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Wahlen
Gekaufte Stimmen in der Ukraine

Während sich Opposition und Regierungsanhänger zu Massendemonstrationen in Kiew versammeln, finden in der Ukraine Nachwahlen zum Parlament statt. Kritiker prangern Unregelmäßigkeiten an, das Ergebnis der Abstimmung könnte der Opposition neuen Auftrieb geben.

Von Sabine Adler |
    In fünf sogenannten Problemwahlkreisen findet heute in der Ukraine die Nachwahl zum Parlament statt, die dank der Proteste im ganzen Land mit Aufmerksamkeit verfolgt werden wird. Die Beteiligung ist hoch. Auf dem Maidan soll heute die größte Massendemonstration der Regierungskritiker stattfinden, das Präsidentenlager versammelt sich ebenfalls.
    Vor mehr als einem Jahr wurde die Werchowna Rada gewählt, doch fünf Abgeordnete fehlen, was bedeutet, dass rund eine Million Bürger immer noch keinen Volksvertreter im nationalen Parlament haben. In ihren Wahlbezirken gab es derart viele Verstöße, dass das Wahlergebnis annulliert wurde.
    Die Europäische Union hatte die Nachwahl zur Bedingung für das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine gemacht, Anfang September, als die Regierung in Kiew noch den Anschein erweckte, dass sie die Annäherung wolle, war der Wahltermin festgesetzt worden.
    Stimmenkauf ist weit verbreitet
    Als Präsident Janukowitsch in Vilnius aber die Unterschrift verweigerte, nahmen die Verstöße im Wahlkampf sofort zu, sagt Olga Aibasowska von der Wahlbeobachterorganisation Opora. Am weitesten verbreitet ist der Stimmenkauf.
    "Für eine Stimme gibt es 400 Griwna, das sind 50 Dollar. Wer das Geld haben will, hat das dem Wahlleiter des Wahllokals vorher gemeldet, dessen Name wurde in eine Liste eingetragen. Am Wahltag hält er seinen Wahlzettel in eine Kamera, damit registriert wird, das er in der Kabine sein Kreuz auch richtig gemacht hat. Der Wahlleiter überzeugt sich davon und der Bürger bekommt die zugesagte Summe."
    Das ist dann häufig die zweite Tranche, denn die ersten 200 Griwna gibt es für die Absicht, seine Stimme zu verkaufen, die restlichen 200 wenn man so gewählt hat, wie verabredet. Für derartige Manipulationen haben die 120 Wahlbeobachter Beweismaterial aus dem Wahlbezirk 223 in Kiew und 194 in Tscherkassy.
    "Wir haben Filmaufnahmen von den Versammlungen, auf denen die Listen der Leute erstellt wurden, die für den Stimmenkauf in Frage kommen. Das ist eine Verletzung des Wahlrechts, die in zwei der fünf Wahlkreise häufig festgestellt wurde."
    Das Wahlbündnis wirft grundsätzliche Fragen auf
    Auch der Wahltag heute begann in Kiew mit Ärger. Im Kiewer Abstimmungslokal des Wahlkreises 223 wurde Abgeordneten und Journalisten zunächst der Zutritt verwehrt.
    150 Kandidaten bewerben sich um die fünf Direktmandate, die Partei der Regionen von Präsident Janukowitsch stellt keinen einzigen, die Opposition hat sich auf jeweils einen gemeinsamen Kandidaten verständigt. Für viele Wähler ist das ein Problem, denn Anhänger der Klitschko-Partei Udar oder der Timonschenko-Partei „Vaterland“ müssten dann in Kiew zum Beispiel dem Kanidaten der mit ihnen verbündeten Svoboda ihre Stimme geben, also Juri Lewtschenko wählen, der ein bekannter Nationalist der rechtsradikalen Partei ist.
    Dieses Wahlbündnis wirft grundsätzliche Fragen auf, ob die Oppostion tatsächlich gemeinsame Sache mit den Nationalisten machen sollte oder sich dadurch nicht selbst dikreditiert. Boxweltmeister Klitschko hatte sich kürzlich vorsichtig distanziert und gegesagt, die Svoboda-Leute seien für ihn keine Helden.
    Neuer Aufschwung für die Protestbewegung
    Die Regierungskritiker auf dem Maidan-Unabhängigkeitsplatz haben einen zweiten Erfolg zu vermelden: Nach der Freilassung ihrer Mitstreiter wurden die Verantwortlichen für die unverhältnismäßigen Polizeieinsätze suspendiert, der amtierende Bürgermeister in Kiew Oleksander Popow und der Chef der Nationalen Sicherheit Wolodymyr Sivkovic. Der Polizeichef von Kiew und ein Hoher Beamter stehen unter Hausarrest.
    Auf dem Europaplatz findet heute eine Kundgebung des Regierungslagers statt. Trotz der angespannten Lage gestern kam es nicht zu Zusammenstößen.
    Neuen Aufschwung könnte der Protestbewegung die geplante Unterzeichnung eines Wirtschaftsabkommens mit Russland bringen, die Premier Asarow für Dienstag angekündigt hat. Die Opposition verlangt nach wie vor seinen Rücktritt.