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Wahlbehinderung in den USA
Die Strategie der Republikaner

Die Republikaner haben in diesem US-Wahlkampf alles versucht, um den Aufwind der Demokraten zu stoppen. Sie klagten gegen geltendes Wahlrecht, ließen sogar Wahllokale in Vierteln mit hohem demokratischen Wähleranteil schließen. Wahlbehinderung sei eine Spezialität der Republikaner, sagen Historiker.

Von Thilo Kößler |
Menschen warten vor einem Wahllokal in Philadelphia/ Pennsylvania darauf, ihre Stimme für die US-Präsidentschaftswahl 2020 abgeben zu können
Menschen warten vor einem Wahllokal in Philadelphia/ Pennsylvania darauf, ihre Stimme für die US-Präsidentschaftswahl 2020 abgeben zu können (AFP/Getty/ Mark Makela)
Bei seinen Wahlkampfauftritten in den letzten Wochen hat Donald Trump ein Thema nie vergessen: Seine Aversion gegen die Briefwahl. Sie öffne massenhaftem Wahlbetrug Tür und Tor, behauptet Donald Trump immer wieder. In Pennsylvania zum Beispiel werde man sich tagelang Zeit lassen, um die Stimmen der Briefwähler auszuzählen. Da könnten schlimme Dinge hinter den Kulissen passieren, mutmaßte er dieser Tage: Er werde diesen Betrug nicht zulassen.
Kampagne gegen die Briefwahl
Donald Trump widerspricht mit seiner These vom Wahlbetrug zwar allen Experten – sie ist ihm jedoch willkommen, um seine Anhänger aufzupeitschen. Immer wieder forderte er sie auf, vor den Wahllokalen Stellung zu beziehen, um sich als "Poll Watcher", als inoffizielle Wahlbeobachter, zu betätigen. Gegen diese Form der Intervention durch Trump-Anhänger ging zum Beispiel Philadelphia in Pennsylvania vor. Was man dort wohl zu verbergen habe?, fragte Trump empört.
Die Kampagne gegen die Briefwahl, Trumps Versuche, die Post zu sabotieren, damit sie Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig zustellen kann, der angebliche Wahlbetrug: Für den Historiker und Politologen Kevin Gannon von der Grand View Universität in Des Moines, Iowa, sind das alles taktische Bemühungen, um die Wahlen zu behindern und das Vertrauen in die amtlichen Ergebnisse zu untergraben.
Welche Rolle die Briefwahl bei der Präsidentschaftswahl spielt
Am 3. November findet in den USA die Präsidentschaftswahl statt. Wegen der Corona-Pandemie stimmen viele Menschen per Briefwahl ab. Das könnte erhebliche Auswirkungen auf den Wahl-Ausgang haben.
Republikanischen Bundesstaaten schränken Briefwahl ein
Adressaten dieser Politik der Verunsicherung und Abschreckung sind die Wähler der Demokraten – unter ihnen ist der Anteil der Briefwähler besonders hoch. Der Trend zur Briefwahl wird von der Coronakrise noch begünstigt. Die Republikaner indes lassen sich von der Pandemie viel weniger davon abhalten, ihre Stimme persönlich im Wahllokal abzugeben. Donald Trump befürchtet deshalb, dass ein hoher Anteil an Briefwahl-Stimmen zu seinen Lasten gehen muss.
Vor diesem Hintergrund tun auch die republikanischen Bundesstaaten alles, um die Option der Briefwahl so weit wie möglich einzuschränken. Sie überziehen die Gerichte mit Klagen gegen geltendes Wahlrecht. Der texanische Gouverneur Greg Abbott zum Beispiel setzte durch, dass jeweils nur eine einzige Box zur Stimmabgabe in jedem Bezirk stehen darf. Die Folge: Viele Wähler müssen hunderte von Kilometern zurücklegen oder sich durch den Großstadtverkehr kämpfen, ehe sie ihren Umschlag in die zugewiesene "ballot box" werfen können. Das sei ein klarer Versuch, die Wähler abzuschrecken, sagt Kevin Gannon.
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Alle Beiträge zur US-Wahl in unserem Dossier (picture alliance / Wolfram Steinberg)
Er bestätigt die alarmierende Beobachtung von US-Wahlexperten, wonach in vielen Bundesstaaten die Wahlgesetze abrupt geändert wurden oder zum Beispiel Wahllokale in Vierteln mit hohem demokratischen Wähleranteil geschlossen bleiben. Kevin Gannon spricht von einer organisierten Kampagne der Republikaner, um das demokratische Wählerpotential lokal und national zu schwächen.
Eingriff in demokratisches Grundrecht
Kevin Gannon ist sich mit vielen Historikerinnen und Historikern einig, dass diese Politik der gezielten Wahlbehinderung eine Spezialität der Republikaner ist, um dem demographisch wachsenden Stimmanteil der Demokraten entgegenzuwirken. Die Geschichte dieser zweifelhaften Strategie reiche zwar bis in die Zeit des Bürgerkriegs zurück, sei aber seit den Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung in den 1960-er Jahren immer raffinierter geworden.
Das Ziel sei es damals schon gewesen, das allgemeine Wahlrecht für die Afroamerikaner durch die Hintertür wieder einzuschränken. Unter Donald Trump hätten die Versuche, das Wahlrecht systematisch zu unterlaufen und den ganzen Wahlprozess zu unterminieren, mittlerweile bedenkliche Ausmaße angenommen, sagt Gannon: Eine Gesellschaft, die sich auf demokratische Grundprinzipien berufe, müsse zutiefst beunruhigt sein über eine Partei, die derart in die demokratischen Grundrechte eingreift.
Der Historiker aus Iowa verweist allerdings auch auf die hohe Zahl an Wählerstimmen, die schon vor dem eigentlichen Wahltag abgegeben wurden: Weit über 80 Millionen Stimmen, über die Hälfte aller Wähler vor vier Jahren. Und er beobachtet die langen Schlangen an Wählern, die sich bereits vor Wahllokalen in Georgia oder Pennsylvania gebildet haben. Stundenlang stehen Wähler an, um ihre Stimme abzugeben. Gannon sieht alle Anzeichen für eine unerwartet hohe Wahlbeteiligung und sagt: Offenbar verfängt die Strategie Trumps nicht mehr. Die Demokraten gehen dieses Mal wählen, koste es, was es wolle.