Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. 2,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren können abstimmen. Die AfD, die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, liegt jüngsten Umfragen zufolge auf Platz eins. Allerdings trennen sie nur noch wenige Prozentpunkte von der SPD - manchen Umfragen zufolge sogar nur noch ein Prozentpunkt.
Die große Frage, die sich also stellt: Kann die SPD wieder – wie bisher immer seit 1990 – die stärkste Partei werden? Bereits bei der letzten Landtagswahl 2019 gelang der SPD eine Aufholjagd: Drei Wochen vor der Wahl stand die SPD noch auf Platz drei. Am Ende haben die Sozialdemokraten alle überholt und 26,2 Prozent der Stimmen errungen.
Derzeit regiert im Land eine von der SPD angeführte rot-schwarz-grüne Koalition unter Ministerpräsident Dietmar Woidke.
Wer sind die Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl in Brandenburg?
Dietmar Woidke (SPD)
Die SPD hat in Brandenburg traditionell einen großen Rückhalt: Seit 1990 haben mit Manfred Stolpe, Matthias Platzeck und jetzt Dietmar Woidke nur Sozialdemokraten die Landesregierung in Potsdam geführt. Der gebürtige Lausitzer Woidke ist seit elf Jahren Ministerpräsident in Brandenburg. Der 62-Jährige wurde im November mit dem Rekordergebnis von 90,8 Prozent der Delegiertenstimmen auch als Landesvorsitzender der märkischen SPD wiedergewählt. Auch in Wählerumfragen erhält der Ministerpräsident hohe Zustimmungswerte. Deswegen wurde der Wahlkampf auch komplett auf Woidke ausgerichtet – inklusive Woidke-Playlist und Woidke-Magazin. Auf Unterstützung durch Bundespolitiker wie Kanzler Olaf Scholz verzichteten die Sozialdemokraten in Brandenburg dagegen.
Der Ministerpräsident setzt im Wahlkampf alles auf eine Karte: Entweder gewinnt seine SPD – oder er tritt ab. Er positioniert sich als entschiedener Gegner der AfD und warnt vor einer weiteren Stärkung rechtsextremer Kräfte in Brandenburg.
Unerwartete Unterstützung erhält Woidke im Wahlkampf durch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der CDU-Politiker ruft dazu auf, in Brandenburg die SPD zu wählen und damit die AfD als stärkste Kraft zu verhindern.
Jan Redmann (CDU)
Jan Redmann ist seit 2023 Vorsitzender der Brandenburger CDU. Der aus Wittstock in der Prignitz stammende Redmann hat die lange zerstrittene märkische Union geeint, die bei der letzten Landtagswahl 2019 mit 15,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis der Parteigeschichte eingefahren hat. Aber auch bei den Landtagswahlen zuvor gelang es der CDU nie, an die Zustimmungswerte der SPD heranzukommen.
Auf seiner Wahlkampftour setzt der Jurist Jan Redmann auf Themen wie innere Sicherheit, auf Grenzkontrollen zu Polen, die Stärkung der Wirtschaft und strebt einen Bürokratieabbau an. Zuwanderung und Migration solle man auf die Menschen konzentrieren, die wirklich schutzbedürftig sind, fordert er - und spricht sich für eine Obergrenze von jährlich 60.000 Geflüchteten aus.
Im Juli wurde Redmann mit 1,3 Promille auf einem E-Scooter erwischt. Der CDU-Politiker hat den Vorfall selbst öffentlich gemacht. Das Amtsgericht Potsdam hat im August gegen ihn eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 8000 Euro festgesetzt. Zudem wird ihm für weitere sechs Monate der Führerschein entzogen.
Hans-Christoph Berndt (AfD)
Hans-Christoph Berndt ist einer der bundesweit weniger bekannten Akteure in der AfD. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Brandenburg stuft den 68-Jährigen als Rechtsextremisten ein. Berndt ist seit 2018 AfD-Mitglied sowie Gründer und Sprecher des Vereins „Zukunft Heimat“, der mit seinen laut Landesverfassungsschutz rassistischen, antisemitischen sowie islam- und fremdenfeindlichen Thesen bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Berndt ist eng verknüpft mit neurechten Organisationen und Vereinigungen wie dem Magazin „Compact“ von Jürgen Elsässer oder Götz Kubitschek vom Antaios-Verlag im sachsen-anhaltischen Schnellroda.
Im Wahlkampf setzt Berndt auf Themen wie Migration und innere Sicherheit, polemisiert gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und kritisiert bis heute die Corona-Maßnahmen des Bundes und im Land.
Robert Crumbach (BSW)
Der Arbeitsrichter Robert Crumbach wurde Ende Mai zum Landesvorsitzenden des BSW gewählt. In der brandenburgischen Öffentlichkeit ist er so gut wie unbekannt. 40 Jahre lang war er Mitglied der SPD, von der er sich entfremdet habe, wie er sagt. Den inhaltlichen Schwerpunkt legt Crumbach auf die Themen Frieden und höhere Löhne und wendet sich gegen eine, wie es heißt, „unkontrollierte Migration“. Der verabredete Kohleausstieg 2038 wird infrage gestellt. Crumbachs lange Mitgliedschaft in der SPD spricht eher dafür, dass Sozialdemokraten und BSW in einer Koalition gut zusammenarbeiten könnten. Einem möglichen Bündnis mit der AfD erteilt Crumbach eine Absage.
Antje Töpfer/Benjamin Raschke (Grüne)
Der studierte Politologe Benjamin Raschke ist seit 2019 Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag. An seiner Seite steht Antje Töpfer, die politisch so gut wie unbekannt ist. Sie ist Staatssekretärin im grün geführten Brandenburger Gesundheitsministerium. Die Grünen setzen sich auch in Brandenburg vor allem für Umwelt- und Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit ein.
Péter Vida (BVB/Freie Wähler)
Péter Vida ist Jurist und Fraktionsvorsitzender von BVB/Freie Wähler in Brandenburg. Die Abkürzung BVB steht für „Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen“. Von 2002 bis 2005 war Vida CDU-Mitglied. Unter dem Dach der Wählergemeinschaft BVB/Freie Wähler in Brandenburg sind nach Abgaben Vidas aktuell 160 Wählergruppen versammelt. Die Freien Wähler sind als eine Anti-Establishment-Partei zu verstehen. Sie vertreten kommunale Interessen. Aktuell müssen die Freien Wähler um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, der ihnen 2019 gelang.
Sebastian Walter (Linke)
Der 34-jährige Gewerkschafter gilt als Pragmatiker. Seine Schwerpunkte setzt Walter bei den Themen soziale Gerechtigkeit, faire Löhne und menschenwürdige Migrationspolitik. Das BSW nennt er eine rechte Partei, hinsichtlich der Asylpolitik gebe es kaum Unterschiede zur AfD. Er wirft dem BSW vor, große Teile des Wahlprogramms von den Linken abgeschrieben zu haben. Laut Umfragen kämpft die Partei mit der Fünfprozenthürde.
Wie sehen die aktuellen Umfragen zur Landtagswahl in Brandenburg aus?
Vor den Landtagswahlen liegt die Brandenburger AfD in der letzten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen (Stand: 19.9.2024) mit 28 Prozent nur einen Prozentpunkt vor der SPD (27 Prozent). Die CDU kommt mit reichlich Abstand auf Platz drei mit 14 Prozent, fast gleichauf das BSW mit 13 Prozent.
Die Grünen kämen der Umfrage zufolge auf 4,5 Prozent, die Linkspartei auf 4 Prozent. Vor fünf Jahren hatte Die Linke noch 10,7 Prozent der Stimmen geholt, die Grünen 10,8 Prozent. Nun müssen sie um den Einzug ins Parlament bangen. Die Freien Wähler würden der Umfrage zufolge 3,5 Prozent erhalten – und ebenfalls nicht in den Landtag ziehen.
Aber den drei kleineren Parteien bleibt ein Schlupfloch, eine ungewöhnliche Grundmandatsklausel im brandenburgischen Wahlrecht. Sie könnten sich den Wiedereinzug in den Landtag über ein Direktmandat sichern. Denn ein einziges Direktmandat reicht aus, und die jeweilige Partei darf so viele Abgeordnete entsenden, wie ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zusteht.
Die Umfrageergebnisse zeigen: Das traditionelle Parteiensystem zerfällt zunehmend, ähnlich wie bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen. Würde jedoch der Regierungschef Dietmar Woidke direkt gewählt werden, käme er einer Umfrage des ZDF-Politbarometers zufolge (Stand: 13.9.2024) auf Zustimmungswerte von 55 Prozent. Sein Konkurrent von der AfD, Hans-Christoph Berndt, käme auf sieben Prozent.
Welche Koalitionen sind denkbar in Brandenburg?
Eine Regierungsbeteiligung der AfD haben alle politischen Konkurrenten ausgeschlossen. Deswegen wird die SPD mit großer Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit haben, den Regierungschef zu stellen. Sollten die Sozialdemokraten stärkste Kraft werden, würde Woidke im Amt bleiben – und müsste ein Regierungsbündnis schmieden. Sollte die Partei schlechter als die AfD abschneiden, würde Woidke sein Amt für andere SPD-Politikerinnen oder -Politiker räumen. Im Gespräch sind dabei beispielsweise die brandenburgische Finanzministerin Katrin Lange, die Kulturministerin Manja Schüle oder der Bürgermeister von Cottbus Tobias Schick.
Eine Zweierkoalition aus SPD und CDU könnte den Umfragen zufolge nur äußerst knapp eine Mehrheit erhalten. Ob Regierungskonstellationen, bei denen zusätzlich zu der SPD und CDU die Grünen, Die Linke oder die Freien Wähler eingebunden werden, möglich wären: Das ist äußerst ungewiss und hängt unter anderem davon ab, ob es den Parteien überhaupt gelingt, in den Landtag einzuziehen.
Mit der AfD möchte keine der anderen Parteien koalieren. Die Brandenburger AfD ist laut Landesverfassungsschutz ein rechtsextremer Verdachtsfall, sechs ihrer insgesamt 24 Abgeordneten stuft der Landesverfassungsschutz zudem als Rechtsextremisten ein. Auch das BSW lehnt die AfD ab, wiewohl man bei inhaltlichen Anträgen, wenn sie von der AfD kämen, eine Zusammenarbeit nicht kategorisch ausschließen würde.
Als Koalition mit komfortabler Mehrheit könnte ein Bündnis aus SPD, CDU und BSW rechnerisch möglich werden. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke kann sich eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) durchaus vorstellen, was mit der SPD-Vergangenheit des BSW-Spitzenkandidaten Robert Crumbach zusammenhängt. Er war Referent der Brandenburger SPD-Landtagsfraktion sowie Justiziar im Arbeits- und Sozialministerium.
Ob die märkische CDU im Fall der Fälle mit dem BSW zu Gesprächen bereit wäre, ist derzeit schwer vorhersagbar. Aber das BSW könnte zu einem wichtigen Faktor werden bei der Regierungsbildung. Fraglich ist, ob das BSW überhaupt bereit ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
aha, lkn