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Wahlkampf im Katastrophengebiet
"Politiker sind rational und machen das dezent"

Helmut Schmidt nach der Sturmflut in Hamburg, Gerhard Schröder in Gummistiefeln nach dem Elbe-Hochwasser - solche Bilder können Einfluss auf die Wahlentscheidung haben, sagte Politologe Wolfgang Merkel im Dlf. So könne sich nun zum Beispiel Armin Laschet endlich als tatkräftiger Politiker zeigen.

Wolfgang Merkel im Gespräch mit Melanie Longerich |
Bundeskanzlerin Angela Merkel steht mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der Bürgermeisterin von Bad-Münstereifel in einer zerstörten Straße
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet kann sich im Krisengebiet als Landesvater präsentieren, als Kanzlerin wird von Angela Merkel Ähnliches erwartet (picture alliance/dpa/AFP Pool | Christof Stache)
Trotz aller Betroffenheit mit den Flutopfern hat der Kampf um die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht aufgehört. Denn Auftritte im Hochwassergebiet haben Potential und können bei Wählerinnen und Wählern bleibenden Eindruck hinterlassen, vorallem wenn sie zeitlich nah an den Wahlen liegen, erklärt Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel von der Humboldt-Universität in Berlin.
Beispiele in der Geschichte gibt es einige. 1962 übernahm nach der der Sturmflut in Hamburg Helmut Schmidt als SPD-Innensenator das Heft des Handelns. Das Image als Macher, das dort entstand, nutzte ihm in seiner gesamten politischen Karriere. "Es war eine Rolle, die war Schmidt auf den Körper zugeschnitten", so Merkel.
2002 watete Gerhard Schröder in Sachsen in Gummistiefeln durchs Elbhochwasser und versprach unbürokratische Hilfe. Offensichtlich mit Erfolg: Er blieb Bundeskanzler – obwohl in Meinungsumfragen - noch vor der Flut - CDU/CSU vorne lag.

Moralische Pflicht versus billiger Wahlkampf

Doch diese Bilder seien verbraucht, sie könnten nicht beliebig wiederholt werden, sagte Politologe Merkel. Zudem sei es nicht irrelevant, wer sich in den betroffenen Gebieten zeige. So werde es von Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon von Amts wegen erwartet, es sei eine moralische Pflicht, betonte der Politikwissenschaftler.

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Anders sieht es bei den drei Kanzlerkandidaten aus. "Bei Annalena Baerbock, die in keiner exekutiven Verantwortung steht, ist es viel schwieriger. Wenn sie dahin geht und Bilder liefert, wird man sagen: Was sucht die eigentlich da? Das ist billiger Wahlkampf." Doch im aktuellen Fall hätten die Grünen das begriffen und keine aufdringlichen Bilder geliefert. "Sie haben gelernt aus den Fehlern, die sie bisher in der Wahlkampagne abgeliefert haben."
Armin Laschet (2. v.l., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, lacht während Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) im Hochwassergebiet in Erftstadt ein Pressestatement gibt.
Laschets Lachen im Hochwassergebiet - Warum über den Fauxpas berichtet werden muss
Das Lachen von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet während der Rede des Bundespräsidenten im Hochwassergebiet spaltet die Medien. Der Vorfall zeige, dass Laschet wichtige Kanzler-Qualifikationen vermissen lasse: Krisen- und Medienkompetenz, meint unsere Kolumnistin.
Armin Laschet (CDU) könne sich als NRW-Ministerpräsident, als Landesvater präsentieren, weil er ja auch mit seinem Kabinett Entscheidungen treffe. Irgendwo dazwischen sei Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der Verantwortung für Finanzhilfen im Bund hat. "Am besten ist Laschet raus, er kann sich endlich als tatkräftiger Politiker zeigen, da hatten wir Probleme, ihn so zu sehen."

Wahlkampfthema Klimawandel wird wichtiger

Dass die drei Kandidaten betonten, die Besuche in den Krisenregionen seien kein Wahlkampf, sei Unsinn, so Merkel weiter. "Politiker sind rational kalkulierende Personen und sie machen das dezent." Mitgefühl könne man heucheln, man könne betroffen aussehen und gestanzte Formulierungen nutzen. "Was die Menschen erwarten, ist Hilfe. Diese Hilfe muss wuchtig sein."
Das Thema "Wie wir den Klimawandel effektiv bekämpfen" wird durch die Hochwasserkatastrophe nach Ansicht des Politologen als Wahlkampfthema noch stärker in den Vordergrund treten. Dabei konkurrierten zwei Paradigmen um die Wählergunst: "Zum einen die Union, die sagt, wir müssen als Industriestaat diesen Klimawandel vor allem technologisch bekämpfen. Auf der anderen Seite haben sie die Grünen, die Kompetenz zugeschrieben bekommen haben von der Bevölkerung in der Klimafrage, aber keine Kompetenz in den meisten Augen der Bevölkerung, wenn es darum geht, unseren Industriestandort zu wahren, zu sichern oder gar auszubauen."