Der CDU-Parteitag findet wegen der Corona-Pandemie digital statt. Heute wählen die 1.001 Delegierten einen neuen Parteivorsitzenden. Kandidaten sind der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen. Der Sieger der digitalen Abstimmung wird noch einmal per Briefwahl bestätigt – aus Gründen der Rechtssicherheit. Das Ergebnis wird am 22. Januar verkündet. Es gebe nicht einen eindeutigen Favoriten, sagte die Vorsitzende der Frauenunion und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), im Dlf. "Deswegen ist es heute wichtig, dass wir eine kluge Entscheidung treffen und sie dann geschlossen in der CDU vertreten." Die Frauenunion hat sich vorab klar für Norbert Röttgen oder Armin Laschet ausgesprochen.
Mit Blick auf den Anteil der Frauen in der Partei seien die aktuellen Reformüberlegungen extrem wichtig. "Wir brauchen Frauen auf allen Ebenen. Wir brauchen sie in den Parlamenten, wir brauchen sie in den Rathäusern, wir brauchen sie in den Ratsfraktionen - und auch in der Regierung", betonte Widmann-Mauz. Jetzt komme es auf einen Vorsitzenden an, der sich voll und ganz hinter den wichtigen Weg für die Frauen stelle.
Philipp May: Auch die Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz hat eine Empfehlung ausgesprochen in ihrer Rolle als Chefin der Frauen-Union. Ihre Empfehlung lautet: nicht Merz, sprich Röttgen oder Laschet. Schönen guten Morgen, Frau Widmann-Mauz!
Annette Widmann-Mauz: Guten Morgen, Herr May!
May: Kann eine Partei die Stimmung an der Basis dauerhaft ignorieren?
Widmann-Mauz: Ich glaube, wir müssen jetzt auf diesem Parteitag eine Entscheidung treffen. Wir haben jetzt fast ein Jahr lang den Wettbewerb der drei Bewerber um den Parteivorsitz geführt, wir haben viele, viele Gespräche geführt in den Ortsverbänden, in den Vereinigungen, in den Gliederungen, auf den unterschiedlichen Ebenen, und wir haben eine Vielfalt. Wir haben es ja gerade gehört, es gibt diesen eindeutigen Favoriten nicht, und deshalb ist es heute wichtig, dass wir eine kluge Entscheidung treffen und sie dann geschlossen in der CDU Deutschlands dann auch vertreten und unseren Parteivorsitzenden unterstützen. Darauf kommt es jetzt an.
May: Und Ihre kluge Entscheidung, das haben Sie kundgetan, die wäre entweder Röttgen oder Laschet. Was haben Sie gegen Friedrich Merz?
Widmann-Mauz: Wir haben in der Frauen-Union uns für einen der beiden Bewerber, Armin Laschet oder Norbert Röttgen ausgesprochen, weil für uns der gesellschaftliche Zusammenhalt an erster Stelle steht. Die CDU muss die Partei der Mitte bleiben, muss sich klar abgrenzen gegen extreme Ränder und dabei gleichzeitig moderner werden, sie muss den Wandel gestalten. Dafür stehen sowohl Armin Laschet als auch Norbert Röttgen gleichermaßen. Beide bringen sie Regierungserfahrung mit, und beide wollen sie die CDU weiblicher machen und stehen damit auch ohne Wenn und Aber zu den Beschlüssen, die der Parteivorstand nach der Struktur- und Satzungskommission beraten und beschlossen hat. Das ist ein Signal, und damit haben die beiden weit überwiegend unter den Frauen in der Frauen-Union überzeugt.
May: Sie haben jetzt als Allererstes gesagt, der neue Parteichef muss den Zusammenhalt stärken. Das trauen Sie Friedrich Merz nicht zu?
Widmann-Mauz: Ich bin der festen Überzeugung, es wird uns gelingen, diesen Zusammenhalt zu stärken, egal wer Vorsitzender wird, aber die Frage, wo legen wir Schwerpunkte dann auch in der programmatischen Arbeit, das ist wichtig. Deshalb, wir müssen uns heute zwischen einem dieser drei hervorragenden Bewerber entscheiden, und dafür gibt es Präferenzen, nicht mehr und nicht weniger.
May: Eigentlich hätte ja auch über die Quotenregelung bei der CDU auf dem Parteitag abgestimmt werden sollen, das passiert jetzt aber nicht. Mit Merz keine Quote, ist das Ihre Befürchtung?
Widmann-Mauz: Nein, das glaube ich nicht, er hat ja auch gesagt, dass er den Empfehlungen nicht im Wege stehen will. Wir unterstützen diejenigen, die sich ohne Wenn und Aber dahinterstellen, die diesen Prozess auch vorantreiben wollen, die ihr persönliches Gewicht für die Umsetzung dann auch auf einem wieder klassischen Parteitag einbringen wollen, und da achten wir natürlich schon drauf. Gerade weil wir eine Zäsur am heutigen Tag erleben, ist es natürlich wichtig, dass aus Sicht der Frauen dieser Weg, den wir bisher gegangen sind, jetzt auch konsequent fortgesetzt wird.
Stimmungsbild in der Frauenunion überwiegend für Laschet und Röttgen
May: Frau Widmann-Mauz, Sie sind ja so ein bisschen in der Zwickmühle. Ihr eigener Landesverband Baden-Württemberg, der hat sich für Friedrich Merz ausgesprochen, auch Ihre Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Susanne Eisenmann, eine Frau, ist für Merz. vor zwei Jahren hat die Frauen-Union eine ganz entscheidende Rolle gespielt bei der Wahl von AKK zur Parteichefin. Wie geschlossen sind die Frauen dieses Mal bei dieser Wahl?
Widmann-Mauz: In der Frauen-Union gibt es unterschiedliche Meinungen, weit überwiegend haben wir ein Stimmungsbild für Armin Laschet und Norbert Röttgen festgestellt, aber klar, die Frauen stellen mehr als ein Drittel der Delegierten, sie haben ein Gewicht.
May: Wie sehr schmerzt es Sie, dass keine Frau antritt, sondern drei ältere Männer?
Widmann-Mauz: Es wäre schön gewesen, es wäre auch eine Bewerberin unter den Kandidaten, aber es ist jetzt auch ein Zustand nach 20 Jahren Parteivorsitz in Frauenhand, der nicht außergewöhnlich ist. Wichtig ist, dass es nicht wieder viele Jahrzehnte dauert, bis Frauen auch für dieses Spitzenamt kandidieren.
"Wir brauchen Frauen auf allen Ebenen"
May: Okay, 20 Jahre der Parteivorsitz in Frauenhand, vor allen Dingen natürlich verkörpert durch Angela Merkel, mit dem kurzen Appending – ist jetzt nicht böse gemeint – von Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Frage stellt sich aber doch, wo sind denn die Frauen dahinter in der CDU?
Widmann-Mauz: Deshalb sind die Reformüberlegungen in der CDU ja so wichtig. Wir brauchen Frauen auf allen Ebenen. Wir brauchen sie in den Parlamenten, wir brauchen sie in den Rathäusern, wir brauchen sie in den Ratsfraktionen, und wir brauchen sie auch in der Regierung, das heißt, Frauen müssen sichtbar sein, sie müssen wirksam sein können. Nur wenn sie in den Parlamenten an den Entscheidungen teilhaben, können sie Inhalte bestimmen und können sich dann auch Inhalte verändern. Darauf kommt es an, dafür haben wir Vorschläge erarbeitet. Und jetzt kommt es darauf an, dass wir einen Vorsitzenden bekommen, der sich voll und ganz auch hinter diesen wichtigen Weg für die CDU als Volkspartei stellt, denn ohne Frauen wird die CDU auch langfristig bei Wahlen nicht erfolgreich sein.
May: Die Basis beziehungsweise Friedrich Merz steht für all das nicht?
Widmann-Mauz: Wie gesagt, ich bin der festen Überzeugung, mit allen drei Bewerbern werden wir auch diese Fragen weiter voranbringen, und doch stehen wir heute vor der Wahl.
May: Frau Widmann-Mauz, Sie können ja auch nur eine Person wählen, für wen werden Sie dann eigentlich stimmen, für Röttgen oder für Laschet?
Widmann-Mauz: Ich werde mich persönlich für Armin Laschet aussprechen und ihm meine Stimme geben. Er überzeugt durch erfolgreiche Regierungsarbeit als Ministerpräsident des größten Bundeslandes. Er ist verlässlich, und er hat den Anspruch, die CDU als Team zu führen und so auch diesen Zusammenhalt zu organisieren. Das imponiert mir.
Widmann-Mauz: Laschet hat frühzeitig die Perspektive von Familien in den Mittelpunkt gerückt
May: Auf der anderen Seite, ist es denn schlau für eine Partei, auf einen Politiker wie Armin Laschet zu setzen als Vorsitzender und dann ja wahrscheinlich auch Kanzlerkandidat – wahrscheinlich, muss man noch mit der CSU klären, mit Markus Söder. Armin Laschet ist bei jedem Politbarometer auf den hintersten Plätzen zu finden. Kann das jemand sein, der Wahlen gewinnt?
Widmann-Mauz: Ich habe mir gestern das neueste Politbarometer angeschaut, und da war er unter den wichtigsten Politikern in unserem Land ziemlich weit vorne, mit einer klaren Tendenz nach oben. Ich bin ganz zuversichtlich, wenn die CDU ihre Führungsfrage geklärt hat, dann werden sich die Reihen hinter jedem neuen Vorsitzenden schließen, und Sie werden sehen, wir werden auch in der Bevölkerung und bei den Wählerinnen und Wählern überzeugen. In Nordrhein-Westfalen hat er gezeigt, dass er Wahlen gewinnen kann, und wenn er es im größten Bundesland kann, dann bin ich ziemlich sicher, dann kann er es auch im ganzen Land.
May: Aber insbesondere in der Corona-Pandemie beispielsweise wird ihm ja eher attestiert, dass er eine unglückliche Figur gemacht hat. Der Satz der Kanzlerin von den Öffnungsdiskussionsorgien zum Ende des ersten Lockdowns, der wurde ja auch als Spitze gerade gegen Laschet interpretiert.
Widmann-Mauz: Ich will mal ganz offen sagen, wir haben natürlich sehr unterschiedliche Haltungen in den Bundesländern erlebt, aber eines muss ich Armin Laschet an der Stelle wirklich konstatieren: Erstens, Nordrhein-Westfalen steht gut da, nicht nur was die Infektionszahlen anbelangt, auch jetzt, wenn ich mir anschaue, wie die Impfentwicklung ist. Aber er hat natürlich frühzeitig auch die Perspektive von Familien, von sozial schwachen Menschen in den Mittelpunkt gerückt und damit auch einem Bereich im Lockdown das Schlaglicht draufgelegt, die sehr betroffen sind. Und was hat er gesagt: Wenn die Zahlen runtergehen, dann müssen wir auch unsere Wirtschaft, den Familien, an den Schulen, für Bildung Perspektiven schaffen. Wenn sich die Infektionsentwicklung verschlechtert, dann müssen wir ganz konsequent herunterfahren, das hat er gerade auch vor Weihnachten sehr massiv gefordert. Und deshalb, ja, wir müssen immer wieder lageangepasst entscheiden. Die Zeiten sind sehr ernst, sowohl was die gesundheitliche Entwicklung anbelangt, aber genauso auch, was die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft angeht.
May: Frau Widmann-Mauz, eine Frage habe ich noch: Können Sie nicht die Sehnsucht von vielen an der Basis verstehen, die Friedrich Merz verkörpert, nach einer Volkspartei, die sich klar abgrenzt von der SPD, die die Mitte aufbricht, die die Union auch wieder wählbar macht für Menschen, die beispielsweise zur AfD abgewandert sind, die für ein unterscheidbares Profil von der CDU zu den anderen Parteien appellieren?
Widmann-Mauz: Ich selbst habe das Bedürfnis danach, dass die CDU in der Mitte die starke Kraft ist, die so attraktiv ist, dass sie Wählerinnen und Wähler bindet, und deshalb, natürlich braucht es eine CDU, die sehr klar positioniert ist, die formuliert, wo die Gesellschaft sich hin entwickeln muss, die aber auch so attraktiv ist, dass sie Menschen wirklich auch vereinnahmt und trotzdem klar bleibt in ihrer Positionierung gegen Rechtsextremisten, gegen Linksextremisten, gegen Menschen, die unsere Gesellschaft spalten wollen und mit Hass und Hetze Gesellschaften an den Rand bringen und Demokratien gefährden – wir erleben das gerade in den USA. Es braucht Klarheit in der Position, aber auch Klarheit in der Abgrenzung.
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