspiration muss etwas nachgeholfen werden. Nürnberg ist zu dieser Zeit eine aufstrebende Industriestadt, immerhin die erste Eisenbahnstrecke in Deutschland von Nürnberg nach Fürth ist im Bau befindlich. In seinen Aufzeichnungen geht Wagner auf dieses Großereignis jedoch mit keiner Silbe ein. Ganz klar, die Moderne interessiert ihn nicht.
"In seinem zweiten Besuchsjahr 1861 war kurz vor seinem Besuch das große deutsche Sängerfest in Nürnberg gewesen und die Auswirkungen waren in der Stadt allenthalben noch sehbar zu spüren, sicherlich auch zu erleben. Und auch hierzu schreibt er in seinen Aufzeichnungen kein Wort, also, man kann davon ausgehen auch der Besuch im Museum ist in diesem Kontext zusehen, dass er sich bewusst die einzelnen Bildelemente seiner Oper hier zusammengesucht hat und das reale Nürnberg des 19. Jahrhunderts, die aufstrebende Industriestadt mehr oder weniger bewusst ausgeblendet."
Auch waren die Nürnberg-Besuche keineswegs zufällig oder erzwungen, wie Wagner später behauptete. Obsessiv, traditionssüchtig zieht es ihn gezielt in die verwinkelten Gassen hinter den weiträumigen Prachtstraßen der Stadt, er besucht das baufällige Hans-Sachs-Haus, nimmt eine belanglose kleine Kneipenprügelei (wohl in der Hauensteinischen Wirtschaft) zum Anlass darüber zu fabulieren, hier hätten "mehrere Hundert Personen" sich förmlich eine Schlacht geliefert, eine "Lüge", eine Phantasmagorie, die er später bekanntlich als die groß angelegte Prügelszene in den "Meistersingern" auf die Bühne bringen wird. Zwar hatte Wagner eine ausführliche Erzählung der Handlung der "Meistersinger" in der "Mitteilung an meine Freunde" bereits im Jahr 1851 formuliert, die Fertigstellung der Dichtung fand unmittelbar nach seinem Nürnberger Besuch 1861 statt. Bei diesem zweiten Besuch übrigens durchwandert er mit seiner späteren Stieftochter Blandine auch das Germanische Nationalmuseum. Als besonders faszinierend hält der Musiker in seinen Notizen später nicht etwa die kostbaren Diatonischen Harfen fest oder den Blockflötensatz, sondern die mittelalterlichen Folterinstrumente, die Schandmaske, die Zwickzange, ein zweifellos eigentümlicher Scheuklappenblick für einen sensiblen Künstler.
Das Prunkstück der Schau aber ist die Originalpartitur der "Meistersinger". Als lose Blattsammlung verfertigt, zeigt sie die exakt und wie gestochen saubere Handschrift des Komponisten, die Wagner 1867, also noch ein Jahr vor der Münchner Uraufführung, seinem Gönner Ludwig II. als Weihnachtsgeschenk vermachen wird und die später durch Schenkung der Wittelsbacher Eigentümer in den Besitz des Germanischen Nationalmuseums gelangt. Auf fünf Millionen Euro dürfte sich deren Wert heute belaufen, eine kunstvolle kostbare Reinschrift, genährt aus Vorurteil, Verdrängung und Genie.
Weiterführende Informationen zur Ausstellung auf der Homepage des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg
In zwei wohl nicht zufällig abgedunkelten, kabinettartigen Räumen, versteckt tief im Inneren des komplex gestalteten Museumskörpers, geht die Schau mit Hilfe von Dokumenten und Veduten auf Spurensuche nach Richard Wagners Verhältnis zur Realität, zum Diptychon von Dichtung und Wahrheit und unternimmt mithilfe der Beziehung, die der Komponist zur Stadt Nürnberg unterhielt einen aufschlussreichen Blick auf die Divergenzen, die sich abgründig auftun zwischen dem realen Nürnberg der Wagnerzeit und dem Bild, das der Komponist in seinem Werk daraus machte.
Die Schau zeigt, es waren ebenso glasklare wie realitätsferne Inszenierungen eines Ideals, eines Traums von der Vergangenheit, bei dem die Realität eine untergeordnete Rolle spielte. Es war das Nürnberg der verwinkelten Gassen, der Butzenscheiben, der windschiefen Häuser, ein Bild der Verklärung, das zur Bühne von Wagners Ideen, romantischen und pseudoromantischen Phantasien und Blendwerken wurde. Mit kürettiert hat die Ausstellung der Musikwissenschaftler Markus Zapf.
"Die zentrale Botschaft dieser Ausstellung ist, dass Richard Wagner in Nürnberg nicht jenen Ort fand, den er in den 'Meistersingern' sehr wortgewandt und sehr ausführlich darstellt, sondern dass er hier eine andere Struktur fand, von der er sich die Teile rauspickte, die in sein Nürnberg- und sein mittelalterliches Bild sich gut einfügen ließen und die er zu nem großen romantischen Opernspektakel zusammenbauen konnte."
Insgesamt neunmal hat Richard Wagner die Stadt Nürnberg besucht, die Ausstellung konzentriert sich dabei auf die zwei Besuche von 1835 und 1861. Der erste Aufenthalt gilt dem Besuch seiner Schwester Clara und dem Schwager Wolfram. Wagner, als Magdeburger Kapellmeister zu der Zeit noch ein weitgehend Unbekannter, ist auf der Suche nach Inspiration und nach Stimmen. Die Stimme findet er auf der Nürnberger Bühne, die dramatische Heroine Wilhelmine Schroeder-Devrient wird später als "Superstar" in zentralen Rollen bei seinen Uraufführungen von "Rienzi", dem "Fliegenden Holländer" und "Tannhäuser" glänzen. Der Inspiration muss etwas nachgeholfen werden. Nürnberg ist zu dieser Zeit eine aufstrebende Industriestadt, immerhin die erste Eisenbahnstrecke in Deutschland von Nürnberg nach Fürth ist im Bau befindlich. In seinen Aufzeichnungen geht Wagner auf dieses Großereignis jedoch mit keiner Silbe ein. Ganz klar, die Moderne interessiert ihn nicht.
"In seinem zweiten Besuchsjahr 1861 war kurz vor seinem Besuch das große deutsche Sängerfest in Nürnberg gewesen und die Auswirkungen waren in der Stadt allenthalben noch sehbar zu spüren, sicherlich auch zu erleben. Und auch hierzu schreibt er in seinen Aufzeichnungen kein Wort, also, man kann davon ausgehen auch der Besuch im Museum ist in diesem Kontext zusehen, dass er sich bewusst die einzelnen Bildelemente seiner Oper hier zusammengesucht hat und das reale Nürnberg des 19. Jahrhunderts, die aufstrebende Industriestadt mehr oder weniger bewusst ausgeblendet."
Auch waren die Nürnberg-Besuche keineswegs zufällig oder erzwungen, wie Wagner später behauptete. Obsessiv, traditionssüchtig zieht es ihn gezielt in die verwinkelten Gassen hinter den weiträumigen Prachtstraßen der Stadt, er besucht das baufällige Hans-Sachs-Haus, nimmt eine belanglose kleine Kneipenprügelei (wohl in der Hauensteinischen Wirtschaft) zum Anlass darüber zu fabulieren, hier hätten "mehrere Hundert Personen" sich förmlich eine Schlacht geliefert, eine "Lüge", eine Phantasmagorie, die er später bekanntlich als die groß angelegte Prügelszene in den "Meistersingern" auf die Bühne bringen wird. Zwar hatte Wagner eine ausführliche Erzählung der Handlung der "Meistersinger" in der "Mitteilung an meine Freunde" bereits im Jahr 1851 formuliert, die Fertigstellung der Dichtung fand unmittelbar nach seinem Nürnberger Besuch 1861 statt. Bei diesem zweiten Besuch übrigens durchwandert er mit seiner späteren Stieftochter Blandine auch das Germanische Nationalmuseum. Als besonders faszinierend hält der Musiker in seinen Notizen später nicht etwa die kostbaren Diatonischen Harfen fest oder den Blockflötensatz, sondern die mittelalterlichen Folterinstrumente, die Schandmaske, die Zwickzange, ein zweifellos eigentümlicher Scheuklappenblick für einen sensiblen Künstler.
Das Prunkstück der Schau aber ist die Originalpartitur der "Meistersinger". Als lose Blattsammlung verfertigt, zeigt sie die exakt und wie gestochen saubere Handschrift des Komponisten, die Wagner 1867, also noch ein Jahr vor der Münchner Uraufführung, seinem Gönner Ludwig II. als Weihnachtsgeschenk vermachen wird und die später durch Schenkung der Wittelsbacher Eigentümer in den Besitz des Germanischen Nationalmuseums gelangt. Auf fünf Millionen Euro dürfte sich deren Wert heute belaufen, eine kunstvolle kostbare Reinschrift, genährt aus Vorurteil, Verdrängung und Genie.
Weiterführende Informationen zur Ausstellung auf der Homepage des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg