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Wahl des CDU-Vorsitzenden
"Schäubles Formulierung ist abwertend für die anderen"

Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz hält die Positionierung von Wolfgang Schäuble für unglücklich: Sich für Friedrich Merz als Parteivorsitzenden auszusprechen, nehme ihm die Neutralität, um die Partei nach der Wahl der CDU-Spitze wieder zu einen. Polenz sagte im Dlf, er wolle am 7.12. für Kramp-Karrenbauer stimmen.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Dirk Müller |
    Ruprecht Polenz in Berlin, im Steigenberger Hotel.
    Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz hat sich für Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende ausgesprochen, da sie "die Profilierung der CDU als Volkspartei der Mitte am besten hinbekommen kann" (imago / Metodi Popow)
    Dirk Müller: Viele in der Partei haben vielleicht Wochen darauf gewartet, oder auch nicht – darauf, dass sich ein führender, einflussreicher Politiker in der CDU klar äußert, klipp und klar sagt, für wen er stimmen wird beim Parteitag in Hamburg. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat es getan: Daniel Günther plädiert für Annegret Kramp-Karrenbauer. Armin Laschet hingegen bleibt nach wie vor bedeckt. Aber nicht so Wolfgang Schäuble. Er ist für Friedrich Merz.
    Also nicht Annegret Kramp-Karrenbauer, also nicht der Jüngste im Bunde, Jens Spahn; Wolfgang Schäuble plädiert für Friedrich Merz. Unser Thema nun mit dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz, viele Jahre lang Generalsekretär seiner Partei. Guten Tag.
    Ruprecht Polenz: Guten Tag, Herr Müller.
    Müller: Herr Polenz, haben Sie dieses Plädoyer gebraucht?
    Polenz: Ich habe es für etwas unglücklich gehalten. Ich hätte es auch für unglücklich gehalten, wenn Herr Schäuble sich für Annegret Kramp-Karrenbauer ausgesprochen hätte, die ich in Hamburg wählen werde, weil sie meines Erachtens die Profilierung der CDU als Volkspartei der Mitte am besten hinbekommen kann, indem sie auch, wie sie gesagt hat, den Flügeln Raum für eigene Profilierung lässt.
    Müller: Und deswegen finden Sie es unglücklich, weil jetzt Friedrich Merz so hoch im Kurs steht bei Wolfgang Schäuble?
    Polenz: Nein, weil ich glaube – und das klang ja auch in dem Kommentar von Herrn Detjen an -, dass es vor allen Dingen darauf ankommt, wie geht es denn nach dem Parteitag weiter. Und wenn ich jetzt höre, dass Anhänger eines Kandidaten möglicherweise dann sogar der Partei den Rücken kehren könnten, dann ist es schon eine große Aufgabe auch der oder des neugewählten CDU-Parteivorsitzenden, die Partei zusammenzuhalten.
    Und da hätte Schäuble natürlich mit seiner Autorität, mit seiner Erfahrenheit gut helfen können. Jetzt sieht es so aus, als habe er Partei ergriffen, und damit ist diese Möglichkeit ein Stück weit eingeschränkt.
    "Das ist unser Hund, der da unten bellt"
    Müller: Er hätte nichts sagen sollen, weil er hinterher gebraucht wird, Wolfgang Schäuble, sagen Sie?
    Polenz: Ja. Er wird hinterher sowieso gebraucht. Aber die Aufgabe, die Partei zusammenzuhalten, der sich dann im Grunde alle stellen müssen, vor allen Dingen auch die unterlegenen Kandidaten, von denen man dann auch einen Beitrag erwartet, da hätte er sich meines Erachtens ohne eine solche Festlegung besser beteiligen können. Und er hat auch als Bundestagspräsident, den die CDU in dieses Amt vorgeschlagen hat, eine prädestinierte Rolle gehabt.
    Müller: Da ist jemand im Hintergrund nicht damit einverstanden, was Sie gerade sagen.
    Polenz: Das ist unser Hund, der da unten bellt. Da kann ich leider nichts dran ändern.
    Müller: Okay, Herr Polenz. Dann wollen wir wieder zur Sache kommen. – Um das noch mal zusammenzufassen: Sie sagen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Wolfgang Schäuble hat sich als Mediator nach der Wahl ein bisschen verbrannt?
    Polenz: Na, das kommt darauf an. Es kann natürlich auch sein – und Schäuble ist ja ein ganz erfahrener Politiker -, dass er vielleicht doch nicht damit rechnet, dass Merz gewinnt, und dass er dann die Anhänger von Merz erst recht ansprechen kann, auch nach dem Motto, ich war ja auch für Merz und ich verhalte mich jetzt loyal zu der oder dem neuen Vorsitzenden, und tut ihr das doch bitte auch. Das könnte natürlich auch sein.
    "Der Streit seit 2015 hat uns massiv geschadet"
    Müller: Dann ist das für Sie offenbar das entscheidende Argument, wie geht es nachher weiter. Das heißt, wer ist integrativ, am besten dazu in der Lage, auch die verschiedenen Flügel-Erwartungen in der CDU zusammenzubringen. Da sagen Sie jetzt bei uns zum ersten Mal – danke für diese klare Aussage -, Annegret Kramp-Karrenbauer favorisieren Sie.
    Aber warum ist das eigentlich so schwer, führende Politiker der Union im Vorfeld dazu zu bekommen, klar Farbe zu bekennen, was in jedem anderen Land vermutlich möglich ist, um einfach das einschätzen zu können? Ist das nicht gut für die Transparenz, für die offene Diskussion in der Partei?
    Polenz: Nein! Ich glaube, was sehr gut gewesen ist, waren die Regionalkonferenzen, die unter großer Beteiligung auch der Öffentlichkeit durchgeführt worden sind. Sie haben gezeigt, wir haben drei hervorragende Kandidaten, die jeder im Grunde für das Amt in Frage kommen. Natürlich in unterschiedlichem Profil; deshalb tut man sich ja auch mit der Wahl nicht so einfach.
    Ich glaube aber in der Analyse der letzten Jahre, dass uns vor allen Dingen der Streit seit 2015 massiv geschadet hat. Das ist das Faktum, was die CDU und die Union insgesamt Stimmen gekostet hat bei den Wahlen, und deshalb kommt es nach meinem Eindruck vor allen Dingen darauf an, dass dieser Streit beendet wird und nicht jetzt im Sinne einer personellen Enttäuschung weiter in die Zukunft fortgesetzt wird.
    Müller: Wieso meinen Sie personelle Enttäuschung? Verstehe ich jetzt nicht.
    Polenz: Wenn diejenigen, die jetzt für jemanden sind, der nicht gewählt wird, sagen, jetzt ist alles ganz verkehrt und ich mache in der CDU nicht mehr mit, oder Ähnliches. Das darf nicht passieren. Ich habe ja gesagt, ich werde für Kramp-Karrenbauer stimmen, aber wenn Friedrich Merz oder Jens Spahn gewählt würden, hätten Sie auch meine Loyalität, weil nur so kann Partei funktionieren.
    Friedrich Merz, Jens Spahn und Annegret Kramp Karrenbauer halten Zettel mit Zahlen in die Höhe.
    Friedrich Merz, Jens Spahn und Annegret Kramp Karrenbauer während einer Regionalkonferenz der CDU (imago/STAR-MEDIA)
    Müller: Das hat Wolfgang Schäuble ja auch nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Er hat ja auch in der Vergangenheit häufiger schon Kramp-Karrenbauer gelobt, auch in ihrer Arbeit als Generalsekretärin.
    Polenz: Ja!
    !!Müller: Aber Daniel Günther zum Beispiel, Ministerpräsident, Regierungschef von Schleswig-Holstein, hat im Grunde ja die Vorlage der ganz prominenten gemacht und hat gesagt, ich bin für Kramp-Karrenbauer. War das auch ein Fehler?
    Polenz: Jeder kann sich äußern, oder er kann es sein lassen. Für das, was man macht, steht man dann auch wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit und erntet Kritik oder Zustimmung. So ist das in der Politik. Ich finde aber, diejenigen, die sich in besonderer Weise um Integration dann hinterher bemühen wollen – und da brauchen wir viele -, sollten jedenfalls das auch deutlich machen, dass auch die Kandidaten, für die sie nicht sind, im Prinzip geeignet sind.
    Und wenn man Formulierungen wählt wie jetzt Wolfgang Schäuble, der Beste für das Land, dann klingt das schon ein bisschen abwertend für die anderen, so nach dem Motto, dann wären das nur die Zweit- oder Drittbesten.
    "Ich sage, dass ich Frau Kramp-Karrenbauer wähle"
    Müller: Das ist aber bei drei Kandidaten vielleicht so, Herr Polenz.
    Polenz: Wie bitte?
    Müller: Das ist ja vielleicht bei drei Kandidaten dann so. Sie sagen ja, Annegret Kramp-Karrenbauer ist das Beste für das Land, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
    Polenz: Nein, das sage ich nicht!
    Müller: Das sagen Sie nicht.
    Polenz: Ich sage, dass ich Frau Kramp-Karrenbauer wähle, und habe meine Entscheidung begründet, weil ich glaube, dass sie die CDU als Volkspartei der Mitte dadurch besonders nach vorne führen wird, dass sie den Flügeln der CDU, den Sozialausschüssen, den eher Konservativen, den Liberalen, Möglichkeiten gibt, sich innerhalb der Partei zu profilieren, und damit ein breites Spektrum anzusprechen.
    Müller: Sie ist das Beste für die CDU, aber nicht das Beste für das Land?
    Polenz: Doch, das ist das Beste. Eine starke CDU, finde ich, ist auch das Beste für das Land. Aber nach meiner Überzeugung werden wir nur dann diese starke CDU, wenn wir nicht einem Flügel die Führung der Partei überlassen.
    "Armin Laschet hat sich das gut überlegt"
    Müller: Das hat Friedrich Merz im Grunde auch nicht vor, wenn wir ihn richtig verstanden haben. Reden wir vielleicht über die andere Alternative. Armin Laschet, einflussreicher, wichtiger Ministerpräsident, der wichtigste Landesverband Nordrhein-Westfalen, bekennt sich nicht, sagt nicht, was er wählt. Ist das heute bei diesem Aufbruchszeitalter in der CDU, wenn wir das so formulieren wollen, noch angemessen? Ist das adäquat? Ist das klug?
    Polenz: Ich glaube, Armin Laschet hat sich das gut überlegt. Er schaut auf die Tage nach der Wahl. Er hat den größten Landesverband zu führen. Zwei der Kandidaten kommen aus Nordrhein-Westfalen. Alles das spricht nach meiner Meinung sehr dafür, sich so zu verhalten, wie er das tut.
    Müller: Besser nichts sagen und schweigen, als klar Position zu bekennen?
    Polenz: Jeder kann das ja, muss das ja für seine Funktion, in der er ist, entscheiden. Ich bin noch einer von 1001 Delegierten und habe keine weiteren Parteiämter. Wer Parteiämter hat, muss natürlich auch sehen, dass er diejenigen, die er repräsentiert, nicht verliert und seiner Aufgabe in der Partei gerecht wird.
    Müller: In den "Informationen am Mittag" der CDU-Politiker Ruprecht Polenz. Danke für die offenen Worte. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben.
    Polenz: Bitte schön!
    Müller: Ihnen noch einen schönen Tag und viel Erfolg in Hamburg.
    Polenz: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.