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Wahl in Tunesien
Streit um die Zukunft des Landes

In einer Stichwahl stimmen die Tunesier heute über ihren künftigen Präsidenten ab. Der Ausgang gilt als richtungsweisend für das Land. Weltliches Patriarchat oder islamistischer Sozialstaat, das scheinen die Alternativen zu sein, zwischen denen sich die Bürger nach einem harten Wahlkampf entscheiden müssen.

Von Marc Dugge |
    Die Tunesier sind in der Stichwahl am Sonntag aufgerufen, ihren ersten demokratisch legitimierten Präsidenten zu bestimmen.
    Die Tunesier sind in der Stichwahl am Sonntag aufgerufen, ihren ersten demokratisch legitimierten Präsidenten zu bestimmen. (picture alliance / dpa - EPA)
    Diese Wahl soll die Demokratie in Tunesien endgültig besiegeln, den Schlussstrich ziehen unter die vier Jahre des Übergangs von Diktatur zu Demokratie. Die Tunesier wählen zum ersten Mal frei und direkt ihren Präsidenten. Neue Gesichter sind es allerdings nicht. Im Gegenteil. Auf der einen Seite ist da Moncef Marzouki, 69 Jahre alt und amtierender Übergangspräsident. Ein früherer Bürgerrechtler, der lange glaubwürdig gegen den Herrscher Ben Ali gekämpft hat. Und den die Revolution an die Spitze der Macht gespült hat. Marzouki hat als Präsident versucht, Islamisten und Weltliche an einen Tisch zu bringen, immer wieder an die gemeinsame Verantwortung appelliert. So auch im Wahlkampf:
    "Ich sage es allen Tunesiern: Ich bin ein verantwortungsbewusster Mensch, der möchte, dass der Staat funktioniert. Ich möchte gewinnen, um einen Ausgleich zwischen den Gewalten zu schaffen, denn das wird Demokratie entstehen lassen, und ich informiere als verantwortungsbewusster Politiker alle Tunesier, dass ich für Tunesien arbeiten werde."
    Und mit "allen Tunesiern" meint er besonders auch die Armen – von denen es vielen seit der Revolution vor vier Jahren wirtschaftlich noch viel schlechter geht. Marzouki hat deshalb besonders im verarmten Süden Tunesiens seine Anhänger, unter ihnen auch viele Islamisten. Für sie ist Marzouki das kleinere Übel gegen seinen Herausforderer Beji Caid Essebsi. Sollte Essebsi an die Macht kommen, fürchten sie, könnten die Islamisten wieder verfolgt, ihre Parteien verboten werden.
    Essebsi wirft Marzouki vor, mit Salafisten zusammenzuarbeiten
    So wie damals, unter Herrscher Ben Ali. Auch Essebsi hat zu dem Diktator Distanz gehalten, er galt als Ministerpräsident nach der Revolution als graue Eminenz. Einer, der Tunesien mit ruhiger Hand durch stürmische Zeiten führt. Jetzt will er noch mal an die Spitze des Landes, mit 88 Jahren - und schlägt dafür scharfe Töne an.
    Essebsi steht der Partei "Nida Tounes" vor, die sich für ein weltlich orientiertes Tunesien einsetzt. Und die sich als Bollwerk gegen die Islamisten versteht. Essebsi wirft Marzouki vor, explizit auf die Unterstützung von Islamisten zu zählen.
    "In seinem Wahlkampf hat er beispielsweise auf die Liga zum Schutz der Revolution zurückgegriffen. Das sind Gewalttätige. Und er hat, so heißt es, zu seinen Veranstaltungen auch gewisse Salafisten eingeladen."
    Zu solchen Vorwürfen sagt Marzouki nur kurz und bündig:
    "Salafisten und Terroristen wählen nicht!"
    Marzouki wirft Essebsi dagegen vor, viele Kader aus dem alten Regime hinter sich zu haben - und warnt vor einer Rückkehr der Diktatur. Die Präsidentschaftswahl in Tunesien ist ein Kampf zwischen zwei Lagern, die sich feindlich gegenüber stehen. Bei der ersten Runde Ende November lag das Lager der Islamistengegner unter Essebsi vorne. Mit Ergebnissen wird frühestens am Montag gerechnet.