Christiane Kaess: Ich spreche jetzt mit Christian Hacke, er ist Politikwissenschaftler und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Hacke!
Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Frau Kaess!
Kaess: Herr Hacke, Trump hat ja schon mal gesagt, er werde sich nicht ändern. War denn diese Annahme, er würde seinen Stil als Präsidentschaftskandidat mäßigen, war diese Annahme naiv?
Hacke: Ja, offensichtlich. Viele haben ja damit eigentlich gerechnet. Ich würde ehrlich sagen, manchmal habe ich geglaubt, vielleicht wird er auch vernünftiger. Aber er radikalisiert sich immer mehr, das ist eindeutig. Ich glaube, wir sehen so drei Stufen: Einmal blieb er generell mit seinen Ausfällen gegen die Mexikaner und Ähnliches mehr. Die zweite Stufe, fand ich, das war das Entscheidende, als er dieses muslimische Veteranenehepaar und dann vor allem auch die junge Frau mit dem Baby angriff, das war unter aller – also unvorstellbar charakterlos. Und nun haben wir die dritte Stufe. Ich würde sagen, hier geht es schon so in Richtung Allmachtsfantasien, die wir schon bisher gesehen haben und gehört haben von ihm, aber ich würde hier auch so populistische Umsturzfantasien nicht ausschließen, also eine Radikalisierung der Bevölkerung hat er hier vielleicht im Auge. Ich glaube nicht, dass das nur spontan ist. Das ist alles sehr kalkuliert und deshalb umso gefährlicher.
"Die Anhängerzahl schwindet"
Kaess: Glauben Sie denn auch, Herr Hacke, dass Trump in diese Richtung auch beraten wird?
Hacke: Das ist schwierig zu sagen. Das ist schwierig zu sagen. Aber dahinter steht natürlich die Frage, ob er mit diesen Auffassungen der Charakterlosigkeit, auch des Rassismus und vieler Dinge mehr, ob er allein steht, ob er allein eine bizarre Persönlichkeit ist, die man dann also vielleicht schon gar nicht mehr aus dem Verkehr ziehen kann, politisch gesehen, weil das ja alles bei den Republikanern so weit fortgeschritten ist, oder, und das macht mir eigentlich Sorge, ob er für einen großen Teil – wie groß, wissen wir nicht, aber sicher für einen erheblichen Teil der amerikanischen Bevölkerung steht, die auch an diesen, sagen wir mal, Verschiebungen der Realitäten der Gesellschaft schon das als Realität wahrnimmt, also dass er hier für viele beispielhaft steht. Und das müsste einem noch mehr Angst machen.
Kaess: Aber Herr Hacke, das ist ja auch ganz genau die Frage, denn Trump hat ja immer noch sehr viele Anhänger, auch wenn er im Moment in den Umfragen etwas zurückfällt oder weiter zurückfällt. Sein Stil kommt an. Und wie ist das zu erklären?
Hacke: Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, Frau Kaess, ob das noch ankommt. Auf jeden Fall schwindet die Anhängerzahl, das denke ich schon.
"Wir haben noch mit einer Menge Überraschungen zu rechnen"
Kaess: Aber es sind immer noch sehr viele.
Hacke: Aber es werden immer noch sehr viele bleiben, diese Hardcore-Unterstützer, und das ist dann wirklich eine gefährliche Entwicklung, die innerhalb der republikanischen Partei vermutlich oder hoffentlich keine Zukunft hat. Aber es ist jetzt natürlich vieles denkbar. Einmal, dass es alles durchgeht, dass er also bis zum Wahlkampf der Kandidat bleibt. Dann bleibt den Republikanern nur noch, dass sie sich fremdschämen können. Das Zweite, dass die Versuche erfolgreich sind, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, zu stoppen. Das ist sehr problematisch, sehr schwierig, auch bürokratisch und rechtlich. Drittens, dass er freiwillig zurücktritt, und viertens, dass er eine neue Partei begründet. Wir haben noch drei Monate Wahlkampf. Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das zeigt dieser Wahlkampf auf fatale Weise. Und hier ist noch eine Menge drin. Wir haben noch mit einer Menge Überraschungen zu rechnen. Und natürlich, das, was auch im Bericht aus Washington von Herrn Kößler anklang – natürlich, dieser Aufruf zur Waffengewalt ist unvorstellbar. So was hat es wahrscheinlich in der amerikanischen Geschichte, wo es also muntere Wahlkämpfe gab, wo Korruption vorgeworfen wurde, Vetternwirtschaft, Hurerei – das ist ja alles nichts im Vergleich hierzu.
Kaess: Ja. Aber Herr Hacke, ich möchte auf diesen Punkt noch mal eingehen. Selbst, wenn er zurücktritt als Kandidat oder wenn er nicht Präsident werden sollte, diese Unterstützer von Trump, die werden ja bleiben. Also dieses Wählerklientel ist ja vorhanden. Was wird also passieren mit den Republikanern, werden sie sich spalten?
Hacke: Das ist die schwierige Frage. Er hat ja die Republikaner ziemlich zerlegt, und er hat nun das Establishment auseinandergeschraubt und hat auch die Anhängerschaft verändert. Er ist ja auch in seinen Positionen nicht nur typisch republikanisch. Also die Folgen für die republikanische Partei sind fatal. Nicht nur fremdschämen, das ist noch das Geringste, was dort passiert. Die Partei ist im Moment fast nicht wählbar, das muss man sagen, für viele Amerikaner. Trotzdem werden es viele tun. Und dann ist natürlich die Frage, ob das bisherige Parteiensystem durch die Ankunft von Trump, diese populistische Form von Politik, die kennen wir ja nun auch in Europa. Und in Europa haben wir festgestellt, dass dann solche Personen eigene Parteien gründen, also diese Welle aufgreifen der Unzufriedenheit gegenüber dem Establishment. Und ich würde nicht ausschließen, dass dieses Kalkül bei ihm auch dahinter steht. Dass er irgendeinen Abgang sucht, ob nun abgewählt oder eine neue Partei gründen. Also das Wählerpotenzial, die Gefährlichkeit dieser Menschen, was sie angedeutet haben, das sind nicht zwei oder drei, die ist vorhanden. Die amerikanische Gesellschaft, das ist der entscheidende Punkt, hat sich in den letzten zehn Jahren des Niedergangs, der größeren Schere zwischen arm und reich, der Unzufriedenheit mit dem Establishment, alles, was wir kennen, hat sich verändert.
"Unter dem schwarzen Präsidenten ist der Rassismus wieder angestiegen"
Kaess: Aber Herr Hacke, dann müssen wir auch die Frage stellen, was hat diese politische Elite in den USA falsch gemacht, dass sie von einem Teil der Bevölkerung so gehasst wird?
Hacke: Ich glaube, da gibt es keine schnelle Antwort. Auf jeden Fall ist unter dem schwarzen Präsidenten der Rassismus wieder angestiegen, das ist zweifellos der Fall. Das sehen wir deutlich, und er ist ja auch Repräsentant eines neu angestiegenen Rassismus, der nicht Ku-Klux-Klan-mäßig, aber doch überall durchschimmert auf eine gemeine Art, muss man auch sagen. Zum Zweiten ist Amerika wirtschaftlich im Niedergang. Das ist auch deutlich zu sehen. Die Weltvorbildrolle hat auch gelitten, das frustriert auch viele. Dann kommt natürlich auch hinzu, dass die Eliten in Washington wahrgenommen werden als eine Clique, die sich zum Teil nur selbst bereichert und nicht mehr dem Volk dient. Das sind, ich würde sagen, gewisse Elemente von Plutokratie, die Abhängigkeit vom Geld der Abgeordneten im Repräsentantenhaus, der Senatoren, die praktisch nur noch beschäftigt sind, ihre eigenen Wahlkämpfe zu finanzieren oder die Großindustrie zu finanzieren. Die sind davon abhängig. Dieser plutokratische Charakter ist unübersehbar. Also, es gibt enormen Grund, unzufrieden zu sein. Das ist eine Sache. Die andere Sache ist natürlich, ob das Grund ist, dann einen Mann wir Trump zu wählen. Aber der einfache Mann, der eben diese Frustration loswerden will, das haben wir ja diese ganzen Monate diskutiert, die sind dann eben auf Trump gestoßen, und jetzt ist die Frage, weichen sie zurück oder sagen sie, wir folgen ihm weiter. Und das ist eine gefährliche Frage.
Kaess: Sagt der Politikwissenschaftler Christian Hacke. Danke für das Gespräch heute Mittag, Herr Hacke!
Hacke: Ich danke Ihnen, Frau Kaess!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.