Es war eine ungewohnte Szene, die sich vor einem Jahr hoch oben im Trump Tower in New York abspielte. Mittendrin: Donald Trump, stehend, steif, mit geschlossenen Augen und einer Bibel in der Hand. Um ihn herum: eine Gruppe prominenter Geistlicher, tief verneigt, die für ihn beteten und ihn segneten.
"Father, from the sake of you, your glory, your kingdom, because of your love of Donald Trump. Donald Trump, the Lord blesses you and keeps you."
"Yes."
"The Lord makes his face shine on you and be gracious to you."
"Yes."
"The Lord lifts you up with his countenance upon you."
"Yes."
Das war in der frühen Phase des Wahlkampfs. Sage und schreibe 17 Republikaner bewarben sich anfänglich um das Amt des Präsidenten.
Aber schon damals hatte die sogenannte "Christian Right", die einflussreiche Bewegung rechtskonservativer Christen, den Blick vor allem auf einen Mann gerichtet: auf den Immobilienunternehmer Donald J. Trump aus New York. Der geht zwar nur selten in die Kirche und patzt öffentlich beim Zitieren des Neuen Testaments: Den zweiten Korintherbrief nannte er etwa "Zwei Korinther". Außerdem wurde er schon zweimal geschieden und ist so eitel wie reich.
"Donald Trump is the darling of the Evangelicals."
"Strong support from Evangelicals."
"He won Evangelicals in South Carolina. He won Evangelicals in Nevada."
Es schien paradox was die Fernsehsender meldeten. Ausgerechnet Trump der Darling von Christen, die dafür bekannt sind, streng und konsequent ihren Glauben auszulegen und zu leben.
Es gibt über diese vielschichtige Gruppierung keine abgesicherten Zahlen. Nur Schätzungen. Danach machen sich rund 90 Millionen Amerikaner ein Glaubensbekenntnis zu eigen, das besagt: Jeder Satz in der Bibel gilt wortwörtlich. Die Sympathie für Trump hat eine Vorgeschichte. Der hatte schon früh die Drähte zu einer einflussreichen Predigerin aus Florida geknüpft. Sie heißt Paula White und besitzt dank des amerikanischen Kabelfernsehens als sogenannte "televangelist" eine beachtliche Reputation.
"The Bible declares this in Song 33.4 'For the word of the Lord is right.' What is right? The word of the Lord is right. What’s right, guys? The word of the Lord is right...."
Sie stellte Trump einen Blanko-Scheck aus, als sie sich verbürgte, dass der berühmte Unternehmer - nominell ein Anhänger der Presbyterianischen Konfession – als respektabler Christ anzusehen sei.
Was die beiden verbindet: Auch White redet viel und nimmt es dabei mit der Bibel nicht so genau. Ihr Credo zur Ehe:
"What’s our road map? The Bible. There is a winner. The Bible is a road map to what a marriage should be."
In der Heiligen Schrift fände man die Landkarte dafür, wie eine Ehe zu führen sei. Tatsächlich ist White bereits zum dritten Mal verheiratet. Und zu ihren Besitztümern zählten vor der letzten Scheidung Dinge wie ein Privatjet, Luxusautos und eine Wohnung im Trump Tower in Manhattan.
Ihre Wohlstandstheologie scheint jedoch unwiderstehlich. Zumindest vor allem unter weißen Amerikanern, die sich gerne einreden lassen, dass gerade dieser Glaube eine Voraussetzung für ein Leben in Gesundheit, geordneten Verhältnissen und sogar in Luxus ist. Paula White brachte dies neulich in einer Diskussionsrunde mit Trump erneut zur Sprache.
"Ich lehre das Prinzip: Wie man aus einer Leidenschaft in seinem Leben Geld macht."
Das passt zu Trump, der sein ganzes Leben erfolgreich an seinem Image als Self-Made-Milliardär gearbeitet hat. Aber es ist nicht der einzige Anknüpfungspunkt.
Amerikas evangelikale Christen kultivieren schon seit einiger Zeit die Vorstellung, dass sie sich in "God’s Own Country" verfolgt fühlen. R. Marie Griffith, Professorin an der Washington University in St. Louis und Expertin in Fragen von Religion und Gesellschaft:
"Es gibt Christen, die sehen sich in der Opferrolle. Sie fürchten, dass ihr Glaube in Amerika nicht mehr ernst genommen wird. Und sie haben Angst vor einer Säkularisierung und die Befürchtung, dass Feminismus mehr Macht hat als das Christentum."
Sie projizieren auf Trump die Rolle des Schutzpatrons.
"Sie kennen seine Ehegeschichten. Aber sie sehen ihn als Anführer, als jemand, der ihre Position als Christen in der Gesellschaft wiederherstellen kann."
Das glauben allerdings nicht alle. Zu den prominenten Kritikern im evangelikalen Lager gehört Pastor Russell Moore in Tennessee. Der verlangte, dass Trump zunächst mal "all seine Sünden bereut und zum Glauben an Jesus Christus" findet. Widerspruch kommt auch aus Kreisen der Mormonen im Westen der USA. Sogar der Papst hat sich geäußert. Jemand der an einer Staatsgrenze eine Mauer bauen will, statt Brücken zu schlagen, sagte Franziskus auf einer Mexiko-Reise, der sei kein Christ.
Trump lässt solche Anwürfe allerdings nicht gerne auf sich sitzen. Pastor Moore etwa sei "ein fieser Typ ohne Herz”, schrieb er auf Twitter. Und das Oberhaupt der Katholischen Kirche sei "skandalös". Den Glauben eines anderen Menschen infrage zu stellen, gehöre sich einfach nicht.
Der Kandidat hat sich offensichtlich noch nicht bis zum Römer-Brief durchgearbeitet. Dort erinnert Paulus an die alte Warnung: "Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der HERR."
Nein. Vergeltung – das übernimmt Trump am liebsten immer noch selbst.