Seit der Gründung der Ersten Republik Österreich 1918 residieren im Wiener Rathaus - Ständestaat und NS-Regime ausgenommen - Sozialdemokraten. Der Sozialdemokrat Michael Häupl ist seit gut 20 Jahren Bürgermeister der österreichischen Hauptstadt. Der 66-Jährige will es auch weiter bleiben. Noch vor ein paar Monaten galt das als sicher. Die Bilanz seiner rot-grünen Koalition ist nicht schlecht: Die Zwei-Millionen-Stadt hat eine hohe Lebensqualität und mit nur 365 Euro für ein Jahresticket den billigsten öffentlichen Nahverkehr einer Großstadt, aber eine Rekordverschuldung und eine Rekordarbeitslosigkeit. Sparen ist Michael Häupl und seinen Sozialdemokraten kein Ausweg:
"Wir sagen, wir wollen uns nicht in die nächste Krise hineinsparen, sondern durch Investitionen uns Herausinvestieren aus der Krise, so in Wirtschaftswachstum induzieren, aber da müssen wir alle miteinander, zusammen, helfen. Es funktioniert ja in Teilen von Europa, also geh ich davon aus, dass es auch bei uns funktionieren kann."
Doch Schulden und Arbeitslosigkeit spielen kaum eine Rolle im Wahlkampf, um die Macht im Wiener Rathaus, sondern das Flüchtlingsthema. Gut für die rechtspopulistischen FPÖ. Seit zehn Jahren versucht deren Parteichef Heinz-Christian Strache mit einer populistischen Anti-Ausländerpolitik zu punkten und Bürgermeister von Wien zu werden. Statt mit Wahlsprüchen "Daham statt Islam" oder "Mehr Mut zu Wiener Blut" rechten Wähler zu erreichen, buhlt Strache diesmal um die Mitte. Auf Plakaten verspricht er eine "Oktoberrevolution" - "Wien tauscht Häupl gegen HC Strache und nimmt für Rot-Grün süße Rache" - lässt er reimen.
Noch viele Unentschlossene
Staatsmännisch warnt Heinz Christian Strache: "Ich halte es für unverantwortlich, davon zu reden, dass diese Zuwanderung, die Völkerwanderung, auch nur ansatzweise verkraftbar ist." Die Unterbringung von Flüchtlingen verläuft in Wien derzeit fast reibungslos. Bürgermeister Michael Häupl will die Stadt für Asylsuchende offen halten. Dass die Arbeitslosigkeit dadurch dramatisch steigen wird, daran glaubt Häupl nicht: "Das jetzt die Flüchtlinge, die tatsächlich bei uns bleiben, weil der überwiegende Teil, 95 Prozent ziehen ja durch, das die jetzt ein wirkliches Problem für den Arbeitsmarkt darstellen würden, das ist nicht unbedingt zu sehen. Nein, die Wirtschaftskrise, die macht mir Sorgen."
Seine grüne Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin der Grünen, Maria Vassilaku, geht die FPÖ und dessen Kandidaten Heinz Christian Strache gern direkt an, auch dessen Umgang mit Flüchtlingen: "Sie sind beim Hetzen Erster, beim helfen Letzter."
Die kleineren Parteien, wie die konservative ÖVP oder die neoliberalen NEOS haben es schwer, sich mit eigenen Themen im Wahlkampf zu positionieren. Nach Schätzungen sind bis zu 300.000 Wienerinnen und Wiener noch unentschlossen oder wollen nicht wählen. Um so kämpfen alle Parteien bis zum Schluss. Für den Politologen Peter Filzmeier gibt es zwei Typen von Nichtwählern in Wien: "Der eine Typus ist der eher Politikferne, der bei den letzten Wahlen schon öfter nicht hingegangen ist, da ist eher die These, je mehr solche hingehen, die wählen logischerweise eine Oppositionspartei, vor allem die FPÖ. Es gibt aber auch den Typus Nichtwähler: Hofratswitwen beiderlei Geschlechts und jedweden Alters, also ein eher bürgerliches Publikum, um das sich aber jetzt die um den ersten Platz Kämpfenden bemühen. Denn die haben vielleicht eine Meinung, ich will Häupl auf Platz eins und die SPÖ oder Strache/FPÖ."
Dabei stimmen die mehr als eine Million Wahlberechtigten nicht direkt über den Bürgermeister ab, gewählt wird der Gemeinderat, der dann mit einer Mehrheit den Bürgermeister bestimmt. Ein rechter Bürgermeister im einst Roten Wien gilt da als ziemlich unwahrscheinlich.