"Wir haben gewonnen", sagte der katalanische Regierungschef Artur Mas in der Nacht zum Montag in Barcelona. "Das Wahlergebnis gibt uns die Kraft, den Prozess (einer Abspaltung) fortzusetzen." Das Unabhängigkeitsbündnis "Gemeinsam für das Ja" ("Junts pel Si") gewann 62 der 135 Mandate, die linksradikale Unabhängigkeitsbewegung CUP holte zehn Sitze. Mit 72 Sitzen im Parlament hätten beide gemeinsam in Zukunft die absolute Mehrheit - allerdings nur nach Sitzen, der Stimmanteil für die Unabhängigkeit lag unter 50 Prozent. Die katalanische Regierung von Mas betrachtete die Wahl als eine Volksabstimmung über eine Abspaltung der Region von Spanien.
Die CUP rief sogleich zu zivilem Ungehorsam gegenüber der spanischen Zentralregierung aufgerufen. Der Wahlausgang habe Kataloniens "Souveränität" deutlich gemacht, sagte CUP-Chef Antonio Baños. "Ab morgen kann und sollte das Gesetz von den Katalanen missachtet werden", fügte er mit Blick auf Vorgaben aus Madrid hinzu. Dies betreffe "ungerechte Gesetze". "Heute wurde die Republik geboren", beschwor Baños ein unabhängiges Katalonien. Und bei Twitter schrieb er: "An den Staat Spanien, ohne Groll: Adieu."
Zentralregierung hält Abspaltung für verfassungswidrig
Die in Madrid regierende konservative Volkspartei (PP) sprach den Unabhängigkeitsbefürwortern den Sieg allerdings ab. Die "Mehrheit der Katalanen" habe gegen eine Unabhängigkeit gestimmt, erklärte PP-Sprecher Pablo Casado mit Blick auf den Stimmenanteil der Befürworter von unter 50 Prozent. "Wir werden die Einheit Spaniens weiter verteidigen", fügte er hinzu. "Diejenigen, die nach Sitzen gewonnen haben, haben nicht nach Stimmen gewonnen, also haben sie das Plebiszit verloren", sagte auch der Chef der katalanischen Sozialisten, Pedro Sánchez, die 16 Sitze errangen. Seine Partei setzt sich für mehr Autonomie ein, lehnt eine Unabhängigkeit Kataloniens aber ab.
Die Wahlbeteiligung lag bei 78 Prozent. Das Abstimmungsergebnis bedeutet einen Schlag für Ministerpräsident Mariano Rajoy, dessen konservative Partei sich in drei Monaten der Wiederwahl stellt. Die Abspaltung Kataloniens gilt als hypothetisch - denn im Grundgesetz von 1978 ist die Unteilbarkeit der spanischen Nation festgeschrieben, weshalb die Zentralregierung in Madrid eine Unabhängigkeit als verfassungswidrig betrachtet. In einer - im Schnellverfahren verabschiedeten - Reform erteilte Madrid den Verfassungsrichtern kürzlich die Befugnis, den katalanischen Regierungschef notfalls seines Amtes zu entheben, falls dieser sich über die Urteile des Gerichts hinwegsetzt.
Votum könnte zumindest Zugeständnisse aus Madrid bringen
Die Zentralregierung in Madrid hatte den Katalanen 2014 ein Referendum über die Abspaltung verwehrt. Dass sie ihr Vorhaben nun quasi durch die Hintertür erneut angehen, hat nach Ansicht von Beobachtern wohl mit Blick auf die Parlamentswahl im Dezember auch taktische Gründe: Rajoys Konservativen droht ein Verlust der absoluten Mehrheit, so dass sie sich wohl nur mit einer Koalition an der Macht halten kann. Mit einem starken Wählervotum im Rücken dürften die Befürworter einer Unabhängigkeit versuchen, der Zentralregierung weitere Zugeständnisse abzupressen: So könnte Katalonien zum Beispiel per Verfassungsreform der Status einer Nation innerhalb Spaniens verliehen werden.
Katalonien erbringt mit ihren 7,5 Millionen Einwohnern ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung, Spanien hat insgesamt knapp 47 Millionen Einwohner. Die Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren, dass es Katalonien ohne Transferzahlungen an ärmere Regionen Spaniens noch besser ginge: Die Steuereinnahmen würden um zwölf Milliarden Euro steigen. Rajoy warnt hingegen, dass die Abspaltungspläne Katalonien in die Rezession stürzen und eine Kapitalflucht auslösen könnten. Auch die Euro-Mitgliedschaft Kataloniens ist fraglich: Spaniens Notenbankchef Luis Maria Linde hatte bereits vor der Wahl gewarnt, bei einer Abspaltung werde die EZB die Banken der Region nicht mehr mit Geld versorgen. Mit Caixa hat eines der Schwergewichte der spanischen Bankenbranche in Barcelona seinen Sitz.
(nch/rb)