Vor genau vier Jahren errang die rechtsliberale polnische Regierungspartei "Bürgerplattform" einen historischen Sieg: Zum ersten Mal seit der demokratischen Wende 1989 blieb eine polnische Partei nach einer Parlamentswahl an der Macht. Das Gesicht des Triumphes gehörte Donald Tusk, dem damaligen polnischen Premier und heutigen EU-Ratspräsidenten. Kaum einer achtete damals auf den Verlierer, auf Tusks ewigen Rivalen - Jaroslaw Kaczynski. Der stellte sich am Wahlabend vor seine Anhänger und sagte:
"Ich bin tief überzeugt, meine Damen und Herren, dass der Tag kommt, an dem wir es schaffen werden. Wir werden in Warschau unser Budapest haben."
Kaczynskis PiS-Partei liegt laut Umfragen weit vorne
Kaczynski wusste, dass seine Anhänger ihn verstanden. Mit "Budapest" meinte er den Wahlsieg von Viktor Orban 2010, nur ein Jahr zuvor. Der heute 66-jährige Kaczynski drückte immer wieder seine Bewunderung für Viktor Orban aus. Am kommenden Sonntag könnte die Prophezeiung in Erfüllung gehen. Kaczynskis rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit, kurz PiS, liegt in allen Umfragen weit vorne - über zehn Prozentpunkte vor der Bürgerplattform. Wenn die PiS gewinnt und im Sejm eine Mehrheit schmiedet, kehrt auch sie nach genau acht Jahren an die Macht zurück. Liberale Beobachter warnen, so der Ökonom und ehemalige Privatisierungsminister Waldemar Kuczynski:
"Im schlimmsten Fall haben wir die Zerstörung des demokratischen Systems in Polen zu erwarten. Es wird zum Versuch kommen, es durch einen Typ Demokratie zu ersetzen, wie wir ihn heute in Ungarn haben, also durch eine Art autoritärer Herrschaft. Das ist das eigentliche Ziel der PiS unter der Führung von Jaroslaw Kaczynski."
PiS hat verschiedene Gesichter hat
Tatsächlich ging die erste PiS-Regierung unter Jaroslaw Kaczynski alles andere als zimperlich um mit den demokratischen Institutionen. Sie setzte die Staatsanwaltschaft auf politische Gegner an. Der Geheimdienst überwachte die Telefone kritischer Journalisten. Mit der Losung, eine neue, vierte Republik gründen zu wollen, zeigte die PiS damals ihre Verachtung gegenüber dem Staat, wie er sich nach der Wende herausgebildet hatte.
"Unsere Kinder hungern", hieß es in einem Wahlspot. Der Film ist eine Collage von Fotos ausgehungerter Kinder und Aussagen von Regierungsvertretern. Einige Fotos sind nur für wenige Zehntelsekunden zu sehen, sollen also offenbar nur auf das Unterbewusstsein einwirken und Angst machen. Wie auch einige jüngste Aussagen von Jaroslaw Kaczynski, meint die Soziologin Karolina Wigura.
"Seine Aussagen zu den Flüchtlingen, die aus dem Nahen Osten nach Europa kommen, sind ein typisches Beispiel für die Sprache der Angst. Vor allem seine letzte Bemerkung, diese Menschen brächten gefährliche Parasiten mit. Diese Art von Sprache kann eine Demokratie sehr schnell in eine Diktatur verwandeln."
Doch ist der Vorwurf gerechtfertigt? Beobachter weisen auch darauf hin, dass die PiS verschiedene Gesichter hat. Der Parteivorsitzende Kaczynski tritt nicht als Spitzenkandidat an, weil er die Gesellschaft zu sehr polarisiert. Stattdessen bewirbt sich die 52-jährige Beata Szydlo für das Amt der Ministerpräsidentin. Sie tritt gemäßigt und sachlich auf, vor allem im Endspurt des Wahlkampfs.
Niemand könne heute sagen, wie eigenständig Beata Szydlo agieren werde, wenn sie Ministerpräsidentin wird, sagt der Warschauer Soziologe Andrzej Rychard.
"Es kann sein, dass Jaroslaw Kaczynski plant, im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Das heißt aber noch nicht, dass ihm das auch gelingen wird. Als Ministerpräsidentin wird Beata Szydlo eine sehr starke Position haben. Vielleicht macht die PiS mit ihr gerade einen sehr ernsthaften Wandel durch."