Bei der Partei Most ("Die Brücke") werde sich zeigen, ob ihre voraussichtlich 19 Abgeordneten im Parlament auch zusammenwirken, sagte Zakošek. Die Partei sei eine heterogene Allianz lokaler unabhängiger Listen; ob die Abgeordneten die Position des Vorsitzenden Bozo Petrov vertreten, müsse sich noch zeigen. Zakošek sagte, Most erinnere ihn an die deutsche AfD.
Parteichef Petrov will in inhaltlichen Fragen mit der Regierung zusammenarbeiten, aber keiner Regierungskoalition beitreten. Die Vertreter der Allianz betonen laut Zakošek eine Ferne zur professionellen Politik. Nötig sei vermutlich dieser "Innovationsschub, dass Amateure in die nationale Politik eindringen". Ziele der Most seien eine Reform der Staatsverwaltung, eine Depolitisierung des Staatssektors und eine rationellere Politik bei Staatsausgaben.
Nenad Zakošek ist Professor an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Zagreb. Darüber hinaus ist er wissenschaftlicher Berater des dortigen Regionalbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und Chefredakteur der FES-Publikation "Blickpunkt Kroatien".
Das Interview in voller Länge:
Mario Dobovisek: Die Wirtschaft schwächelt und das Land ächzt unter der Flüchtlingskrise. Gestern haben die Kroaten ihr neues Parlament gewählt. Vorn liegen die Konservativen, liegt die Opposition.
Am Telefon in Kroatiens Hauptstadt begrüße ich Nenad Zakosek, Politikwissenschaftler an der Universität in Zagreb und Berater der Friedrich-Ebert-Stiftung. Guten Morgen, Herr Zakosek.
Am Telefon in Kroatiens Hauptstadt begrüße ich Nenad Zakosek, Politikwissenschaftler an der Universität in Zagreb und Berater der Friedrich-Ebert-Stiftung. Guten Morgen, Herr Zakosek.
Nenad Zakosek: Ja, guten Morgen.
"Insgesamt eine positive Einstellung gegenüber Flüchtlingen"
Dobovisek: Die Konservativen liegen vorn nach all dem, was wir wissen, fordern einen härteren Kurs gegenüber den Flüchtlingen. War das auch eine Entscheidung über die Flüchtlingspolitik Kroatiens?
Zakosek: Eigentlich nicht. Wir können sagen, die konservative Koalition hat versucht, das Flüchtlingsthema zu instrumentalisieren im Wahlkampf, aber wir haben gesehen, dass die kroatischen Bürger eigentlich darauf nicht reagiert haben, dass insgesamt in Kroatien eine positive Einstellung gegenüber Flüchtlingen gegeben ist, und dann hat auch diese konservative Koalition das Thema eher an die marginalisiert. In diesem Sinne, würde ich sagen, hat die Flüchtlingsthematik am Ende doch eine geringere Rolle gespielt im Wahlkampf.
Dobovisek: Warum liegen die Konservativen dann vorn?
Zakosek: Eigentlich nach den letzten Ergebnissen, die ich vor mir habe - das ist jetzt nach ungefähr 99 Prozent der ausgezählten Stimmen - sind in Kroatien praktisch die Mandate gleich verteilt: 56 Mandate jeweils für die Patriotische Koalition und für die Koalition der linken Mitte. Aber die patriotische Koalition hat drei weitere Mandate in der sogenannten Diaspora bekommen. Das ist eine Wahleinheit, die vorwiegend in Bosnien-Herzegowina gewählt wird, und alle drei Mandate gingen an die patriotische Koalition, an die Konservativen. In diesem Sinne werden diese drei Mandate ihr eigentlich eine Mehrheit im Parlament geben. Das ist praktisch sehr ausgewogen und nur aufgrund dieser zusätzlichen Mandate hat die Patriotische Koalition einen Vorsprung, aber wie Sie gesagt haben nicht genug, um allein die Regierung bilden zu können.
"Ohne Most kann man keine Regierung bilden"
Dobovisek: Genau. Darüber müssen wir jetzt sprechen, denn es gibt eine dritte große Kraft, überraschend groß. Most heißt sie, zu Deutsch Brücke. Zu wem wird denn diese neue Partei eine Brücke bauen?
Zakosek: Zunächst muss man einmal genau sagen: Keine Partei oder kein Block, kein politischer Block kann ohne Most überhaupt die Regierung bilden. Es gibt keine andere Möglichkeit, außer einer Großen Koalition, die ausgeschlossen ist. Eine Mehrheit zu erreichen, das ist jetzt in der Tat etwas Neues in Kroatien, das heißt eine Allianz lokaler unabhängiger Listen in Kleinstädten, allerdings nicht nur in Dalmatien, also nicht nur im Süden Kroatiens, sondern auch in anderen Teilen Kroatiens, und noch einiger unabhängigen Persönlichkeiten, hat eine Partei gegründet. Das ist etwas ungewöhnlich, aber die unabhängigen Listen haben am Ende auf der nationalen Ebene eine Partei gegründet. Und in der Tat: Die haben rund 13 Prozent der Stimmen bekommen und 19 Mandate.
Es gibt zwei Fragen, die den nächsten Tagen geklärt werden. Einmal: Kann die Most, kann die Brücke sozusagen ihre Kohäsion behalten im Parlament? Weil dadurch, dass sie aus heterogenen Gruppierungen eigentlich zusammengesetzt sind, ist es wichtig zu sehen, ob sie in der Tat auch die Position des Vorsitzenden der Brücke unterstützt, und das ist Bozo Petrov, der Bürgermeister der Kleinstadt Metkovic, der eigentlich gesagt hat, er will nur auf der programmatischen Ebene bestimmte Verhandlungen führen und auch eventuell Abmachungen schließen, er will aber nicht in die Regierungskoalition eintreten. Das heißt, das wäre etwas Neues in der kroatischen Politik. Wir hätten eine Minderheitenregierung, die aber die Unterstützung einer parlamentarischen Gruppe hat, die von der Erfüllung bestimmter Reformen, bestimmter programmatischer Forderungen abhängt.
Dobovisek: Klingt sehr kompliziert, was da auf Kroatien zukommt, und wenn ich Sie so ausführlich über Most sprechen höre, da klingelt es bei mir so ein bisschen. Da denke ich an Deutschland, da denke ich an die AfD, die auch überraschend stark wurde und inzwischen mehr oder weniger zerbrochen ist. Sehen Sie da Parallelitäten?
"Most betont Ferne zur professionellen Politik"
Zakosek: Ja, sicherlich. Man könnte auch sagen, dass Most im gewissen Sinne ein populistisches Phänomen ist, nämlich alle Führer und neuen Abgeordneten der Most betonen ihre Ferne zur professionellen Politik. Sie wollen sagen, dass sie anders sind. Andererseits ist die kroatische Politik, glaube ich, in der Tat ein bisschen unterschiedlich von der deutschen und in diesem Sinne brauchen wir vielleicht auch einen solchen Innovationsschub, dass, sagen wir mal, Amateure in die nationale Politik eindringen und vor allem auf inhaltlichen programmatischen Punkten bestehen.
Dobovisek: Was will denn die Brücke? Was wollen die Politiker von Most?
Zakosek: Sie wollen vor allem bestimmte Reformen. Sie wollen eine Reform der Staatsverwaltung. Sie wollen eine Depolitisierung des ganzen Staatssektors, der praktisch jetzt nach parteipolitischen Kriterien agiert, wo Direktoren in öffentlichen Unternehmen ernannt werden, wo lokale Selbstverwaltung oder auch Verwaltung eher als praktisch Pfründe der politischen Parteien angesehen werden. Sie wollen vor allem darauf insistieren. Aber daneben sind auch einige wirtschaftspolitische Forderungen da, in der Steuerpolitik, auch in der Geldpolitik. Wir werden sehen. Sie wollen eigentlich eher einige Reformen. Das müssen wir noch genau sehen, wie diese Verhandlungen gehen werden. In diesen Bereichen, Reform der Staatsverwaltung, eine Depolitisierung des öffentlichen Sektors, eine rationellere Politik auch bei den Staatsausgaben, das ist so ein bisschen ein Mix, erinnert ein bisschen vielleicht auch an AfD, aber hat auch eine, sagen wir mal, kuratische Couleur und wir müssen abwarten, um zu sehen, welche Folgen es hat.
Dobovisek: Nenad Zakosek ist Politikwissenschaftler an der Universität in Zagreb. Vielen Dank für das Gespräch.
Zakosek: Ja, gern geschehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.