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Wahlen in Grossbritannien
Schottische Nationalpartei vor Erdrutschsieg

Die Scottish National Party hat ihr Ziel, die Unabhängigkeit, beim Referendum zwar nicht erreicht. Trotzdem hat die Partei vor den Wahlen zum britischen Unterhaus Rückenwind - und will als schottische Stimme in Westminster möglichst viele Abgeordnete nach London entsenden.

Von Friedbert Meurer |
    Nicola Sturgeon von der schottischen SNP lehrt die etablierten Parteien das Fürchten.
    Nicola Sturgeon von der schottischen SNP lehrt die etablierten Parteien das Fürchten. (dpa / picture alliance / Robert Perry)
    "Begrüßen Sie mit mir die einzige Parteivorsitzende in Großbritannien, die bei den Menschen beliebt ist. Unser 'First Minister': Nicola Sturgeon!"
    Parteitag der Scottish National Party vor ein paar Wochen: Nicola Sturgeon, die neue Nummer eins der Partei, wird überschwänglich begrüßt als die einzige Parteivorsitzende in ganz Großbritannien, die von den Menschen wirklich gemocht wird.
    Jung, weiblich, beliebt
    Nicola Sturgeon hat das Kunststück geschafft, in Schottland noch beliebter zu sein als der ebenfalls schon charismatische Alex Salmond. Er hatte nach der Niederlage beim Unabhängigkeitsreferendum den Platz für Sturgeon geräumt und will stattdessen jetzt ins Unterhaus nach London wechseln. Die Scottish National Party ist nicht alt und männlich, heißt das, sondern Nicola Sturgeon gibt der Partei ein weibliches Gesicht.
    "Nicola, Nicola Nicola!"
    Die SNP-Vorsitzende wird hier in Glasgow von ihren Anhängerinnen bejubelt. Sie kommt an, weil sie über die Alltagsprobleme der Menschen redet, über Schule und Kinder, Krankenhäuser und Ärzte. Die SNP tickt links, eine sozialdemokratische, nationale Partei. Das Thema "Unabhängigkeit von Großbritannien" liegt stattdessen zumindest im Moment auf Eis, zu deutlich war ja auch die Niederlage beim Referendum.
    "Wir machen Wahlkampf dafür, die Austeritätspolitik der Tories zu beenden. Schluss mit den Einschnitten im Sozialsystem, unter denen besonders wir Frauen leiden."
    Boom wegen Niederlage
    Die SNP steht in Schottland vor einem Erdrutschsieg: Vor fünf Jahren gewann sie von den 59 Mandaten gerade einmal sechs, jetzt werden es vielleicht 40 oder 50 werden oder sogar noch mehr. Die deutsche Politikwissenschaftlerin Bettina Petersohn forscht an der Universität Edinburgh am Zentrum für verfassungspolitischen Wandel in Großbritannien und erklärt den Boom der SNP gerade mit der vorangegangenen Niederlage beim Referendum:
    "Es hat eine unglaubliche Mobilisierungswelle bei den Wählern gegeben: Parteineuzugänge für die SNP, für die Grüne Partei - also für alle Parteien, die die Unabhängigkeit unterstützt haben. Diese Mobilisierung trägt auch noch weiter. Die Menschen wollen dabei sein, sie wollen Veränderung und die SNP steht für diese Veränderung, selbst wenn es jetzt die Unabhängigkeit nicht geworden ist."
    Jetzt zeigen wir es Westminster erst recht, das scheint die Devise zu sein. Die schottische Studentin Christina, die gerade aus der Mensa der Uni kommt, spricht von einem Bedürfnis nach Überkompensation - Schottland soll eben jetzt in Westminster in London eine Stimme sein, die Gehör findet - und mehr Einfluss.
    SNP könnte für Regierungskonstellation entscheidend sein
    Die SNP könnte darüber hinaus zum Zünglein an der Waage werden - und eine Minderheitsregierung von Labour, den britischen Sozialdemokraten, tolerieren. Labour-Chef Ed Miliband beteuert allerdings: Das machen wir auf keinen Fall! Kein Deal mit der SNP! Miliband will nicht seine Wähler in England verprellen.
    Der Reporter von Sky News fragt Nicola Sturgeon genau nach dieser Absage Milibands an einen "Deal". Sie bleibt dabei, die SNP will Königsmacherin werden. Das würde man in ganz Großbritannien Labour nicht vergessen, wenn die Tories weiter regierten, obwohl es eine linke Mehrheit dagegen im Unterhaus gibt.