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Wahl in Afghanistan
Neuer Präsident "muss Reformen angehen"

Der neue afghanische Präsident muss schnell Reformen angehen, forderte der frühere Handelsminister des Landes, Amin Farhang, im DLF. Wichtig seien der Kampf gegen Korruption und Drogenhandel sowie gute Investitionen in die Wirtschaft.

Mohammad Amin Farhang im Gespräch mit Thielko Grieß | 05.04.2014
    Zwei afghanischen Frauen zeigen ihre Wahlkarten
    In Afghanistan hat am Morgen die Präsidentschaftswahl begonnen (picture alliance / dpa / S. Sabawoon)
    Thielko Grieß: Wohin steuert das Land am Hindukusch? Das will ich jetzt diskutieren mit Mohammad Amin Farhang, früher Handelsminister, bis vor sechs Jahren in der Regierung. Guten Morgen nach Kabul!
    Mohammad Amin Farhang: Ja, guten Morgen!
    Grieß: Herr Farhang, Sie waren bereits wählen, haben Ihre Stimme abgegeben in Kabul. Wie lang war die Schlange vor dem Wahllokal?
    Farhang: Also es gibt in Kabul ein Sonderlokal für Prominente. Ich bin nicht da hingegangen, ich bin in der Nähe von meinem Haus zu einem Wahllokal gegangen, da habe ich Hunderte von Menschen gesehen, die in der Schlange stehen. Ich bin mit diesen Leuten zusammen zur Urne gegangen, wir haben uns unterhalten. Die Stimmung war sehr, sehr gut und man fühlt sich wirklich glücklich, wenn man sieht, dass die Menschen so mit Begeisterung sich an der Wahl beteiligen.
    Grieß: Haben Sie keine Angst vor Anschlägen?
    Farhang: Ich habe keine Angst, andere Menschen haben auch keine Angst. Es kann sein, dass es Anschläge gibt, aber das afghanische Volk hat entschieden, zu wählen. Die werden das machen und das wird eine große Niederlage sein für unsere Feinde, besonders für die Taliban, Pakistaner und andere Kräfte, die sich gegen unsere Entscheidung stellen.
    Grieß: Nun hat es aber ja in den vergangenen Wochen immer wieder auch Anschläge gegeben, gestern, das habe ich erwähnt, auch noch einmal ein Attentat auf eine deutsche Journalistin, auf eine Fotografin. Wen wollen die Extremisten treffen, was wollen sie damit für ein Signal aussenden?
    Farhang: Was gestern geschehen ist, ist bedauerlich. Das hat uns getroffen, die Afghanen, sehr tief. Es wird auch weiterhin Anschläge geben, das kann man nicht auf einmal abschaffen. Unsere Feinde sind da, die werden weiterhin versuchen, alles zu zerstören, aber es wird ihnen nicht gelingen. Die Afghanen wissen jetzt, besonders die jungen Leute, die jetzt 65 Prozent der afghanischen Bevölkerung ausmachen. Die haben es begriffen, dass sie mit solchen Mitteln, Beteiligung an Wahl und mit Entschlossenheit, besser kämpfen können als mit Waffen, die ihre Feinde verwenden.
    Grieß: Hier in Deutschland bei uns werden immer wieder Zweifel daran laut, ob die afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheit im Land selbst garantieren können. Was meinen Sie dazu, funktioniert das?
    Farhang: Das kann sein. Die Taliban haben auch unter den Sicherheitskräften vielleicht ihre Leute. Dieser Vorfall gestern ist ein Beispiel dafür. Aber das ist nun auch nicht so dramatisch, dass man dadurch sagen kann, dass die Sicherheitskräfte alle gegen die Regierung sind. Ich habe heute Morgen, nachdem ich gewählt hatte, dann eine kleine Rundfahrt gemacht durch die Stadt. Ich habe mehrere Teile der Stadt besucht und gesehen, da stehen die Sicherheitskräfte überall und machen ihre Pflicht. Deshalb haben wir keine Angst. Es kann sein bis heute Abend, dass hier oder da was passiert, aber das bedeutet nicht, dass die Sicherheitskräfte Afghanistans nicht zuverlässig sind.
    Grieß: So weit der Rahmen der Wahl. Sprechen wir über die Inhalte. Was wünschen Sie sich für eine Politik, was wünschen Sie sich für Afghanistan?
    Farhang: Also ich wünsche mir, dass der neue Präsident, der heute gewählt wird, wirklich Reformen durchführt. Wir müssen nicht vergessen, dass die drei aussichtsreichsten Kandidaten selbst bis vor Kurzem zum Teil an der Regierung beteiligt waren. Wenn Fehler gemacht worden sind, sind die auch dafür verantwortlich, genauso wie ich zu der Zeit, als ich Minister war in Afghanistan. Deshalb müssen wir aus der Vergangenheit lernen und die Lücken beseitigen und ein neues Programm, ich meine, diejenigen, die jetzt an die Macht kommen, ein neues Programm entwerfen und das verwenden. Ich hoffe, das wird ihnen gelingen. Und ich bin auch der Meinung, dass die westliche Welt auch ihr Verhalten überprüft, damit es wieder zu einer guten Zusammenarbeit zwischen Afghanistan und der Weltgemeinschaft kommt.
    Grieß: Bleiben wir kurz noch bei den Reformen, die Sie sich gewünscht haben, die Sie angesprochen haben: Was meinen Sie konkret?
    Farhang: Also, konkret meine ich die Pflichten, die Afghanistan bei der zweiten Tokioter Konferenz gemacht hat, also Kampf gegen Korruption, Kampf gegen (...), also gute Staatsführung, Kampf gegen Drogen und auch gute Investitionen in richtigen Richtungen, damit die interne Produktion sich erhöht und die afghanische Wirtschaft sich wieder erholt. Das sind also Lücken, die leider bis jetzt vorhanden sind, und es ist an der Zeit, dass die neue Regierung diese Fragen und natürlich einige andere, die auch sehr wichtig sind für die Wirtschaft Afghanistans, dass sie das anders machen als bis jetzt.
    Grieß: Das haben natürlich bisher alle anderen auch versprochen. Ich glaube, Präsident Karsai hat das mehrfach versprochen, der Kampf gegen die Korruption. Mal abgesehen von Ihrem Wunsch, dass das so werden sollte - glauben Sie tatsächlich, dass sich daran etwas ändert?
    Farhang: Aber wir haben in der Tat gesehen, dass die Verantwortlichen, die Staatsanwaltschaft und auch die Ämter für den Kampf gegen die Korruption viele Leute bei der Korruption erwischt haben. Die haben also diese Anklagen, also diese Unterlagen der Staatsanwaltschaft gegeben. Aber bis jetzt ist gar nichts passiert. Die Leute sind am Werk geblieben bis heute, und das bedeutet, dass Präsident Karsai, obwohl er sehr viel für Afghanistan getan hat, aber gegen die Korruption sehr wenig getan hat, weil auch einige seiner Leute auch drin waren. Deshalb muss hier sehr energisch vorgegangen werden, genauso bei anderen Fragen. In Afghanistan kann man regieren, man muss das Gesetz verwenden, ohne zu Despotismus oder Autokratismus überzugehen.
    Grieß: Wünsche und Hoffnungen für Afghanistan, formuliert vom früheren Handelsminister des Landes, Muhammad Amin Farhang. Herr Farhang, danke für das Gespräch und einen guten, sicheren Wahltag in Kabul!
    Farhang: Ich danke Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.