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Wahlen in Lettland
Kein Regierungswechsel erwartet

Am Samstag wurde in Lettland ein neues Parlament gewählt, Ergebnisse werden Sonntag Nachmittag erwartet. Die Wahl stand unter dem Eindruck der Ukraine-Krise. Denn in dem Nachbarland Russlands ist die Angst vor einer Destabilisierung groß. Experten erwarten deswegen keinen Regierungswechsel.

Von Sabine Adler | 04.10.2014
    Sorge bestimmt die Wahl, Erinnerungen daran, dass der übermächtige Nachbar bereits zweimal das Land besetzt hat, sind wieder wach und dürften das Abstimmungsverhalten maßgeblich beeinflussen, prognostiziert der Politologe Janis Ikstenz von der Lettischen Universität in Riga.
    "Russland hat alles dafür getan, dass das Misstrauen ihm gegenüber gestiegen ist. Und es gibt viele Parallelen zwischen Lettland und der Ukraine. Und deswegen fragen sich natürlich viele, ob Lettland als nächstes an der Reihe ist."
    Lettland hat die größte russische Minderheit in Europa, die allerdings keineswegs geschlossen hinter der Politik Moskaus steht. Die zwei russischen Parteien dürften für Kreml-Kritiker jedoch kaum interessant sein. Die russische Union Lettlands ist radikal, unterstützt Separatisten in der Ukraine und droht der EU. Miroslaw Mitrofanow:
    "Unser Vertrag mit der Führung der Krim sollte nicht mehr und nicht weniger als unsere Solidarität ausdrücken. Das ist eine Investition in die Zukunft. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Und es ist ein Signal in Richtung EU. Wenn sie nicht die Entwicklung Lettlands vorantreibt und die Armut vermindert, dann könnte in Zukunft die Sympathie des lettischen Volkes auf Russland übergehen. Und dann wird Russland für das Wohlergehen der Letten Sorge tragen. Das ist keine Erpressung, sondern eine philosophische Überlegung, die die rechten Politiker anstellen sollten."
    300.000 Russen haben noch immer keinen Pass, weil sie die Einbürgerungstests verweigern, Russisch als zweite Amtssprache haben die Letten in einem Referendum vor zwei Jahren zu 75 Prozent abgelehnt.
    "Krieg hat das Auftreten der Parteien geändert"
    Deutlich moderater tritt die zweite russische Partei in Lettland auf, mit Namen Harmonie. Ihr Vorsitzender Nils Uschakow besuchte kürzlich den russischen Ministerpräsidenten Dimitri Medwedjew, um mit ihm Importmöglichkeiten für lettische Produkte an den EU-Sanktionen vorbei auszuloten. Seitdem muss er den Besuch wieder und wieder erklären. Vor allem aber seinen Satz, Wladimir Putin sei der beste Präsident, den man sich für Russland wünschen könne.
    "Die populärsten Kandidaten, wenn jetzt Präsidentschaftswahlen wären, sind nach Wladimir Putin Wladimir Schirinowski und Gennadi Sjuganow. Da ist Putin besser als ein nationalistisch-radikal gestimmter Schirinowski."
    Uschakows Haltung wird als prorussisch verstanden, weshalb er mit der Neuaufstellung seiner Partei als erste sozialdemokratische Kraft in Lettland kaum durchdringt. Unter allen elf lettischen Parteien, von denen fünf erstmals antreten, kritisieren alle Russlands Destabilisierungspolitik in der Ukraine. Radikale nationalistische Töne sind kaum zu hören, da sie sich weitgehend einig sind bei der Erhöhung der Militärausgaben und der stärkeren Präsenz der NATO, beobachtete der Politologe Janis Ikstenz.
    "Wenn man sich die Umfragen ansieht, kann davon keine Rede sein. Aber der Krieg hat das Auftreten der Parteien geändert. Heute ist die Sicherheit das Wichtigste und das geht so weit, dass Demonstrationen zum Beispiel für soziale Ziele abgesagt werden, weil man das Land auf keinen Fall irgendwie destabilisieren will."
    Die meisten Soziologen erwarten keinen Regierungswechsel, sondern höchstens eine Erweiterung der Mitte-Rechts-Koalition von drei auf vier Parteien.