Belgrad, Platz der Republik, die Abschlusskundgebung von Sasa Jankovic. Er ist einer der Gegenkandidaten von Aleksandar Vucic, die laut Umfragen Chancen auf Platz zwei haben, allerdings mit nur rund zehn Prozent der Stimmen, gegenüber mehr als 50 Prozent für Vucic. Jankovic ist der frühere Ombudsmann der Regierung, eine Art Bürgerbeauftragter, inzwischen ein scharfer Vucic-Kritiker.
"Dies ist ein Land freier, fleißiger und kluger Menschen", sagt Jankovic. "Und dir, Aleksandar Vucic, ist dieses Volk nicht gut genug. Seit fünf Jahren verbreitest du Angst. Seit fünf Jahren hältst du unsere Köpfe unter Wasser und willst uns weismachen, dass uns schon morgen Kiemen wachsen. Genug! Es geht zu weit."
Machtmissbrauch, Einschüchterung von Gegnern – das ist es, was auch kritische Politikwissenschaftler und Bürgerinitiativen Aleksandar Vucic vorwerfen. Rasa Nedeljkov, der das Wahlbeobachtungs-Zentrum CRTA in Belgrad leitet, sagt:
"Es gibt viele Dinge, die internationalen Standards für freie und faire Wahlen widersprechen. Vucics Gegenkandidaten haben nicht annähernd den gleichen Apparat oder das gleiche Geld zur Verfügung. Vucic selbst geht als amtierender Premierminister in die Präsidentenwahl. Und seine allumfassende Macht im Land wirkt sich bis in die kleinste ländliche Gemeinde aus, er nutzt auch jeden Provinzbeamten zur Einflussnahme auf die Wähler."
Persönliche Angriffe, brutale Kampagnen voller Lügen und Verleumdungen
Und Vucic hat fast alle wichtigen Medien im Land unter Kontrolle, vor allem Fernsehsender und Boulevardpresse, betont Dragan Janjic, Chefredakteur der Nachrichtenagentur Beta:
"Die serbische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der keinerlei inhaltliche Debatten mehr geführt werden. Auch der Wahlkampf beschränkt sich fast ausschließlich auf persönliche Angriffe auf den politischen Gegner, brutale Kampagnen, die auf Lügen und Verleumdungen basieren. Und weil Vucics Partei die Geldflüsse im ganzen Land kontrolliert, kontrolliert er über deren Geldgeber auch die Medien. Und in den Boulevardblättern lesen wir alle paar Tage von angeblichen Verschwörungen, gegen die sich Vucic wehren müsse."
Ins Fadenkreuz der Vucic-nahen Boulevardpresse ist auch die Politologin Jelena Milic geraten, die das Zentrum für euro-atlantische Studien in Belgrad leitet. Sie wurde mit Verleumdungskampagnen überzogen. Fragt man Milic, was Aleksandar Vucics Erfolg ausmacht, antwortet sie:
"Rücksichtslosigkeit - verbunden mit einer Verkettung unglücklicher Umstände. Vucic konnte die EU benutzen, in dem er ihr gab, was sie brauchte. Erst Kosovo-Verhandlungen. Dann hat er geschickt seine Rolle in der Flüchtlingskrise gespielt. Auch weil die serbische Bevölkerung reformmüde war, konnte Vucic seinen mangelnden Respekt vor der Demokratie in einer Art und Weise einsetzen, die ihn als neugeborenen Demokraten erscheinen ließ.
"Aber", schränkt Milic abschließend ein, "die Machtstrukturen, die Vucic abseits staatlicher Institutionen aufgebaut hat – über Familienmitglieder, Kumpane – beginnen möglicherweise auf ihn zurückzufallen. Er hat zuletzt eine gewisse Nervosität gezeigt, eigentlich überraschend für jemanden, der in Umfragen über 50 Prozent Unterstützung und eine klare Mehrheit im Parlament hat."