Ayhan und Elif Odabaş zeigen im Hof des türkischen Konsulats in Berlin ihre türkischen Ausweise vor, bekommen ihre Stimmzettel und gehen in die Wahlkabinen. Sie haben beide die AKP gewählt, weil sie Anhänger des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan sind.
"Ich bin der Meinung, was er macht, ist alles richtig – egal, was er macht", sagt Ayhan Odabaş. "Wir stehen einfach voll und ganz hinter ihm, weil wir in der Meinung sind, dass er alles richtig macht", Elif Odabaş.
Staatspräsident im Wahlkampfmodus
Erdoğan ist seit letztem Jahr Staatspräsident und laut Verfassung zur politischen Neutralität verpflichtet. Aber er macht jeden Tag Wahlkampf für die AKP. Sollte die von ihm gegründete islamisch-konservative Partei eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament bekommen, will Erdoğan die Verfassung ändern und das Präsidialsystem einführen. Alle anderen Parteien versuchen, das zu verhindern. Doch Erdoğans Gegner bilden kein gemeinsames Lager. Die Anhänger der Republikanischen Volkspartei, CHP, sind traditionelle Anhänger des Staatsgründers Atatürk, der Staat und Religion getrennt hat. Erdoğan wolle Atatürks Reformen aufheben und das Land islamisch regieren, sagt CHP-Wähler Salih Gümüş.
"Er möchte Diktator werden, ganz einfach. Er will über alles herrschen. Und das ist nicht gut. Das macht Türkei kaputt."
Wahlentscheidend könnten die Auslandsstimmen für die prokurdische HDP werden. Die Demokratische Partei der Völker tritt zum ersten Mal als Partei an; und es ist nicht sicher, ob sie die Zehn-Prozent-Hürde überspringen kann. Die Partei ist ein Sammelbecken von Kurden, linken türkischen Gruppierungen und verschiedenen Minderheiten.
Als einzige Partei hat sie außerdem eine 50-Prozent-Quote für Frauen. Sie ist die einzige Kraft, die Erdoğans Pläne zunichtemachen könnte. Sollte sie ins Parlament einziehen, könnte Erdoğans AKP nicht mehr allein regieren. Auch eine Zweidrittel-Mehrheit wäre nicht mehr möglich. Die 21-jährige Buket steht mit ihrer Mutter in einer Schlange. Sie wollen die HDP wählen, weil sie keine ethnischen und religiösen Unterschiede mache, sagt Buket.
"Das versucht ja die HDP: Wir sind eins, aber unser Baum hat viele verschiedene bunte Blätter. Deshalb finde ich diese Philosophie von der HDP toll. Wir fühlen uns dort sehr angekommen und wählen deshalb die HDP."
Jeder dritte Türke an der Urne
Die Wahlbeteiligung liegt bundesweit bei knapp 35 Prozent, sagt der Berliner Generalkonsul, Ahmet Başar Şen und wertet das als Erfolg. Die Auslandstürken dürfen erst seit letztem Jahr in den jeweiligen Ländern abstimmen. Bei der ersten Auslandswahl im letzten August waren nur gut zehn Prozent der stimmberechtigten Türken zur Wahl gegangen. Damals wurde der Staatspräsident gewählt.
Drei Wochen lang konnten nun die Auslandstürken ihre Stimmen für die Parlamentswahl abgeben. Diese Frist ist am Sonntagabend abgelaufen. Die abgegebenen Stimmzettel wurden mit einer Sondermaschine der Regierung in die Türkei geflogen und werden dort gezählt. Die Stimmen aus dem Ausland werden auf die landesweite Stimmverteilung der Parteien addiert.