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Wahlen in Simbabwe
"Die Menschen haben das Gefühl: jetzt oder nie"

Die Präsidentschaftswahlen in Simbabwe finden erstmals seit knapp 40 Jahren ohne Robert Mugabe statt. In dem Land sei eine Aufbruchstimmung spürbar, sagte David Mbae von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare im Dlf. Noch nie sei das Interesse an den Wahlen so groß gewesen - vor allem bei jungen Menschen.

David Mbae im Gespräch mit Ann Kathrin Büüsker |
    David Mbae
    David Mbae, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
    Ann-Kathrin Büüsker: In Simbabwe wird heute gewählt, die Bürgerinnen und Bürger können einen neuen Präsidenten bestimmen. Es sind die ersten Wahlen ohne Robert Mugabe, der ja im vergangenen Jahr abgesetzt worden war, und viele Beobachter erhoffen sich von dieser Wahl eine große Chance für das Land, für die Menschen dort. Und wir wollen das Ganze vertiefen hier im Deutschlandfunk, gemeinsam mit David Mbae. Er ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Simbabwes Hauptstadt Harare und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    David Mbae: Guten Morgen!
    Büüsker: Sind Sie auch so optimistisch, wie das gerade im Bericht unserer Korrespondentin durchklang, dass diese Wahl tatsächlich was im Land verändern kann?
    Mbae: Ich denke durchaus, dass diese Wahl im Land etwas verändern kann, denn sie stellt in der Hinsicht eine Zäsur dar, dass die Opposition und die Zivilgesellschaft bislang noch nie so frei ihren politischen Willen äußern konnte, und es besteht auch die Hoffnung, dass dies auch in Zukunft unter einer neuen Regierung der Fall sein wird.
    Kein wirtschaftlicher Aufschwung ohne internationale Gemeinschaft
    Büüsker: Wie ist das zu erklären, dass plötzlich so was wie Meinungsfreiheit tatsächlich möglich ist?
    Mbae: Ich denke, dafür gibt es verschiedene Gründe. Zunächst einmal ist zu nennen, dass die aktuelle Regierung unter Präsident Mnangagwa eingesehen hat, dass es ohne die internationale Gemeinschaft nicht geht. Das bedeutet vor allem, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft nicht möglich ist, und damit ist eben auch verbunden, dass entsprechende Rechte der Bürger geachtet werden müssen. Dies ist einer der Gründe, und zum anderen muss man auch sagen, dass gerade das Regierungslager gespalten ist, sodass es auf der einen Seite eher progressive Kräfte gibt, und auf der anderen Seite Kräfte, die sich nach den Zeiten unter Robert Mugabe zurücksehnen. Und das hat eben dazu geführt, dass der Staatsapparat hier und da auch einfach gar nicht mehr in der Lage ist, derartig Kontrolle auszuüben, wie er es in der Vergangenheit getan hat.
    Büüsker: Wie hat denn dieses Kontrolleausüben in der Vergangenheit funktioniert?
    Mbae: Es gab hier in Simbabwe oder es gibt einen sehr starken Sicherheitsapparat. Es gibt nach wie vor eine sehr große Armee, es gibt nach wie vor eine sehr große Polizei. Und es gab einen sehr starken, dominanten Geheimdienst, der gerade im Bezug auf die Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten eine traurige Rolle gespielt hat. Das wurde ja auch in Ihrem Beitrag bereits erwähnt. Gerade Journalisten und Personen aus der Zivilgesellschaft, Menschen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen et cetera auseinandergesetzt haben, waren dementsprechend Repressalien ausgesetzt.
    Büüsker: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist der offenere Kurs, den die jetzige Regierung fährt, das Resultat dessen, dass man eingesehen hat, wenn man internationale Investoren haben möchte, dann muss man den eigenen Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte geben?
    Mbae: Man kann durchaus sagen, dass man eingesehen hat, dass man sich an gewisse Regeln halten muss, wenn man mitspielen möchte. Und inwiefern diese Erkenntnis wirklich von Herzen kommt, das ist die große Frage, die sich auch die Simbabwer im Augenblick stellen.
    Drängendstes Problem: Desolate Wirtschaftslage
    Büüsker: Schauen wir vielleicht mal gemeinsam in das Land hinein. Wo sehen Sie gerade die drängendsten Probleme?
    Mbae: Die drängendsten Probleme für die einfache Bevölkerung sind zunächst einmal die desolate Wirtschaftslage, die hohe Arbeitslosigkeit. Wenn wir auf das Land blicken, wo ein Großteil der Bevölkerung lebt, ist die Landwirtschaft zusammengebrochen. Was früher einmal einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren war, liegt derzeit teilweise darnieder und ist unproduktiv, sodass das Land beispielsweise Weizen importieren muss, was früher nicht nötig war. 1,5 Millionen Menschen, so schätzen Experten, sind in diesem Jahr abhängig von Nahrungsmittelhilfe, in einem Land, dass grundsätzlich die Kapazitäten hätte, seine eigene Bevölkerung zu ernähren. Das sind zunächst einmal die drängendsten Fragen, die den einfachen Simbabwer umtreiben.
    Büüsker: Und haben die politischen Parteien Konzepte, dagegen etwas zu tun?
    Mbae: Es gibt Konzepte, wobei es gibt Manifestos, welche die beiden größten Parteien entsprechend herausgegeben haben, die aber letztlich eher Leitlinien einer Politik darstellen und weniger konkrete Pläne. Hört man sich die Wahlkampfreden an und hört man sich die Aussagen der Kandidaten an, so wird schon viel in großen Themen gesprochen, es werden Leitlinien beschworen. Aber konkrete Pläne, wie das Ganze umgesetzt werden soll, sind leider nicht zu erkennen.
    "Braindrain" schwächt das Land
    Büüsker: Wie steht es insbesondere um das Leben der jungen Bevölkerung?
    Mbae: Die junge Bevölkerung ist eben genau von den Problemen betroffen, die ich eben geschildert habe. Zunächst einmal, in den Städten ist ein großes Problem die Arbeitslosigkeit. Es gibt eine große Perspektivlosigkeit. Es werden zwar Hochschulabschlüsse absolviert, doch danach weiß man nicht, wohin. Viele gut ausgebildete Menschen verlassen das Land, wenn sie können, was natürlich wiederum ein sehr negativer Effekt ist für das Land und das Land auch in den letzten 20 Jahren entsprechend weiter geschwächt hat, weil ein sogenannter Braindrain entsprechend eingesetzt hat und auch weiterhin der Fall ist. Und auf dem Land ist es häufig so, dass die Schulabbrecherquoten hoch sind, da Kinder und Jugendliche entsprechend zur Ernährung der Familie beitragen müssen oder ganz einfach das Geld für die benötigten Schulgebühren fehlt.
    Büüsker: Wie erleben Sie das derzeit, wie groß ist jetzt das Interesse an dieser Wahl?
    Mbae: Ich glaube, das Interesse vor allem der jungen Bevölkerung war noch nie so hoch. Gerade in den Städten und bei jungen Leuten gibt es zum ersten Mal das Gefühl, dass die eigene Stimme wirklich zählt. In der Vergangenheit hatte sich eine gewisse Politikverdrossenheit eingestellt, da man immer davon ausgegangen ist, am Ende gewinnt sowieso ZANU-PF, und auch, wenn ich für die Opposition stimme, dann zählt meine Stimme entweder nicht oder ich muss sogar mit Repressalien rechnen. Und in diesem Jahr ist es nun wirklich so, dass eine gewisse Aufbruchsstimmung herrscht und die Menschen das Gefühl haben, jetzt oder nie.
    Mugabe muss ruhen
    Büüsker: Und liegt das daran, dass Robert Mugabe nicht mehr im Rennen ist?
    Mbae: Wenn Robert Mugabe noch im Rennen wäre, dann wäre es tatsächlich möglich, dass eine ähnliche Euphorie für die Opposition da ist, da, wenn sie gegebenenfalls das Interview gesehen haben, dass Robert Mugabe gestern noch gegeben hat, viele Menschen einfach nur glauben, dieser Mann muss ruhen und muss sich aus der Politik unseres Landes heraushalten. Ich glaube aber vor allem, die Euphorie hat durchaus auch damit zu tun, dass Mugabe nicht mehr da ist, denn die Menschen haben in den vergangenen Monaten, seit dem erzwungenen Rücktritt Mugabes eine gewisse Freiheit gespürt, die sie zuvor so nicht kannten. Und jetzt haben sie wirklich auch das Gefühl, dass sie diese Freiheit mit ihrer eigenen Stimme entsprechend fördern können oder aufrechterhalten können.
    Büüsker: Sie haben das Interview von Robert Mugabe gestern angesprochen. Er hat darin ja auch mit seiner eigenen Partei gebrochen, die will er nicht weiter unterstützen. Hat Mugabe noch irgendeinen politischen Einfluss im Land?
    Mbae: Politischen Einfluss, der sich in Wählerstimmen niederschlagen kann, nicht. Es gibt durchaus noch diejenigen innerhalb von ZANU-PF, die auf der falschen Seite in Anführungsstrichen des Wechsels standen, also dieser Fraktionskampf ist noch lange nicht beendet, und es gibt immer noch Leute, die gegen Mnangagwa sind und entsprechend sich nach den Zeiten zurücksehnen, als es Mugabe noch gab. Aber ein signifikanter Spieler im politischen Spiel ist er definitiv nicht mehr.
    Gute Chancen für die Opposition
    Büüsker: Für wie groß halten Sie die Chancen des Oppositionskandidaten, sich tatsächlich durchzusetzen?
    Mbae: Die Chancen stehen gut. Im Moment kann man kaum voraussagen, wie die Wahl ausgehen wird. Es gibt in der Hinsicht gute Chancen für MDC, da eben, wie schon angesprochen, fast die Hälfte alle Wähler unter 40 Jahren sind und der Kandidat allein aufgrund seines jugendlichen Daherkommens schon attraktiv ist. Hier in den Städten hat MDC sowieso seine Stärken, und dass hier MDC die stärkste Kraft werden wird, ist mehr oder weniger klar. Die große Frage bleibt allerdings, wie sich die Stimmen auf dem Land verteilen.
    Auf dem Land war und ist ZANU-PF sehr stark, sehr gut organisiert. Und MDC hatte in diesem Wahlkampf zum ersten Mal eben auch die Möglichkeit, auch in ländliche Regionen im Wahlkampf vorzudringen und dementsprechend Wähler zu mobilisieren. Das sind durchaus positive Faktoren. Doch es gibt auch einige Fragezeichen, denn zunächst einmal ist es immer noch so, dass beispielsweise die Staatsmedien sehr einseitig berichten und dort ZANU-PF eben Vorteile hat. Das Gleiche gilt auch eben für die Parteienfinanzierung zum Beispiel. Und da wird die große Frage am Ende sein, ob es dann reicht, dass ZANU-PF unbeliebt ist, für MDC, die Wahlen zu gewinnen.
    Büüsker: Sagt David Mbae. Er ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Simbabwe. Ganz herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen heute Morgen hier im Deutschlandfunk!
    Mbae: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.