Hier wird gerade aufgeräumt. Präsentkörbe für den frisch gewählten CDU-Bundestagsabgeordneten stehen neben Kisten mit Kochschürzen, in der Ecke ein Stapel mit Wahlplakaten. Das Bürgerbüro der CDU Wuhletal.
"Hier sah's chaotisch aus." Mario Czaja heißt der direkt gewählte CDU-Bundestagsabgeordnete, der Petra Pau von der Linken im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf verdrängt hat. Der 46-Jährige ist hier geboren, Sohn eines Elektrikers und einer Krankenschwester, er war Berliner Gesundheitssenator und saß lange Jahre im Abgeordnetenhaus.
Generalstabsmäßig geplanter Wahlkampf
Den jetzigen Wahlkampf hat er generalstabsmäßig geplant, an der Wand eine Karte seines Wahlkreises, die Straßen farbig markiert – wer hat wann wie gewählt, wo wohnen die potentiellen Wähler. Auf einem Schreibtisch liegt ein Stapel Zettel, auf denen die Marzahner ihre täglichen Ärgernisse notiert haben. Die falsche Ampelschaltung, der fehlende Zebrastreifen.
"Während andere Parteien und insbesondere die Linke während der Corona-Zeit ihre Büros geschlossen haben, haben wir neue eröffnet. Auch um die praktische Alltagshilfe zu geben. Und ich glaube, dass ist eines unserer Erfolgsrezepte nicht der letzten Monate, sondern der letzten Jahre."
Czaja wühlt in einem Stapel Wahlplakate – dass er und sein Team für das Abgeordnetenhaus und den Bezirk Christdemokraten sind, wird erst beim zweiten Hinsehen deutlich. Eigene Farben, eigene Wahlslogans, nur winzigklein oben rechts in der Ecke das CDU-Logo.
"Unsern Wahlkampf haben wir in diesem eigenen Layout betrieben, das ist richtig, und haben unsere eigenen Themen in den Mittelpunkt gestellt."
Werbespots in russischen Medien
Lokale Themen wie das fehlende Schwimmbad in Marzahn-Hellersdorf, die mangelnde Versorgung mit Ärzten, überfüllte Kitas. Mario Czaja hat sich auch bewusst um die vielen zehntausend Russlanddeutschen in den Plattenbauten gekümmert, von denen viele in den letzten Jahren AfD wählten. Er eröffnete ein deutsch-russisches Büro, das beim Beantragen von Corona-Hilfen und Ausfüllen von Kurzarbeitergeld-Anträgen unterstützte – schaltete Werbespots in russischen Medien.
Der speziell auf eine russischsprachige Klientel ausgerichtete Wahlkampf hat sich gelohnt – die AfD verlor in Marzahn-Hellersdorf, die CDU gewann.
Dass sich Mario Czaja mehr um die kleinen Alltagsprobleme der Marzahner gekümmert hat als ideologische Schlachten zu schlagen, das scheint auch frühere Wählerinnen und Wähler der Linkspartei überzeugt zu haben.
Keine Heimat mehr bei der Linkspartei?
"Bei meinen Kiezgesprächen in Marzahn kamen Menschen zu mir, die früher nicht zu CDU-Veranstaltungen gekommen sind. Die sagten, ich wohne schon immer in Marzahn, die ihre Wohnungen als Auszeichnungen bekommen haben, die häufig staatsnah waren und aus der tiefen Verbundenheit häufig die Linkspartei gewählt haben. Und sie sehen da keine Heimat mehr, sie sagen, die Linkspartei kümmert sich nur noch um die Innenstadt."
Beim CDU-Bürgerbüro um die Ecke steht eine Litfaßsäule, darauf ein Wahlplakat der Linken. Das Foto einer typischen Plattenbausiedlung, darüber der Slogan: "Das ist Berlin. Die Linke". Marzahn-Hellersdorf hat auf allen Ebenen lange Jahre links gewählt – Bezirk, Land, Bundestag. Im Rathaus saß eine linke Bürgermeisterin, die jetzt in Rente geht. Nachfolgerin wollte die derzeitige Stadträtin Julia Witt werden. Sie glaubt, dass ihre Partei im berlinweiten Wahlkampf teils die falschen Akzente gesetzt hat.
"Für uns ist sicher das beim Thema Mobilität am deutlichsten. Wir reden in der Innenstadt über eine Mobilität, wo Fahrradfahren und ÖPNV ganz wichtig sind. Hier bei uns fahren die Leute Auto und nehmen dieses Thema als fern von ihrer Lebensrealität war."
Bürgermeisterin wird nun vermutlich eine CDU-Politikerin aus dem Team Czaja, die Linke wird wohl nur einen Stadtratsposten besetzen können. Ähnlich auf Landesebene – hier hat die CDU drei Direktmandate geholt.
Immer weniger Wahlkämpfer
Manuela Schmidt von der Linkspartei hat in ihrem Wahlkreis 7 Prozentpunkte verloren, das Mandat trotzdem direkt gewonnen. "Also erstmal will ich jetzt tief durchatmen", sagt die 58-Jährige. Und hofft: "Dass wir uns nicht gegenseitig die Augen auskratzen, sondern dass wir eine Analyse machen, was wir im Bezirk leisten können und wo wir Land und Bund brauchen."
Der Bundestrend war diesmal gegen die Linke. Und einen weiteren Grund für die starken Verluste gibt es – von Mal zu Mal sind es weniger Wahlkämpfer. "Die Zahl der Mitglieder hat sich dramatisch verringert, wir haben in den letzten 20 Jahren zwei Drittel unserer Mitglieder verloren, wir haben sehr viele alte und nur sehr wenige junge Mitglieder." - Manuela Schmidt bleibt dabei: Die Linke ist die Partei der Kümmerer. Doch das Kümmern hat inzwischen auch die CDU in Marzahn-Hellersdorf gelernt.