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Wahl im Iran
Sieg für die Reformer und Gemäßigten

Je länger die Auszählung der Parlamentswahl dauert, desto deutlicher wird die Niederlage für die iranischen Hardliner. Die Reformer haben alle 30 Mandate der Hauptstadt gewonnen. Viele Wähler freuen sich darüber und hoffen, dass sich die wirtschaftliche Lage nun durch eine bes­sere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament erholt.

Von Reinhard Baumgarten |
    Iranische Journalisten im Innenministerium in Hauptstadt Teheran verfolgen mit ihren Smartphones erste Ergebnisse der Parlamentswahl.
    Iranische Journalisten verfolgen erste Ergebnisse der Parlamentswahl im Innenministerium in Teheran. (picture alliance / dpa / Abedin Taherkenareh)
    Gemäßigte Konservative und reformorientierte Kandidaten haben im Wahlbezirk Teheran alle 30 Parlamentssitze gewonnen. Außerdem wurden Präsident Hassan Rohani und sein Verbündeter, Ex-Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsanjani, mit deutlicher Mehrheit in den einflussreichen Expertenrat gewählt. Etliche namhafte Konservative und Hardliner werden im 10. Parlament der Islamischen Republik hingegen wohl nicht mehr vertreten sein – allen voran Gholam-Ali Hadad Adel. Das bisherige Parlament mit 290 Abgeordneten war bislang zu 60 Prozent von Konservativen und Hardlinern dominiert worden. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen dürfte deren Anteil auf unter 50 Prozent fallen. Präsident Rohani dankte den Wählern über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Ihr habt mit euren Stimmen eine neue Ära im Land ermöglicht, und ich verneige mich in Ehrfurcht vor euch."
    Wächterrat hatte reformorientierte Kandidaten abgelehnt
    Ex-Präsident Rafsanjani kommentierte den Wahlausgang auf Instagram mit den Worten: "Wen das Volk nicht will, der muss gehen." Auch viele Wähler zeigten sich zufrieden. Stimmen vom Maidān-e Tajreesh im Norden Teherans. Es seien die Kandidaten gewählt worden, die das Volk wolle, meint die 48-jährige Fatemeh. Ihre Cousine Fatima ergänzt: "Reformen sind besser als eine Revolution, die das Land ins Chaos stürzt. So kommen wir Schritt für Schritt voran. Es gibt Hoffnung."
    Vor dem Urnengang hatte es viel Kritik am Wächterrat gegeben, der über 90 Prozent aller reformorientierten Kandidaten abgelehnt hatte. Das Wahlergebnis in der Hauptstadt habe deshalb einen besonderen Stellenwert, meint der 53-jährige Kriegsveteran Ahmed. "Anstatt zu streiken und zu zündeln, haben die Wähler durch die Wahlurnen ihr Ziel erreicht. Demokratie ist ein viel angenehmerer Weg. Die Teheraner haben politische Reife bewiesen."
    Wahlbeteiligung bei mehr als 60 Prozent
    Hamzeh ist 30. Der gelernte Koch ist aus der nördlichen Provinz Gilan in die Hauptstadt gekommen. Er ist nicht wählen gegangen: "Wenn es in Gilan Arbeit gäbe, dann wäre ich gar nicht hier. Sie müssen Arbeitsplätze für junge Leute schaffen, dann kann jeder in seiner Heimat bleiben." Die Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten liegt bei 25 Prozent. 70 Prozent der bald 80 Millionen Iraner sind jünger als die Revolution. Die Regierung und das neue Parlament müssten mehr für junge Menschen tun, fordert auch die Lehrerin Fatima: "Meiner Meinung nach hat die Jugend Priorität, ihre Arbeits- und Eheperspektiven - das sind die Sorgen aller Eltern."
    Landesweit lag die Wahlbeteiligung bei gut 60, in der Hauptstadt bei rund 45 Prozent. Die Erwartungen seien hoch, meint Fatima, aber die meisten Menschen wüssten sehr wohl, dass Besserung nicht über Nacht zu erwarten sei. Viele hoffen nun, dass sich die wirtschaftliche Lage durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament bessern werde. Ob allerdings alle vom Volk gewählten Kandidaten auch wirklich ins Parlament werden einziehen können, hängt von der Entscheidung des konservativen Wächterrats ab.