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Landtagswahl Brandenburg 2024: Was man wissen muss

Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. In den Umfragen führt die AfD, gefolgt von SPD, CDU und BSW. Was bedeutet das für zukünftige Koalitionen und den Ministerpräsidenten Woidke?

Von Christoph D. Richter, Landeskorrespondent Brandenburg |
    Plenarsaal des Brandenburger Landtags
    Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Aktuell regiert in Potsdam Minister Dietmar Woidke (SPD) in einer rot-schwarz-grünen Koalition. (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Soeren Stache)
    Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. 2,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger können abstimmen, sofern sie das 16. Lebensjahr vollendet haben. Brandenburg ist das flächenmäßig größte Bundesland in Ostdeutschland. Derzeit regiert im Land eine von der SPD angeführte rot-schwarz-grüne Koalition. Ministerpräsident ist der Sozialdemokrat Dietmar Woidke.
    Nach aktuellen Umfragen liegt die AfD, die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, mit einem Abstand von vier Prozentpunkten vorn; der Landesverfassungsschutz stuft zudem sechs Brandenburger AfD-Abgeordnete als rechtsextrem ein. Auf Platz zwei folgt in Umfragen die SPD, vor der CDU.

    Die große Frage, die sich stellt: Kann die SPD wieder – wie seit 1990 schon – die stärkste Partei werden und erneut den Ministerpräsidenten stellen? Eine Regierungsbildung könnte wegen des fast sicheren Einzugs des BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) in den Brandenburger Landtag und des möglichen Nicht-Wiedereinzugs von Grünen, Linkspartei und Freien Wählern jedoch kompliziert werden.
    Aber den drei kleineren Parteien bleibt ein Schlupfloch. Durch Erringen eines Direktmandats haben sie die Möglichkeit, wieder in den Landtag einzuziehen. Dann darf die jeweilige Partei so viele Abgeordnete entsenden, wie ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zusteht. Bei bis zu vier Abgeordneten würde man in Brandenburg eine Gruppe stellen, darüber hinaus ist man eine Fraktion mit allen Rechten.

    Inhalt

    Wer sind die Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl in Brandenburg?

    Seit 1990 haben mit Manfred Stolpe, Matthias Platzeck und jetzt Dietmar Woidke nur Sozialdemokraten die Landesregierung in Potsdam geführt. Gelingt es der CDU bei der bevorstehenden Wahl, die SPD zu überholen, um möglicherweise das erste Mal einen Regierungschef in Brandenburg zu stellen? Eine Regierungsbeteiligung der AfD gilt als unwahrscheinlich. Weshalb der Zweitplatzierte – also voraussichtlich die Partei, die hinter der AfD ins Ziel kommt – die Möglichkeit hat, den Regierungschef zu stellen.
    Dietmar Woidke (SPD)
    Der gebürtige Lausitzer Dietmar Woidke ist seit elf Jahren Ministerpräsident in Brandenburg. Der 62-Jährige wurde im November mit dem Rekordergebnis von 90,8 Prozent der Delegiertenstimmen auch als Landesvorsitzender der märkischen SPD wiedergewählt. Woidke sagt, dass mit ihm als Ministerpräsident nur zu rechnen ist, wenn die SPD als stärkste Kraft in den Landtag einzieht. Der Politiker positioniert sich als entschiedener Gegner der AfD und warnt vor einer weiteren Stärkung rechtsextremer Kräfte in Brandenburg.
    Jan Redmann (CDU)
    Jan Redmann ist seit 2023 Vorsitzender der Brandenburger CDU. Der aus Wittstock in der Prignitz stammende Redmann hat die lange zerstrittene märkische Union geeint, die bei der letzten Landtagswahl 2019 mit 15,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis der Parteigeschichte eingefahren hat. Auf seiner Wahlkampftour setzt der Jurist auf innere Sicherheit, Grenzkontrollen zu Polen, die Stärkung der Wirtschaft und strebt einen Bürokratieabbau an. Zuwanderung und Migration solle man auf die Menschen konzentrieren, die wirklich schutzbedürftig sind. Er spricht sich für eine Obergrenze von jährlich 60.000 Geflüchteten aus.
    Im Juli wurde Redmann mit 1,3 Promille auf einem E-Scooter erwischt. Der CDU-Politiker hat den Vorfall selbst öffentlich gemacht. Das Amtsgericht Potsdam hat im August gegen ihn eine Tagessatz-Geldstrafe in Höhe von insgesamt 8000 Euro festgesetzt. Zudem wird ihm für weitere sechs Monate der Führerschein entzogen.
    Hans-Christoph Berndt (AfD)
    Hans-Christoph Berndt ist einer der bundesweit weniger bekannten Akteure in der AfD. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Brandenburg stuft den 68-Jährigen als Rechtsextremisten ein. Berndt ist seit 2018 AfD-Mitglied sowie Gründer und Sprecher des Vereins „Zukunft Heimat“, der mit seinen laut Landesverfassungsschutz rassistischen, antisemitischen sowie islam- und fremdenfeindlichen Thesen bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Berndt ist eng verknüpft mit neurechten Organisationen und Vereinigungen wie dem Magazin „Compact“ von Jürgen Elsässer oder Götz Kubitschek vom Antaios-Verlag im sachsen-anhaltischen Schnellroda.
    Im Wahlkampf setzt Berndt auf Themen wie Migration und innere Sicherheit, polemisiert gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und kritisiert bis heute die Corona-Maßnahmen des Bundes und im Land.
    Robert Crumbach (BSW)
    Der Arbeitsrichter Robert Crumbach wurde Ende Mai zum Landesvorsitzenden des BSW gewählt. In der brandenburgischen Öffentlichkeit ist er so gut wie unbekannt. 40 Jahre lang war er Mitglied der SPD, von der er sich entfremdet habe, wie er sagt. Den inhaltlichen Schwerpunkt legt Crumbach auf die Themen Frieden und höhere Löhne und wendet sich gegen eine, wie es heißt, „unkontrollierte Migration“. Der verabredete Kohleausstieg 2038 wird infrage gestellt. Einem möglichen Bündnis mit der AfD erteilt er eine Absage.
    Antje Töpfer/Benjamin Raschke (Grüne)
    Der studierte Politologe Benjamin Raschke ist seit 2019 Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag. An seiner Seite steht Antje Töpfer, die politisch so gut wie unbekannt ist. Sie ist Staatssekretärin im grün geführten Brandenburger Gesundheitsministerium. Die Grünen setzen sich auch in Brandenburg vor allem für Umwelt- und Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit ein.
    Péter Vida (BVB/Freie Wähler)
    Péter Vida ist Jurist und Fraktionsvorsitzender von BVB/Freie Wähler in Brandenburg. Die Abkürzung BVB steht für „Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen“. Von 2002 bis 2005 war Vida CDU-Mitglied. Unter dem Dach der Wählergemeinschaft BVB/Freie Wähler in Brandenburg sind nach Abgaben Vidas aktuell 160 Wählergruppen versammelt. Die Freien Wähler sind als eine Anti-Establishment-Partei zu verstehen. Sie vertreten kommunale Interessen. Aktuell müssen die Freien Wähler um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, der ihnen 2019 gelang.
    Sebastian Walter (Linke)
    Der 34-jährige Gewerkschafter gilt als Pragmatiker. Seine Schwerpunkte setzt Walter bei den Themen soziale Gerechtigkeit, faire Löhne und menschenwürdige Migrationspolitik. Das BSW nennt er eine rechte Partei, hinsichtlich der Asylpolitik gebe es kaum Unterschiede zur AfD. Er wirft dem BSW vor, große Teile des Wahlprogramms von den Linken abgeschrieben zu haben. Laut Umfragen kämpft die Partei mit der Fünfprozenthürde.
    Wie sehen die aktuellen Umfragen zur Landtagswahl in Brandenburg aus?
    Vor den Landtagswahlen liegt die Brandenburger AfD in der letzten Infratest-dimap-Umfrage (Stand: 5.9.2024) mit 27 Prozent vor der SPD (23 Prozent). Die CDU liegt auf Platz drei mit 18 Prozent, dahinter BSW mit 15 Prozent. Drei Wochen vor der Landtagswahl 2019 stand die SPD noch auf Platz drei. Am Ende haben die Sozialdemokraten alle überholt und 26,2 Prozent der Stimmen errungen.
    Die Grünen kämen aktuell auf fünf, die Linkspartei auf vier Prozent. Vor fünf Jahren hatte die Linke noch 10,7 Prozent der Stimmen geholt, die Grünen 10,8 Prozent. Die Freien Wähler würden mit drei Prozent nicht erneut in den Landtag ziehen.
    Die Umfrageergebnisse zeigen: Das traditionelle Parteiensystem zerfällt zunehmend, ähnlich wie bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen. Würde jedoch der Regierungschef Dietmar Woidke direkt gewählt werden, käme er einer Umfrage von Infratest zufolge (Stand: 8.4.2024) auf Zustimmungswerte von 51 Prozent. Sein Widersacher von der AfD, Hans-Christoph Berndt, käme auf acht Prozent.
    Welche Themen bewegen die Menschen im brandenburgischen Wahlkampf?
    Inhaltlich geht es in Brandenburg stark um das Thema Migration. Darüber hinaus sind die Themen innere Sicherheit, Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum und die Sicherung der bestehenden Krankenhäuser wichtig. Dazu kommen Mobilität und bezahlbare Energie.

    Ampel-Kritik, Rechtsextremismus

    Ein emotional aufgeladenes Thema ist die Bildung und die immer noch knapp 500 fehlenden Lehrer im Land Brandenburg. Die Verfügbarkeit von Wasser, der Umgang mit dem Klimawandel, also mit Heißperioden, die drohenden Waldbrände sind weitere Themen, die die Menschen im Land bewegen.

    Klima und Industrie

    Aber auch die Frage der Ost-Identität treibt die Menschen um. Viele Brandenburger möchten mehr Ostdeutsche in Führungspositionen sehen.

    Unternehmen und Wirtschaft

    Welche Koalitionen sind denkbar in Brandenburg?
    Eine Fortsetzung der von der SPD-geführten Kenia-Koalition kann aktuell ausgeschlossen werden. Derzeit stellt sie in den Umfragen keine Mehrheit. Aber auch wenn sie möglich wäre, ist in der CDU eher eine Abneigung zu spüren, noch mal mit den Grünen zu regieren. Sollte die CDU doch dazu bereit sein, würde die Kenia-Option aktuell auf 43 Sitze von 88 Sitzen kommen. Eine Minderheitsregierung unter Duldung der Linkspartei wäre möglich, insofern das nicht unter den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU fallen würde. Bislang schließt die Partei eine Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei aus.
    Mit der AfD will keine der anderen Parteien koalieren. Die Brandenburger AfD ist laut Landesverfassungsschutz ein rechtsextremer Verdachtsfall, sechs von ihren insgesamt 24 Abgeordneten stuft der Landesverfassungsschutz zudem als Rechtsextremisten ein. Auch das BSW lehnt die AfD ab, wiewohl man bei inhaltlichen Anträgen, wenn sie von der AfD kämen, eine Zusammenarbeit nicht kategorisch ausschließen würde.
    SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke kann sich eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) durchaus vorstellen, was mit der SPD-Vergangenheit des BSW-Spitzenkandidaten Robert Crumbach zusammenhängt. Er war Referent der Brandenburger SPD-Landtagsfraktion sowie Justitiar im Arbeits- und Sozialministerium.
    Ob die märkische CDU im Fall der Fälle mit dem BSW zu Gesprächen bereit sein würde, ist derzeit schwer vorhersagbar. Aber das BSW könnte zu einem wichtigen Faktor werden bei der Regierungsbildung. Fraglich ist, ob das BSW überhaupt bereit ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen.

    aha