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Wahlanalyse
CDU verliert 23.000 Wähler an AfD

Warum wurde die rechtspopulistische Alternative für Deutschland aus dem Stand zweitstärkste Kraft in Mecklenburg-Vorpommern? Sie war vor allem bei Arbeitern, Arbeitslosen und Selbstständigen erfolgreich und brachte 56.000 Nichtwähler dazu, wieder ihre Stimme abzugeben. Eine Wahlanalyse.

Von Sandra Schulz |
    Ein Werbe-Artikel der AfD mit der Aufschrift "25 Prozent" wird am 04.09.2016 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse zu den Landtagswahlen bei der Wahlparty in die Höhe.
    Für die AfD-Wähler war die Flüchtlingsfrage laut Wahlforschern das entscheidende Thema bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern. (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    Die Rot-Schwarze Regierung darf weitermachen, hat aber einen deutlichen Dämpfer eingesteckt. Gut fünf Prozentpunkte haben die Sozialdemokraten abgegeben, die Christdemokraten rund vier. Damit unterbietet die CDU ihren Negativ-Rekord von 2011 noch einmal. Seit 1990 hat die Partei in Mecklenburg-Vorpommern nicht so schwach abgeschnitten, wie bei dieser Wahl.
    Aus dem Stand auf deutlich mehr als zwanzig Prozent kommt die AfD – den Erfolg der jungen Partei in Mecklenburg Vorpommern erklärt der Wahlforscher Roberto Heinrich von Infratest dimap so:
    "Die AfD spricht Wähler an, die sehr frustriert sind, sehr unzufrieden, vor allem mit Blick auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die spricht aber auch Leute an, die extrem skeptisch sind, gegenüber unterschiedlichsten Entwicklungen, die wir beobachten, zum Beispiel Globalisierung, auch da überwiegt die Beunruhigung."
    AfD brachte 56.000 Nichtwähler an die Urne
    Bei Arbeitern, Arbeitslosen und aber auch Selbstständigen war die AfD besonders erfolgreich. Wie keine andere Partei hat sie die Menschen an die Wahlurne gebracht, die zuletzt nicht wählen gegangen waren. Die Alternative für Deutschland mobilisiert 56.000 Nichtwähler, fast doppelt so viel, wie SPD und CDU zusammen.
    Gleichzeitig verlieren alle bisher im Landtag vertretenen Parteien Wähler an die AfD - die stärkste Abwanderungsbewegung verzeichnet die CDU, mit 23.000 Wählern, die zur AfD gewechselt haben. Aber auch die rechtsextreme NPD verliert deutlich an die Alternative für Deutschland, etwa 20.000 Wähler. Den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag schaffen die Rechtsextremen nicht. Auch die FDP scheitert an der Fünfprozenthürde.
    Flüchtlingsfreundliche Haltung der Linken kam bei Wählern schlecht an
    Die Partei Die Linke hat mit der Konkurrenz um Protestwähler zu kämpfen. Sie gibt 18.000 Wähler an die Alternative für Deutschland ab, kassiert das schlechteste Ergebnis seit 1990. Eine Erklärung sieht Wahlforscher Heinrich darin:
    "Dass die wirtschaftliche Stimmung im Land sehr viel besser ist als 2011. Wir haben auch eine geringe Zahl von Leuten, die sich als Verlierer sehen. Und das verringert die Chancen, diese Leute als Protestwähler speziell anzusprechen."
    Aber auch die flüchtlingsfreundliche Haltung der Linken kommt bei vielen Wählern schlecht an, die Mehrheit meint, die Partei sehe Flüchtlinge viel zu positiv – kein unwichtiger Punkt, bei einer Wahl, die deutlich von der Flüchtlingsfrage überlagert war, so Wahlforscher Roberto Heinrich:
    "Das Flüchtlingsthema ist jedenfalls eines der zentralen Erklärungsmomente für die AfD. Für die AfD-Wähler war die Flüchtlingsfrage das entscheidende Thema. Für die Wähler der anderen Parteien war die Flüchtlingsfrage nicht das zentrale Argument. Hier standen landespolitische Überlegungen klar im Vordergrund."
    Grünen-Wähler wandern ab - vor allem zur SPD
    Die soziale Gerechtigkeit war für die Wähler von SPD und Linken besonders wichtig. Wirtschaft und Arbeitsplätze nannten mehr als zwei Drittel der CDU-Anhänger als das für sie wichtigste Thema.
    Die Grünen können nicht an den Erfolg von vor fünf Jahren anknüpfen und verpassen den Wiedereinzug in den Landtag. Sie verlieren an alle anderen im Landtag vertretenen Parteien Stimmen, besonders viele an die SPD, aber auch 3.000 an die Alternative für Deutschland.
    Fünf Jahre nach den energiepolitischen Diskussionen um Fukushima sind die Grünen mit ihrer politischen Arbeit quasi nicht durchgedrungen. Fast zwei Drittel der Wähler kannten am Wahltag die Grüne Spitzenkandidatin Silke Gajek nicht oder konnten zumindest ihre Arbeit nicht beurteilen.